Türkei: 41 Tote bei Explosion in Kohlegrube wegen fehlender Sicherheitsvorkehrungen

Am Freitag wurden bei einer Grubengasexplosion in einem Bergwerk des türkischen staatlichen Bergbaukonzerns Turkish Hard Coal Enterprises in Amasra in der Provinz Bartin an der Schwarzmeerküste 41 Bergarbeiter getötet und Dutzende weitere verletzt.

Bergleute mit dem Leichnam eines Opfers von Amasra in der türkischen Schwarzmeerküsten-Provinz Bartin, aufgenommen am 14. Oktober 2022 (Nilay Meryem Comlek/Depo Photos via AP) [AP Photo/Nilay Meryem Comlek/Depo Photos]

Das Büro des Gouverneurs von Bartin, Nurtaç Arslan, teilte am Freitag mit: „Im Steinkohlebergwerk Amasra ereignete sich gegen 18:15 Uhr eine Explosion in 300 Metern Tiefe, die Ursache ist noch nicht bekannt.“ Weiter hieß es, zahlreiche Rettungskräfte seien vor Ort. Arslan erklärte außerdem: „In 300 Metern Tiefe befinden sich 44 Arbeiter, weitere fünf in 350 Metern Tiefe.“

Die Katastrophen- und Notfallstelle (AFAD) des Innenministeriums löschte später einen Tweet, laut dem die Explosion „durch einen Transformator ausgelöst wurde“. Doch der Vorsitzende der Bergarbeitergewerkschaft GMİS, Hakan Yeşil, die dem regierungsnahen Gewerkschaftsbund Türk-İş angegliedert ist und der auch die Bergarbeiter in Amasra angehören, sprach ebenfalls von einer „Grubengasexplosion, die durch einen Transformator ausgelöst wurde“.

Ein Arbeiter, der nach der Explosion aus der Grube kam, erklärte: „Wir wissen gar nichts. Es war überall Staub und Rauch, wir wissen nicht, was passiert ist. Wir konnten es nicht sehen. Ich bin von alleine rausgekommen. Es war wahrscheinlich eine Explosion. Wir waren etwas weiter hinten, deshalb haben wir nur Druck gespürt. Wegen des Drucks gab es eine Menge Staub, man konnte nichts sehen.“

Der Minister für Energie und Rohstoffe, Fatih Dönmez, der wenige Stunden später am Ort des Unglücks eintraf, erklärte: „Laut unseren Informationen gab es eine Grubengasexplosion.“ Innenminister Süleyman Soylu gab ebenfalls bekannt, dass 110 Arbeiter in der Schicht waren, von denen 61 unverletzt blieben, 49 befanden sich jedoch in der Gefahrenzone.

Justizminister Bekir Bozdağ behauptete: „Die Staatsanwaltschaft von Amasra hat eine Untersuchung der Explosion eingeleitet. Der Vorfall wird in allen seinen Dimensionen untersucht.“ Diese Aussage zielte darauf ab, die Wut von Millionen Arbeitern zu beschwichtigen, die darauf warteten, dass die Bergleute unverletzt herausgeholt würden. Diese Wut beruht auf früheren Erfahrungen, insbesondere der Katastrophe von Soma im Jahr 2014, bei der Bergarbeiter durch fehlende Sicherheitsvorkehrungen dem Profitstreben geopfert wurden.

Wie die World Socialist Web Site damals erklärte, war die Katastrophe in Soma „kein unerklärlicher ,Unfall‘, sondern das unvermeidliche Ergebnis von Privatisierung, Nachlässigkeit der Regierung und dem kapitalistischen Profitsystem, durch das jedes Jahr Millionen Industriearbeiter überall auf der Welt ihre Gesundheit oder ihr Leben verlieren“. Dass ein privater Bergbaukonzern aus dem Umfeld der Erdoğan-Regierung keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte und dies die stillschweigende Billigung durch Staat und Gewerkschaften erhielt, hatte 301 Bergleute das Leben gekostet. Nach dem Massaker kam es zu Massenprotesten im ganzen Land, und die Regierung musste neue Bergbaugesetze erlassen. Der Vorsitzende des Bergbaukonzerns, Can Gürkan, wurde jedoch 2019 aus der Haft entlassen, und derzeit sitzt niemand wegen der Bergwerkskatastrophe von Soma im Gefängnis.

Es wurde bald klar, dass die Lage in Amasra ähnlich war. Deniz Yavuzyılmaz, Abgeordneter der größten Oppositionspartei CHP aus Zonguldak, postete auf Twitter einen Bericht des Rechnungshofs von 2019 und erklärte: „Der Rechnungshof hat gewarnt! Laut dem Rechnungshof hat die Fördertiefe in Amasra (Bartin) 300 Meter erreicht; die Gaskonzentration in den abgebauten Mineralienadern ist hoch und das Risiko einer plötzlichen Entzündung von Gas und Kohle und einer Grubengasexplosion steigt!“

Im offiziellen Bericht hieß es: „Im Jahr 2019 lag die stabilisierte Fördertiefe in der Grube bei 300 Metern. Bei dieser Vertiefung kommt es zu einem erhöhten Risiko ernsthafter Unfälle wie plötzlicher Entzündungen von Gas und Kohle sowie von Grubengasexplosionen. Es ist bekannt, dass die Gaskonzentration in allen abgebauten Mineralienadern hoch ist, weswegen auch die Ausgasungskapazitäten hoch sind. In Störungszonen ist das Risiko noch höher. Deshalb müssen – zusätzlich zu den Vorschriften der einschlägigen Gesetze – auch die Vorgaben der ,Richtlinie über die Entgasung‘ in den Gruben des Bergwerks genauestens umgesetzt werden.“

Die Tageszeitung Evrensel schrieb: „Laut dem Bericht des Rechnungshofs über das Steinkohlebergwerk Amasra kam es im Jahr 2019 zu 190 Arbeitsunfällen. Im Jahr 2020 wurden 164 Arbeiter bei 164 Arbeitsunfällen verletzt, von denen sich 157 über und sieben unter Tage ereigneten.“

Die Zeitung zitierte den Bericht des Rechnungshofs für die Generaldirektion der TTK und fünf Gruben im Jahr 2021, laut dem in den Jahren 2019 und 2020 die Inspektoren der Arbeitsaufsichtsbehörde des Arbeits- und Sozialministeriums die Werke nicht besucht und auch keine Kontrollen und Inspektionen durchgeführt haben.

In den ersten Stunden nach der Explosion erklärte Gesundheitsminister Fahrettin Koca: „Wir werden unser Bestes tun, um die schmerzhaften Nachrichten zu reduzieren und der ganzen Türkei gute Nachrichten zu liefern.“ Was für ein Unsinn! Ein Minister verkündet nach einer Explosion, vor der Staatsbeamte gewarnt hatten, man wolle „die schmerzhaften Nachrichten reduzieren“.

Kurz vor dieser Tragödie, am 20. September, hatte Energieminister Fatih Dönmez mit einer großen Delegation das Bergwerk in Amasra besucht. Zu dieser Delegation gehörten der TTK-Generaldirektor, Kazim Eroğlu, der Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds Türk-İş, Ergün Atalay, der Vorsitzende der Gewerkschaft GMİS, Hakan Yeşil, Vorstandsmitglieder der GMİS sowie der Gouverneur und der Bürgermeister von Bartin.

Die Erklärungen, die während dieses Besuchs abgegeben wurden – trotz der offiziellen Warnungen vor einer solchen Bergwerkskatastrophe –, und die Tatsache, dass die Fakten vor den Arbeitern geheim gehalten wurden, statt sofortige Maßnahmen zu ergreifen, sind eine Anklage gegen den Staat und die Gewerkschaftsbürokraten.

Der GMİS-Vorsitzende Yeşil erklärte in seiner Rede in schmeichelndem Ton: „Der Minister [Dönmez] hat sich trotz seines vollen Terminkalenders die Zeit genommen, euch [die Bergleute] an eurer Arbeitsstelle zu besuchen. Er ist heute hier bei uns. Ich danke ihm in euer aller Namen.“

Auch der Türk-İş-Vorsitzende Atalay bedankte sich bei der Regierung: „Die beiden Ministerien, bei denen ich anklopfe, wenn unsere Bergleute ein Probleme haben, sind das Arbeits- und das Energieministerium. Vor einiger Zeit gab es ein Problem in einer Grube in Soma, und der Herr Minister hat es sofort gelöst... Wir hatten auch die Gelegenheit, über diesen Ort [Amasra] zu reden.“

Was die Gewerkschaftsbürokraten, die als verlängerter Arm des Staats und der Unternehmen fungieren, den Ministern erzählten, hatte natürlich nichts mit einer Verteidigung der lebenswichtigen Interessen der Bergarbeiter und ihrer Sicherheit zu tun. Die einzige Forderung der Gewerkschaftsbürokratie, die sie während dieses Besuchs erhob, war diejenige nach mehr Arbeitern, um die Produktion zu steigern.

Während des Besuchs bestätigte Minister Dönmez auch, dass sie das gleiche Ziel haben wie die Gewerkschaftsbürokratie: „Unser Ziel ist es, die Produktion zu steigern.“ Dönmez’ Äußerungen gegenüber den Bergarbeitern, die wenige Wochen darauf in den Tod gingen, waren von einer besonders krassen Heuchelei geprägt: „Zuallererst möchte ich sagen: Sicherheit geht vor. Wir würden die Sicherheit Ihrer Leben nicht für die gesamte Grube eintauschen. Wenn wir Manager ernennen, lautet die erste Anweisung, dass die Produktion ein wenig gestört werden darf, wir werden das kompensieren, aber kein einziges Haar oder ein einziger Fingernagel eines unserer Arbeiter darf zu Schaden kommen.“

Dönmez erklärte weiter: „Nach dem Unfall in Soma wurden besondere Maßnahmen für die Beschäftigten in der Montanindustrie eingeleitet, vor allem für die Arbeiter unter Tage. Die Arbeitsbedingungen wurden verbessert, die Arbeitszeiten verkürzt. Es wurden freie Tage am Wochenende geschaffen. Für Bergarbeiter unter Tage wurden mindestens zwei Mindestlohnvorgaben geschaffen... Nach diesen Maßnahmen ist die Zahl der Arbeitsunfälle schnell zurückgegangen. Wir haben zwar nicht erreicht, dass es gar keine mehr gibt. Das sollte unser Ziel sein. Aber leider ist der Bergbausektor einer der gefährlichsten Industriezweige der Welt.“

Der Versuch des Ministers, mit seinem letzten Satz die Bergarbeiter davon zu überzeugen, tödliche Arbeitsunfälle als unvermeidlich hinzunehmen, erinnert an die berüchtigte Aussage des damaligen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan nach der Katastrophe in Soma: „Das sind normale Dinge. Das liegt in der Natur dieses Geschäfts.“

Doch auch Dönmez’ Behauptung, die Zahl der Arbeitsunfälle sei seit 2014 schnell zurückgegangen, entspricht nicht der Wahrheit. Laut Daten der Gesundheits- und Arbeitsaufsichtsbehörde İSİG wurden im Jahr 2014 insgesamt 386 Bergleute Opfer von „Arbeitsunfällen“ – nachdem 301 Bergleute bei der Katastrophe in Soma umgekommen waren. Im Jahr 2013 waren es 93 Tote. Im Jahr 2015 starben 67 Bergleute, 74 im Jahr 2016, 93 im Jahr 2017, 66 im Jahr 2018, 63 im Jahr 2019, 61 im Jahr 2020 und 70 im Jahr 2021. Im Oktober dieses Jahres lag die Zahl der bei der Arbeit getöteten Bergleute bei 53. Zudem wurden in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt landesweit 2.052 Arbeiter bei Unfällen am Arbeitsplatz getötet.

Die Bergwerkskatastrophe in Amasra unterstreicht die Notwendigkeit, dass sich Arbeiter unabhängig von den Gewerkschaftsbürokratien organisieren müssen, die dem Staat und den Konzernen dienen, um gegen den Kapitalismus und für die Verteidigung von Grundrechten wie dem Recht auf einen sicheren Arbeitsplatz zu kämpfen. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ist eine Antwort auf dieses gemeinsame Bedürfnis der Arbeiter auf der ganzen Welt.

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