Unter dem Vorwand des Ukrainekrieg: Baltische Regierungen demontieren sowjetische Siegesdenkmäler

Letzte Woche beseitigte Lettland die letzten Teile eines 79 Meter großen Denkmals aus dem Zweiten Weltkrieg, das an den Sieg über Nazi-Deutschland erinnerte. Es war den Befreiern von Sowjet-Lettland und Riga und ihrem Sieg über die deutschen faschistischen Invasoren gewidmet.

Der Abriss ist Teil einer reaktionären Kampagne im gesamten Baltikum und Osteuropa. Ihr Ziel ist es, die Niederlage des Faschismus und den immensen Sieg, den sie für die sowjetische und internationale Arbeiterklasse bedeutete, aus dem historischen Gedächtnis zu tilgen.

Denkmal für die Befreier von Sowjet-Lettland und Riga von den deutschen faschistischen Invasoren in der lettischen Hauptstadt Riga, 23. Februar 2022 (AP Photo/Roman Koksarow) [AP Photo/Roman Koksarov]

Mindestens 27 Millionen Sowjetbürger aller Nationalitäten haben von 1941 bis 1945 im Kampf gegen Hitler-Deutschland ihr Leben gelassen. Der Krieg an der Ostfront war der blutigste militärische Konflikt der Weltgeschichte. Der Überfall der Nazis auf die Sowjetunion war außerdem ein entscheidender Wendepunkt im Völkermord der Nationalsozialisten am europäischen Judentum. Innerhalb weniger Monate nach Beginn des Überfalls am 22. Juni 1941 war die jüdische Bevölkerung der heutigen Ukraine und des Baltikums nahezu vollständig ausgelöscht.

Das sowjetische Denkmal für den Zweiten Weltkrieg wurde von der stalinistischen Bürokratie errichtet, die selbst systematisch die Geschichte der Oktoberrevolution und des Kriegs verfälscht hat. Dennoch stießen viele dieser Denkmäler in der Arbeiterklasse der ehemaligen Sowjetunion jahrzehntelang auf große Resonanz. Trotz der beträchtlichen politischen und historischen Verwirrung herrscht in der Bevölkerung ein starkes Bewusstsein für die enorme Bedeutung und die Opfer der sowjetischen Massen im Kampf gegen den Faschismus, die trotz der immensen Verbrechen des Stalinismus die Errungenschaften der Oktoberrevolution verteidigt haben.

Auch in der estnischen Stadt Narwa nahe der russischen Grenze haben die Behörden ein Denkmal entfernt, das dem sowjetischen Sieg über den Faschismus gewidmet war. Es bestand aus einem T34-Panzer, der jetzt ins estnische Militärmuseum nördlich der Hauptstadt Tallinn gebracht wird. Auf einem gemeinsamen Friedhof für die Opfer des faschistischen Deutschlands in der überwiegend russischsprachigen Stadt Narwa werden die sowjetischen Grabsteine durch „neutrale“ Grabsteine ersetzt.

Die estnische Regierung hatte am 4. August erstmals angekündigt, die Demontage des Denkmals zu beschleunigen. Als Rechtfertigung nannte sie den Krieg in der Ukraine und angebliche Versuche Russlands, „Feindseligkeit“ im Land zu schüren. Ein Drittel der Bevölkerung Estlands spricht Russisch als Muttersprache. Die Entfernung eines Denkmals für Soldaten der Roten Armee in der überwiegend russischsprachigen Stadt ist eine gezielte Provokation, die ethnische Spannungen zwischen Esten und russischen Muttersprachlern schüren und rechtsextreme Kräfte weiter ermutigen soll.

Der estnische Präsident Alar Karis verteidigte die Entfernung des Denkmals in Narwa gegen Kritik, indem er die Sowjetunion mit dem völkermörderischen Hitler-Deutschland gleichsetzte. Dieses Narrativ nutzen die osteuropäischen Regierungen immer wieder. Dabei beuten sie die Verbrechen des Stalinismus zynisch aus, um die Verbrechen des Faschismus zu verharmlosen, neofaschistische Kräfte zu legitimieren und den Sozialismus zu diffamieren.

Karis erklärte: „Die historische Vielfalt wird damit nicht verschwinden, sondern in würdevoller Weise an einen Ort gebracht, an dem sie weniger Menschen verletzt oder Konfrontation schürt. Jeder kann in der Ruhe eines Friedhofs der Toten des Zweiten Weltkriegs gedenken. Und ich möchte an einen wichtigen Punkt erinnern: Estland hat nicht als Land an diesem Krieg teilgenommen, sondern war Opfer des kommunistischen und des Nazi-Regimes.“

Auch Litauen, das in den letzten Jahren zu einem der größten Waffenlieferanten für die antirussische ukrainische Regierung geworden ist, hat seit Beginn des Kriegs in der Ukraine eine massive Kampagne zur „Entsowjetisierung“ eingeleitet und mehrere Denkmäler aus Sowjetzeiten entfernt.

Im Juni hat das litauische Parlament einen Gesetzentwurf zur „Entsowjetisierung“ vorgelegt, um die Entfernung von Statuen und Denkmälern sowie von Straßen- und Platznamen zu beschleunigen, die mit der Sowjetunion assoziiert werden. Gemäß dem Gesetz liegt die endgültige Entscheidung über die Beseitigung beim Forschungszentrum für Völkermord und Widerstand in Litauen, das die Regierung eingesetzt hat. Genau wie im Fall Estlands ist klar, dass die Regierung das Gesetz nutzen wird, um sich über jeden örtlichen Widerstand hinwegzusetzen, die extreme Rechte zu stärken und ethnische Feindseligkeiten zu schüren.

Alle drei baltischen Staaten wurden infolge des Hitler-Stalin-Pakts vom August 1939 in die Sowjetunion eingegliedert. Dieser Pakt, ein bankrotter und politisch krimineller Versuch der stalinistischen Bürokratie, einem Überfall Hitler-Deutschlands zuvorzukommen, ebnete den Weg für den Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939. Als die Nationalsozialisten im Juni 1941 die Sowjetunion dann doch überfielen, überrannte die Wehrmacht in kurzer Zeit einen Großteil der heutigen Ukraine und des Baltikums. Zusammen mit den kollaborierenden Regierungen und einheimischen faschistischen Elementen ermordeten die Nazis die örtliche jüdische Bevölkerung, und Estland wurde als erstes Land Europas  für „judenfrei“ erklärt.

In Litauen wurden 95 Prozent der jüdischen Bevölkerung ermordet, was der höchste Prozentsatz in ganz Europa war. Die Litauische Aktivistenfront (LAF) beteiligte sich (ebenso wie die Organisation Ukrainischer Nationalisten, OUN) uneingeschränkt an der von den Nazis durchgeführten ethnischen Säuberung der Juden und begann sogar schon vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht mit der Ermordung von Juden. 

Nach der Auflösung der Sowjetunion und der Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistischen Bürokratien wurde das rechte Vermächtnis der bürgerlichen Regime im Baltikum aus der Zwischenkriegszeit wiederbelebt. Unter der Schirmherrschaft der Nato und der EU wurden die baltischen Nazi-Kollaborateure aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs systematisch rehabilitiert, oft früher und aggressiver als in anderen Teilen Osteuropas, einschließlich der Ukraine.

In Litauen bestand eine der ersten Amtshandlungen des postsowjetischen Parlaments darin, den Nazi-Kollaborateur Jonas Norelka, der Deportationsbefehle für Juden unterzeichnet hatte, zum „Nationalhelden“ zu erklären. Seit 2006 betreibt die litauische Regierung, die zu dem Zeitpunkt bereits Mitglied der Nato und der EU war, eine verabscheuenswürdige rechte Kampagne gegen die wenigen überlebenden jüdisch-sowjetischen Partisanen, die im Krieg gegen die litauischen Nazi-Kollaborateure gekämpft hatten. Ein Opfer der litauischen Regierung war der bekannte Holocaust-Überlebende und Historiker Jitzak Arad, der mit den sowjetischen Partisanen gekämpft hatte und nun beschuldigt wurde, ein „Kriegsverbrecher“ zu sein.

Nach 1991 verlieh die estnische Regierung die Staatsbürgerschaft nur noch an Personen, die vor 1940 im Land gelebt hatten. Lettland verabschiedete ein ähnlich reaktionäres Staatsangehörigkeitsgesetz, das der russischsprachigen Bevölkerung die Staatsbürgerschaft verwehrte. Im Jahr 2019 lebten in Lettland und Estland laut dem Institut für Staatenlosigkeit und Integration noch immer bis zu 200.000 „Nicht-Staatsbürger“, die meisten davon ethnische Russen. Lettland und Estland haben eine Gesamtbevölkerung von 1,9 bzw. 1,3 Millionen Einwohnern.

Diese reaktionären antirussischen Gesetze gingen Hand in Hand mit der Zerstörung sowjetischer Denkmäler. Im Jahr 2007 rissen die estnischen Behörden in Tallinn provokativ eine zwei Meter große Statue ab, den so genannten Bronzesoldaten, der dem sowjetischen Sieg im Zweiten Weltkrieg gewidmet war. Die ethnischen Volksgruppen protestierten dagegen, und es kam zu Ausschreitungen, bei denen mehr als 1.000 Menschen verhaftet wurden und ein russischer Demonstrant den Tod fand. 

Die Förderung faschistischer Elemente und rassistischer antirussischer Hysterie haben die postsowjetischen baltischen Staaten schnell zu Freunden der Nato und der USA gemacht. Litauen, Estland und Lettland wurden allesamt im Jahr 2004 – nur ein Jahr nach Beginn der US-Besatzung des Irak – in das Militärbündnis aufgenommen.

Im Jahr 2002 gab US-Präsident George W. Bush bei einer Rede in der litauischen Hauptstadt Vilnius das gefährliche Versprechen ab: „Die lange Nacht der Angst, der Unsicherheit und Einsamkeit ist vorbei. Sie treten der starken und wachsenden Familie der Nato bei. Unser Bündnis hat ein feierliches Versprechen abgegeben, ihre Mitglieder zu schützen. Jeder, der Litauen zum Feind erklärt, hat sich auch die Vereinigten Staaten von Amerika zum Feind gemacht. Die tapferen Völker Litauens, Lettlands und Estlands werden gegenüber Aggressionen nie wieder alleine dastehen.“

Im Vorfeld des Putschs in Kiew, den die USA und die EU orchestrierten und bei dem der gewählte ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch gestürzt und durch eine fanatisch antirussische und Nato-nahe Regierung ersetzt wurde, galten die baltischen Staaten allgemein als möglicher casus belli für die Nato, um ihre Kriegspläne gegen Russland in die Tat umzusetzen. Seit Beginn des Kriegs ist die antisowjetische Kampagne der baltischen Staaten jetzt ein integraler Bestandteil des Nato-Kriegs gegen Russland sowie des Kriegs gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land geworden.

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