Regierung plant Aufhebung sämtlicher Corona-Schutzmaßnahmen

Zum Jahresende führt die herrschende Klasse in Deutschland eine aggressive Kampagne zur Aufhebung sämtlicher Corona-Schutzmaßnahmen. Auslöser waren die Aussagen des Charité-Virologen Christian Drosten, der in einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt hatte, die Pandemie in Deutschland sei nach seiner Einschätzung „vorbei“. Innerhalb kürzester Zeit nahmen das Politiker aller großen Parteien zum Anlass, um die Beseitigung der verbliebenen Schutzmaßnahmen zu fordern.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf Twitter: „Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten #Corona-Schutzmaßnahmen beenden.“ Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki sagte dem Tagesspiegel, dass es für „jegliche[…] Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Coronavirus die Grundlage entzogen“ sei und forderte Bund und Länder auf, möglichst schnell ihre Maßnahmen zu beenden.

Auch Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen schloss sich im Tagesspiegel der Propaganda vom Ende der Pandemie an: „Zurzeit spricht vieles dafür, dass sich das Coronavirus kaum noch verändert und seine zurzeit noch starke Verbreitung mit dem Ende dieses Winters endlich deutlich zurückgehen wird.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dessen Position in den Medien allgemein als gemäßigter dargestellt wird, schließt sich diesem Narrativ in Wirklichkeit voll und ganz an. Im Interview mit dem ZDF heute journal erklärt er:

Es ist richtig, dass wir jetzt in einen endemischen Zustand übergehen. Das heißt, die Wellen, die jetzt kommen, erfassen nicht mehr die gesamte Bevölkerung, sondern nur noch die Teile, die nicht ausreichend geimpft sind oder Vorschäden haben. Somit ist also eine große Welle, die die gesamte Bevölkerung noch einmal erfassen würde, im Moment nicht zu erwarten. Die neuen Varianten sind nicht so ansteckend und auch nicht so gefährlich, wie es vor einigen Monaten im Labor noch aussah. Somit entschärft sich die Situation etwas.

Dabei weiß Lauterbach genau, wie dramatisch die Lage ist: „Wir haben im Moment noch volle Krankenhäuser, selbst die Kinder können nicht gut versorgt werden. Wir haben eine hohe Übersterblichkeit: Es sterben jeden Tag Menschen an Corona, die nicht unbedingt sterben müssten.“

In dieser Situation schlägt Lauterbach jedoch nicht vor, ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um Leben zu retten und einen Kollaps der Kliniken zu verhindern. Er plädiert lediglich dafür, die Aufhebung sämtlicher Maßnahmen um ein paar Wochen zu verschieben. Das liegt ganz auf der Linie seiner bisherigen Politik. Lauterbach hat die nahezu vollständige Abwicklung der Schutzmaßnahmen als Gesundheitsminister selbst aktiv vorangetrieben und umgesetzt.

Auch aus der Opposition kommt Unterstützung für die Aufhebung der verbleibenden Maßnahmen. CDU und CSU fordern für Anfang Januar eine Sonderkonferenz von Bund und Ländern, auf der die letzten Schutzmaßnahmen – wie eine Maskenpflicht in Arztpraxen und Krankenhäusern und im Öffentlichen Verkehr (in den meisten Bundesländern) – aufgehoben werden sollen.

Der gesundheitspolitische Sprechern der Unions-Bundestagsfraktion Tino Sorge erklärte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: Es wird Zeit, die Pandemie endlich für beendet zu erklären. Die Ampel darf sich nicht länger um diese vor allem politische Entscheidung drücken.“

Masken- und Isolationspflichten müssten zum neuen Jahr mit wenigen Ausnahmen durch Empfehlungen ersetzt werden, verlangte Sorge. Europa gehe zur Normalität über, nur die Ampel-Regierung habe nicht den Mut dazu. „Eine Konferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder Anfang Januar wäre das angemessene Format, um einen solchen Schritt gemeinsam mit den Bundesländern zu koordinieren“, so der CDU-Politiker.

Im Gegensatz zu den Behauptungen von Regierung und Opposition ist die Pandemie jedoch keineswegs vorbei. Aktuell sterben in Deutschland durchschnittlich jeden Tag über 100 Menschen und die Kliniken stehen am Rande des Zusammenbruchs. Die adjustierte Hospitalisierungsinzidenz liegt bei 15, was knapp 12.500 Hospitalisierungen pro Woche entspricht.

Die Intensivstationen füllen sich seit Wochen. Derzeit werden 1230 Menschen intensiv behandelt. Der Anteil freier Intensivbetten liegt aktuell bei 9,3 Prozent. Zehn Prozent gilt als Grenzwert für die Reaktionsfähikeit der Kliniken, der nicht unterschritten werden sollte.

Dabei warnte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin Christian Karagiannidis, dass sich die Situation noch weiter verschlimmern wird:„Wir werden [zu Silvester und Neujahr] regional mit Sicherheit Engpässe haben, aber eher nicht flächendeckend“, sagte er im Interview mit dem RND. „Mehr Sorgen bereiten mir der Januar und die Stimmung, die gerade mitschwingt. Im Januar werden die Krankenhäuser unter Volllast fahren und die Mitarbeiter beginnen langsam zu resignieren unter der Dauerlast.“

Zusätzlich belastet eine zunehmende Personalnot die Kliniken. Allein in den letzten zwei Jahren hätten die Kliniken 25 Prozent der High-Care-Intensivbetten verloren, weil das Personal fehle. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass diese Betten jemals wieder eingesetzt werden“, sagte Karagiannidis. Diese Kapazitäten seien für immer verloren. „Das ist die neue Realität, für die wir eine Lösung finden müssen.“

Die Folgen der Pandemie gehen jedoch noch weit über die unmittelbare Situation an den Kliniken und die Todesfälle hinaus. Auch scheinbar harmlose Infektionsverläufe greifen Organe an und können diese ernsthaft schädigen. Hunderttausende von Menschen in Deutschland haben bereits mit Long-Covid-Folgen zu kämpfen. Die Lebenserwartung ist um ein halbes Jahr gesunken und die Übersterblichkeit erreicht Rekordwerte.

In Zukunft soll die mörderische Durchseuchungspolitik, die allein hierzulande bereits zu mehr als 160.000 Toten geführt hat, noch brutaler umgesetzt werden. Zusätzlich zu der geplanten Beseitigung der Schutzmaßnahmen werden 2023 auch zahlreiche Impfzentren geschlossen. Dabei ist noch immer mehr als jeder Fünfte nicht geimpft. Eine Auffrischimpfung haben nur 63 Prozent der Bevölkerung erhalten und zwei Auffrischimpfungen nur 15 Prozent.

Hinzu kommen die Auswirkungen der Öffnungspolitik in China, die von den westlichen Regierungen und Medien seit langem eingefordert wurde. Die ständig eskalierende Covid-Katastrophe und die rasche Infektion von Millionen von Menschen mit dem Virus drohen zur Entstehung neuer infektiöserer, gefährlicherer und ressistenteren Varianten zu führen.

In einem aktuellen Kommentar warnt die WSWS:

Es gibt objektive Gesetze der Virusevolution, die mit den unbegründeten Behauptungen der Regierungen, dass Covid-19 allmählich weniger gefährlich werde, nichts zu tun haben. Es könnte sich jederzeit eine neue Variante entwickeln, die eine erhöhte Immunresistenz, Übertragbarkeit und Virulenz aufweist und eine noch größere Infektions- und Todeswelle auslösen kann.

Und zieht die notwendigen Schlussfolgerungen aus der gefährlichen Situation:

Im kommenden Jahr 2023 muss die internationale Arbeiterklasse die politischen und wissenschaftlichen Lehren aus den ersten drei Jahren der Pandemie ziehen, die Lügen der kapitalistischen Eliten und ihrer willfährigen Medien zurückweisen und einen globalen Kampf aufnehmen, um die Corona-Ausbreitung zu stoppen und das öffentliche Gesundheitssystem in allen Ländern stark auszubauen. Die Unterordnung des Lebens unter den Profit und die Anhäufung von Reichtum im Kapitalismus muss beendet werden.

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