Weshalb Die Linke die Wiederholung der Berlinwahl fürchtet

Die Linkspartei hat ihre Kampagne für die Berliner Abgeordnetenhauswahl am 12. Februar mit mehreren kurzen Statements eröffnet.

Die Partei stärke „das Soziale, das gesellschaftliche Miteinander und die öffentlichen Infrastrukturen“, heißt es auf ihrer Website. „Die Berlinerinnen und Berliner haben nun die Möglichkeit darüber zu entscheiden, was ihnen angesichts der anhaltenden Krisen wirklich wichtig ist,“ erklärte Landeschefin Katina Schubert. Der frisch gekürte Bürgermeisterkandidat Klaus Lederer sprach gar davon, „verloren gegangenes Vertrauen in die Demokratie wiederherzustellen“.

Klaus Lederer zusammen mit Katina Schubert am Wahlabend (2021) [Photo by Sandro Halank / CC BY-SA 4.0]

Schon diese knappen Verlautbarungen basieren auf zwei grotesken Lügen. Erstens steht die Linkspartei nicht für eine soziale Politik, sondern für einen radikalen sozialen Kahlschlag, und zweitens hat die Partei die Möglichkeit der Berliner, erneut über diese katastrophale Politik abzustimmen, nicht begrüßt, sondern mit allen Mitteln zu verhindern versucht.

Schon als das Landesverfassungsgericht im September andeutete, dass es angesichts der eklatanten Wahlmängel eine komplette Neuwahl in Betracht ziehe, behaupteten die beiden Linksparteipolitiker Moheb Shafaqyar und Antonio Leonhardt in einem wütenden Artikel für den Tagesspiegel, dieser Schritt sei „juristisch nicht begründet“.

Sollte das Gericht an seiner Einschätzung festhalten, schrieben sie, „würde es die chaotischen Verhältnisse in Berlin fortsetzen und selbst zum Teil des staatsorganisatorischen Problems werden“. Ganz in ihrer stalinistischen Tradition erklärt die Linkspartei also nicht die undemokratische Organisation der Wahl, für die sie selbst und die anderen beiden Senatsparteien verantwortlich sind, als „staatsorganisatorisches Problem“, sondern das Beharren des Gerichts auf demokratische Wahlen! Frei nach Brecht könnten sich diese Bürokraten auch gleich ein neues Volk wählen!

In ihrer Ablehnung der Wahlwiederholung zeigt die Linkspartei die gleiche Verachtung gegenüber den Wählern, die schon der katastrophalen Wahlorganisation zugrunde lag. Die Politik des Kriegs und der sozialen Verwüstung, die von allen Parteien verfolgt wird, verträgt sich nicht mit demokratischer Mitsprache der Bevölkerung. Zu groß ist die Opposition gegen diese verheerende Politik.

Bei der Linkspartei, die sich gern als Partei des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit bezeichnet, wird das besonders deutlich. Sie fürchtet die Wahl auch deshalb, weil sie ihr schlechtes Ergebnis der letzten Wahl laut Umfragen noch unterschreiten könnte. Das wäre die zehnte Wahlniederlage auf Bundes- und Landesebene in Folge.

Der Grund dafür ist ihre rechte und militaristische Politik. Sie ist integraler Teil der All-Parteien-Verschwörung, die den Krieg gegen Russland verschärft, die deutsche Armee hochrüstet und die Kosten für diesen Wahnsinn auf die arbeitende Bevölkerung abwälzt.

Dabei geht die Partei besonders aggressiv gegen jeden vor, der sich dem Kriegskurs widersetzt. Spitzenkandidat Lederer hatte schon im Juni Fragen nach den Hintergründen des russischen Einmarsches in die Ukraine in der taz als „linksreaktionäre Friedensliebe“ verunglimpft und umfassende Waffenlieferungen an die Ukraine verlangt.

Wer der massiven Hochrüstung der Ukraine durch die Nato – und damit dem Stellvertreterkrieg gegen Russland auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung – nicht zustimme, „betrachtet Menschen nicht als Subjekte, sondern als Insassen imperialer Interessensphären und als eine Art Verschiebemasse großer Mächte“, so Lederer. Waffenlieferungen seien notwendig, um die „Menschen mit ihren Bedürfnissen, Befindlichkeiten, Wünschen und Ängsten“ ernst zu nehmen.

Zynischer kann man die Zerstörung eines Landes im Interesse der deutschen und amerikanischen Geopolitik gar nicht rechtfertigen. Die Nato hat Putins reaktionären Einmarsch in die Ukraine gezielt provoziert und nutzt ihn jetzt für einen umfassenden Feldzug gegen Russland, um das Land zu unterwerfen und auszuplündern. Dabei setzt sie in der Ukraine ganz offen auf rechtsextreme Bataillone und Neonazis. Für die Linkspartei sind das „Menschen mit ihren Ängsten“. Der Krieg gegen Russland, der die ukrainischen Arbeiter als erstes trifft und zur nuklearen Vernichtung der Menschheit zu führen droht, dient der Stärkung der Subjekte in der Ukraine!

Das entspricht der Haltung des gesamten rot-rot-grünen Senats in Berlin. Am 8. und 9. Mai dieses Jahres verbot er es, mit sowjetischen Fahnen der Befreiung vom Faschismus zu gedenken. Schon zuvor hatte er eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den rechtsextremen Professor Jörg Baberowski abgeschmettert, der einen kritischen Studierenden tätlich attackiert hatte. Baberowski ist für seine üble Geschichtsfälschung bekannt. So erklärte er, dass Hitler nicht grausam gewesen sei.

Wie vor den beiden Weltkriegen geht dieser aggressive Militarismus mit heftigen Angriffen auf die sozialen Rechte der Arbeiter einher. In Berlin zeigen sich die katastrophalen sozialen Folgen der Kriegspolitik wie in einem Brennglas.

Schon Anfang des Jahres lag die Armutsquote in der Bundeshauptstadt offiziell bei 16,4 Prozent. Jedes vierte Kind lebt in einem von Armut betroffenen bzw. gefährdeten Haushalt. Angesichts der galoppierenden Inflation – einer Folge der Pandemiepolitik, des Wirtschaftskriegs gegen Russland und des daraus resultierenden Energienotstands – ist die Armutsquote drastisch gestiegen.

Die Senatsverwaltung – sprich das Landesministerium für Integration, Arbeit und Soziales unter Leitung der ehemaligen Linksparteivorsitzenden Katja Kipping – organisiert diese Armut und verschärft sie weiter. Im März verabschiedete die Berliner Landesregierung den Doppelhaushalt für 2022 und 2023, der weitere massive Sparmaßnahmen beinhaltete. Der Senat senkte den Zweijahresetat von 78,3 Milliarden auf 76,6 Milliarden Euro. Der Schwerpunkt der Einsparungen lag wieder bei den Sozialbereichen. Selbst bei der Bildung, die schon jetzt völlig heruntergekommen ist, wird weiter gekürzt.

Weil die letzten Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie fallen gelassen wurden, an der in Berlin bereits über 5000 gestorben sind, verschärft sich die Lage in den kaputtgesparten Kliniken, den Kitas, Schulen und der Verwaltung weiter. Gleichzeitig erhalten Banken und Unternehmen Milliardengeschenke.

Schon der erste rot-rote Senat hatte ab 2002 mit dem rechtsextremen Finanzsenator Thilo Sarrazin einen sozialen Kahlschlag organisiert, der in der Nachkriegszeit beispiellos ist. Die Löhne im öffentlichen Dienst wurden um zehn Prozent gekürzt, massenhaft Stellen gestrichen und die städtischen Wohnungen an Heuschrecken verscherbelt. Diese Politik verschärfen SPD, Grüne und Linkspartei jetzt weiter.

Angesichts dieser Bilanz scheut die Linkspartei Wahlen wie der Teufel das Weihwasser. Außer in den wohlhabenden Mittelschichten, um die Linkspartei und Grüne gleichermaßen buhlen, gibt es für diese Politik keine Unterstützung.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) macht die Wiederholung der Berlinwahl deshalb zu einem Referendum gegen die rechte und militaristische Politik der Senatsparteien. Wir fürchten die Wahlen nicht, sondern begrüßen sie, weil sie Arbeitern die Möglichkeit geben, mit SPD, Grünen und der Linkspartei abzurechnen.

Unser Wahlaufruf schließt mit den Worten: „Daher rufen wir jeden auf, der sich nicht mit der schreienden sozialen Ungleichheit, der Zerstörung des Gesundheits- und Bildungssystems und schließlich der nuklearen Vernichtung unseres Planeten abfinden will: Unterstützt unseren Wahlkampf und wählt am 12. Februar SGP! Registriert Euch schon jetzt als aktive Unterstützer.“

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