Gaspreisbremse: Ein Geschenk für Reiche und Großkonzerne

Die von der Bundesregierung eingesetzte Gaspreiskommission hat am Montag einen Vorschlag für die Abfederung der hohen Gas- und Energiepreise durch staatliche Gelder vorgestellt. Er sieht üppige Geldgeschenke für Wohlhabende und Großkonzerne vor, während Arme, Normalverdiener und Kleinbetriebe die explodierenden Kosten trotz staatlicher Hilfen weiterhin nicht stemmen können.

24 Millionen Privathaushalte und Kleinbetriebe sollen in den heizungsintensiven Wintermonaten Januar, Februar und eventuell auch März die gestiegenen Preise für Gas in vollem Umfang tragen. Der Tarif ist von etwa 7 Cent je Kilowattstunde vor der Verhängung der Sanktionen gegen Russland auf 20 bis 30 Cent gestiegen.

Gasbetriebenes Heizkraftwerk in Köln-Niehl [Photo by Raimond Spekking / via Wikimedia Commons / CC BY-NC-SA 4.0]

Lediglich für Dezember schlägt die Kommission eine Einmalzahlung in Höhe des monatlichen Abschlags vom September dieses Jahres vor. Dies ist ein höchst willkürlicher Wert, da der Abschlag im September für viele Haushalte noch auf den alten Preisen beruhte. Hauptnutznießer sind wohlhabende Villenbesitzer mit hohem Gasverbrauch, die genauso behandelt werden wie die Mieter kleiner Wohnungen.

Eine gewisse „Gießkannenförderung“ sei leider nicht zu vermeiden gewesen, kommentierten dies achselzuckend die Vorsitzenden der Kommission, die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm, der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, und der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis.

Erst ab März oder April sollen Privatkunden sowie kleine und mittlere Unternehmen 80 Prozent ihres Vorjahresverbrauchs zu seinem staatlich subventionierten Preis von 12 Cent beziehen können. Das ist immer noch fast doppelt so viel wie vor dem Ukrainekrieg. Für alles, was darüber liegt, müssen sie den vollen Marktpreis bezahlen.

Insgesamt soll dies den Staat bis Ende April 2024 rund 66 Milliarden Euro kosten. Weitere 30 Milliarden sind für die Subventionierung von etwa 25.000 Großunternehmen mit einem Jahresverbrauch über 1,5 Megawattstunden vorgesehen, die bereits ab dem 1. Januar in den Genuss subventionierter Preise gelangen.

Ihnen wird ein Gaspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs garantiert. BDI-Präsident Russwurm behauptet zwar, dies entspreche etwa den 12 Cent für Privatverbraucher, da es sich um einen reinen Beschaffungspreis und nicht, wie bei Privatkunden, um den Bruttotarif einschließlich von Steuern und Gebühren handle. Doch es ist offensichtlich, dass Großkonzerne bevorzugt werden. Auch hier handelt die Kommission nach dem Gießkannenprinzip. Hochprofitable Konzerne profitieren ebenso von den staatlichen Geldern wie solche, die vom Bankrott bedroht sind.

In den 96 Milliarden für den Gaspreisdeckel sind die 50 Milliarden nicht enthalten, mit denen die Regierung Zwischenhändler wie Uniper rettet, die durch die ausbleibenden Lieferungen billigen Gases aus Russland in Schwierigkeiten geraten sind. Diese Gelder landen dann direkt auf den Konten der großen Energiekonzerne, die aufgrund der hohen Preise Rekordprofite erzielen.

Für die Gaspreisbremse und die Rettung der Zwischenhändler werden rund drei Viertel des „Doppelwumms“-Pakets von 200 Milliarden Euro gebraucht, das die Bundesregierung im September angekündigt hat. Dabei sind die steigenden Strom- und Ölpreise noch gar nicht berücksichtigt. Der massive Anstieg der Strompreise ist nämlich nur zum Teil auf den hohen Gaspreis zurückzuführen, der nach allgemeiner Ansicht von Ökonomen nie mehr auf das Vorkriegsniveau zurückfallen wird. Und auf dem Ölmarkt droht eine neue Preisexplosion.

Grund ist das Bemühen der EU-Kommission, eine Preisobergrenze für russische Ölexporte in sämtliche Länder der Welt zu verhängen. Er soll durch Strafmaßnahmen gegen Reedereien, die russisches Öl transportieren, und gegen Versicherungen, die die Transporte versichern, durchgesetzt werden. Widersetzt sich Russland diesen Maßnahmen, droht eine massive Verknappung von Öl und Diesel und eine entsprechende Preisexplosion.

Bemühungen, Saudi-Arabien und andere OPEC-Länder zu einer Erhöhung der Förderung zu veranlassen, sind gescheitert. Stattdessen haben die OPEC-Staaten, die ein internationales Preisdiktat fürchten, die Förderung um zwei Millionen Barrel pro Tag reduziert. Um einen weiteren Preisanstieg vor den Wahlen im November zu verhindern, wird in den USA inzwischen über ein Öl-Exportverbot diskutiert, das Europa zusätzlich treffen würde.

Die gewaltige Summe von 200 Milliarden für die Senkung des Gaspreises wird zwar nicht direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert, um die Schuldenbremse nicht zu gefährden, an der die Ampel-Koalition weiterhin festhält. Stattdessen hat die Bundesregierung den Wirtschaftsstabilitätsfonds reaktiviert, der in der Finanzkrise 2008 zur Rettung der Banken eingerichtet und 2020 zum Schutz von Konzernen wie Lufthansa und TUI vor den Folgen der Corona-Krise neu aufgelegt wurde.

Aber anders als damals, als zumindest ein Teil dieser Gelder nach Abflauen der Krise zurückflossen, müssen die 200 Milliarden (und was noch folgt) voll aus dem Staatshaushalt finanziert werden, was aufgrund rasch steigender Rüstungsausgaben unweigerlich auf Kosten der Sozialausgaben geschehen wird. Mit dem Krieg gegen Russland, den die Nato systematisch provoziert hat und trotz der Gefahr eines Atomkriegs weiter eskaliert, hat die Bundesregierung auch der Arbeiterklasse den Krieg erklärt.

Alle Vertreter der herrschenden Klasse rücken dabei zusammen: Die Parteien (von den Grünen, der SPD und der Linkspartei bis hin zur AfD), die Unternehmerverbände und die Gewerkschaften. Wie im Ersten Weltkrieg, als Gewerkschaften und Konzerne einen „Burgfrieden“ vereinbarten, und im Zweiten Weltkrieg, als die Nazis sie in der korporatistischen Deutschen Arbeitsfront zusammenschlossen, haben sie sich auch jetzt wieder gegen die Arbeiterklasse verschworen.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Gaspreiskommission verkörpert diese Verschmelzung von Staat, Konzernen und Gewerkschaften. Sie besteht aus 21 Ver­tre­te­n aus Wirtschaft, Wissenschaft, Sozialverbänden und Gewerkschaften und wird vom Chef des größten Unternehmerverbands, Siegfried Russwurm, und dem Vorsitzenden der Chemiegewerkschaft, Michael Vassiliadis, geleitet. Letzterer ist außerdem Lebensgefährte der DGB-Vorsitzenden und führenden SPD-Politikerin Yasmin Fahimi.

Das aggressive Vorgehen der Bundesregierung und ihrer Verbündeten verschärft nicht nur die sozialen Gegensätze in Deutschland und ganz Europa, sondern auch die nationalen Spannungen innerhalb der EU. Führende europäische Politiker haben heftig gegen das 200-Milliarden-Paket protestiert, weil es ihrer Ansicht nach eine Handelskriegsmaßnahme darstellt.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bezeichnete es als „Beginn der Selbstzerfleischung der EU“ und schimpfte: „Die Reichen helfen ihren Firmen mit enormen Summen, während die Armen dies nicht tun können.“ Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi warnte, es untergrabe „die Logik der Union an ihren Wurzeln“.

Die EU-Kommissare Thierry Breton (Frankreich) und Paolo Gentiloni (Italien) beschwerten sich in einem Zeitungsartikel über die Folgen für die Mitgliedstaaten, „die nicht über denselben haushaltspolitischen Spielraum wie Deutschland verfügen, um ihre Unternehmen und Haushalte vergleichbar zu unterstützen“. Sie warnten, es gehe letztlich um „den Erfolg unseres europäischen Projekts“.

Dieser Teufelskreis von sozialen Angriffen, nationalen Spannungen und Krieg, der das Überleben der Menschheit bedroht, kann nur durch ein unabhängiges Eingreifen der internationalen Arbeiterklasse durchbrochen werden. Sie muss mit den Parteien und Gewerkschaften der herrschenden Klasse brechen und den Kampf gegen Lohnraub, Sozialabbau und Krieg mit dem Kampf für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft verbinden.

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