Ukraine verbietet Import von russischen Büchern und Aufführungen russischer Musik

Am 19. Juni verabschiedete das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) mit großer Mehrheit zwei reaktionäre Gesetzentwürfe. Diese zensieren russische Literatur und Aufführungen russischer Musik und erhöhen den Anteil an ukrainisch-sprachiger Musik und Textbeiträgen im Radio. Ein drittes Gesetz soll die Veröffentlichung von Inhalten in ukrainischer Sprache fördern. Es wird von ukrainischen Nationalchauvinisten dazu benutzt werden, die russische Sprache zu unterdrücken.

Das Gesetz 7273-D verbietet die „öffentliche Aufführung, Darstellung und Vorführung“ eines russischen Staatsbürgers, einschließlich Musikvideos. Russische Künstler dürfen nur dann in der Ukraine auftreten, wenn sie sich – vermutlich öffentlich – gegen die Invasion des Landes ausgesprochen haben und auf einer überwachten, von der Regierung geführten Liste stehen.

Im Vorfeld der Verabschiedung dieser neuen Maßnahmen war es weltweit bei Orchestern und klassischen Musikwettbewerben zu umfangreichen Zensurmaßnahmen gekommen, durch die russischen Künstlern – unabhängig von ihren politischen Ansichten – die Teilnahme verwehrt wurde.

Unter anderem wurde der Dirigent Tugan Sochjew aus der New Yorker Philharmonie ausgeschlossen, dem Pianisten Alexander Malofjew wurden im März Auftritte in Vancouver und Montreal untersagt und die Münchner Philharmonie hat den russischen Dirigenten Waleri Gergijew entlassen. Zu der schändlichen Liste entsprechender Maßnahmen gehört auch die Entscheidung der Sibelius Violin Competition vom April, russische Teilnehmer auszuschließen, und den Ausschluss von Alexander Boldatschew vom Dutch Harp Festival im Mai.

Auch Popmusiker wurden Opfer der antirussischen Kampagne, u.a. die russische DJane und Musikerin Nina Kraviz, die vom Movement Music Festival in Detroit, dem Crave in Den Haag und der PollerWiesen in Dortmund ausgeschlossen wurde.

Die westlichen Leitmedien äußerten größtenteils Zustimmung zu den drakonischen Zensurmaßnahmen in der Ukraine, die an jedem anderen Ort der Welt einen Aufschrei der Empörung auslösen würden. Die BBC wies beispielsweise darauf hin, dass das Gesetz 7273-D angeblich „das Risiko möglicher feindlicher Propaganda durch Musik in der Ukraine verringern und den Anteil nationaler Musikprodukte im Kulturraum erhöhen wird“.

Ein weiterer Bestandteil des neuen Gesetzes soll den Anteil ukrainisch-sprachiger Textbeiträge im Rundfunk erhöhen. Vierzig Prozent der Lieder und 75 Prozent der täglichen Nachrichten, Analysen und Unterhaltungsprogramme im Radio müssen auf Ukrainisch abgefasst sein. Damit werden jene Quoten erhöht, die bereits im Jahr 2016 durch ein Gesetz festgelegt wurden.

Schon im Jahr 2019 wurde ein Gesetz erlassen, laut dem Ukrainisch die einzige offizielle „Staatssprache“ ist. Fast ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung spricht Russisch als Muttersprache, hinzu kommen Minderheiten, die Bulgarisch, Ungarisch, Polnisch, Rumänisch, Tartarisch und Karaitisch und weitere Sprachen sprechen.

Die russische Kultur soll nicht nur im gesprochenen Wort verschwinden, sondern auch im gedruckten. Das Gesetz 7459 verbietet den „Import und die Verbreitung von Publikationen“ aus der Russischen Föderation in die Ukraine und untersagt den Import von Druckerzeugnissen „in der Sprache des Aggressorstaats [d.h. Russland]“ aus anderen Ländern. Laut deutschen Medien sollen einige russische Klassiker von dem Verbot ausgenommen werden, darunter Werke von Tolstoi und Puschkin. Auch berichten die Medien – wenig überraschend – von Widerstand ukrainischer Leser gegen das Verbot.

Das brutale Vorgehen stellt eine Fortsetzung der Versuche des ukrainischen Regimes dar, eine „ethnokulturelle Säuberung“ von russischer Literatur jeglicher Epoche oder politischer Überzeugung durchzuführen. Dazu gehören auch die Vorschläge und Maßnahmen des Ukrainischen Buch-Instituts (UBI), das dem Kulturministerium untersteht. Ein Sprecher des UBI hatte vor kurzem die Werke von Autoren wie Puschkin und Dostojewski als „sehr schädliche Literatur“ bezeichnet und vorgeschlagen, sie aus öffentlichen und Schulbibliotheken zu entfernen.

Die Deutsche Welle berichtete dazu: „Eine Arbeitsgruppe des Bildungsministeriums hat bereits empfohlen, die Werke von rund 40 russischen und sowjetischen Schriftstellern und Dichtern [aus den Lehrplänen] zu streichen – darunter auch Leo Tolstoi, Alexander Puschkin, Fjodor Dostojewski und Michail Bulgakow.“

Das Gesetz 7459 wird durch das Gesetz 6287 ergänzt, das die Entwicklung „des ukrainischen Buchmarkts als wichtigen Faktor der... nationalen Sicherheit“ anstrebt. Das Gesetz sieht Subventionen für Buchläden vor, die keine russischen Bücher verkaufen, und stellt Zertifikate für den Kauf ukrainischer Bücher für Staatsbürger in Aussicht.

Der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkatschenko begrüßte die Einschränkungen mit den Worten: „Die Gesetze sollen es ukrainischen Autoren ermöglichen, qualitativ hochwertige Inhalte mit dem größtmöglichen Publikum zu teilen, das nach dem russischen Überfall keine kreativen Produkte russischer Herkunft auf physischer Ebene akzeptiert.“

Die Gesetze müssen noch von Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet werden, was aber als sicher gilt.

Diese Maßnahmen beweisen einmal mehr, dass die USA und die Nato kein demokratisches, sondern ein chauvinistisches, nationalistisches Regime verteidigen, das zu allen Maßnahmen greift, um nicht-ukrainische „Identität“ zu unterdrücken.

Der russische Überfall ist reaktionär, doch die ukrainische extreme Rechte, die die Regierung dominiert, nutzt ihn aus, um ein seit Jahrzehnten ersehntes Programm des ethnischen Exklusivismus zu forcieren. Dies ist Teil der zunehmend antidemokratischen Maßnahmen, die das Regime in der letzten Zeit ergriffen hat. Anfang des Monats bestätigte ein ukrainisches Gericht Selenskyjs Verbot von elf Oppositionsparteien, darunter der größten, der Oppositionsplattform – Für das Leben.

Die Eskalation des Nato-Stellvertreterkriegs gegen Russland ging auch in den imperialistischen Ländern mit einem umfassenden Angriff auf die demokratischen Rechte einher. In den USA sind die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung und die Aufweichung der Trennung von Kirche und Staat durch Urteile des Obersten Gerichtshofs Höhepunkte dieser reaktionären Kampagne. Die extreme Rechte in der Republikanischen Partei versucht seit Monaten, Bücher und Filme über Themen wie Rassismus und Sexualität aus den Schulbibliotheken zu entfernen. Alle diese Schritte sollten in einem globalen Kontext verstanden werden, in dem sich zeigt, dass der Kapitalismus nicht nur nicht mit Demokratie, sondern ebenso nicht mit einer auch nur halbwegs freien Entwicklung von Kultur zu vereinbaren ist.

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