Der neue Oberbefehlshaber der britischen Armee, General Sir Patrick Sanders, hielt am Dienstag eine grauenerregende Rede, in der er betonte, das Vereinigte Königreich und die Nato müssten sich auf einen Krieg gegen Russland vorbereiten.
Sanders' Grundsatzrede auf der jährlichen „Land Warfare Conference“ des Royal United Services Institute (RUSI) wurde von Sky News live übertragen. Unter den Zuschauern befanden sich Verteidigungsminister Ben Wallace, die Secretary of the Army Christine Wormuth aus den USA, der deutsche Inspekteur des Heeres Generalleutnant Alfons Mais und der ehemalige Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine Oleksandr Danyljuk.
Sanders warnte, Großbritannien stehe vor einer „Situation wie 1937“. Damit bezog er sich auf Feldmarschall Bernard Law Montgomery, der zwei Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs geschrieben hatte: „Es gibt keinen Grund, etwas weiterhin zu tun, nur weil es in der Armee seit 30 oder 40 Jahren so gemacht wurde. Wenn das der einzige Grund ist, etwas zu tun, dann ist es höchste Zeit, dass wir es ändern und etwas anderes machen.“
Sanders erklärte: „Für uns bedeutet heute ,etwas anderes zu machen‘, die Armee zu mobilisieren, um uns auf die neue Bedrohung einzustellen: eine klare und akute Gefahr, die am 24. Februar sichtbar wurde, als Russland mit Gewalt Staatsgebiet der Ukraine, eines mit dem Vereinigten Königreich befreundeten Staates, besetzt hat.“
Sanders fügte hinzu: „In all meinen Jahren in Uniform habe ich noch nie eine so klare Bedrohung der Prinzipien von Souveränität und Demokratie und der Freiheit erlebt, ohne Angst vor Gewalt zu leben, wie sie von der brutalen Aggression von Präsident Putin und seinen expansionistischen Ambitionen ausgeht.“
Dieser zynische Ausbruch kommt von jemandem, der an allen Verbrechen des britischen Imperialismus der letzten drei Jahrzehnte beteiligt war. Sanders befehligte Einsätze in Nordirland, im Kosovo, in Bosnien, im Irak und Afghanistan. Es handelte sich um einen offensichtlichen Versuch, seine Forderung nach einer Stärkung der Streitkräfte für Angriffskriege zu rechtfertigen. Weiter erklärte er, in Zukunft müsse man sich „verstärkt auf Bereitschaft und kombinierte Waffenausbildung konzentrieren sowie auf eine umfassendere institutionelle Erneuerung, die die für einen Sieg notwendige Kultur schafft. Dieser Prozess unter dem Namen Operation MOBILISE wird in den kommenden Jahren das Hauptaugenmerk der Armee sein.“
Sanders erklärte in orwellscher Sprache, das Vereinigte Königreich müsse „mobil machen, um den heutigen Bedrohungen zu begegnen“, d.h. einen Krieg zu führen, um „einen Krieg in Europa zu verhindern“. Das bedeutet, die Ukraine im Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland bis an die Zähne zu bewaffnen.
Sanders erklärte großspurig: „Das Verteidigungsministerium hat in phänomenaler Geschwindigkeit eine Koalition aus Partnern zusammengestellt, die Material, Geheimdienstinformationen und Training für den Kampf der Ukraine gegen die russischen Invasoren bereitstellen... alleine in diesem Jahr haben wir 9.500 Panzerabwehrraketen geliefert, davon mehr als 5.000 leichte schultergestützte NLAW. Wir haben im Vereinigten Königreich bereits 650 ukrainische Soldaten ausgebildet, und in den kommenden Monaten wird die britische Armee weiteren 10.000 Mann Fähigkeiten vermitteln, um Schlachten zu gewinnen. Es hat gerade erst begonnen.“
Das Vereinigte Königreich müsse zu allem bereit sein, was für einen Sieg notwendig ist: „Die russische Invasion hat uns an die altehrwürdige Maxime erinnert, dass man besser bereit sein sollte zu kämpfen, wenn man einen Konflikt abwenden will... Und ich möchte klarstellen: das bedeutet, sich darauf zu konzentrieren, den Krieg zu gewinnen, mit diesen Verbündeten, gegen diese Bedrohung und an diesem Ort.“
Zu dem Nato-Gipfel, der in dieser Woche in Madrid stattfindet, erklärte Sanders vorab: „Und wir werden erleben, dass morgen in Madrid die ersten Befehle ausgegeben werden.“
Weiter erklärte er, mit Hilfe von RUSI „werden wir die Manöver der verbundenen Waffen verstärken, vor allem in tiefen Kampfoperationen, und eine neue Doktrin auf geografischer Grundlage entwickeln, die in die Kriegspläne der Nato integriert und spezifisch genug sein wird, um gezielte relevante Investitionen zu ermöglichen und die Vorstellungskraft unserer Bevölkerung zum Kampf und zum Sieg zu inspirieren, wenn sie dazu aufgerufen wird.“
Ein Sieg über Russland würde eine massive Mobilisierung von Personal erfordern, da „der Krieg in der Ukraine uns auch an den Nutzen von Landstreitkräften erinnert: Man braucht eine Armee, um Gebiete zu halten, zurückzuerobern und die dort lebenden Menschen zu verteidigen. Man braucht eine Armee zur Abschreckung. Und diese Armee, die British Army, wird ihre Rolle an der Seite unserer Verbündeten spielen.“
Gemeinsam mit unseren Nato-Verbündeten und Partnern“ müsse das Vereinigte Königreich „von Anfang an Stärke mit Stärke beantworten und unmissverständlich bereit sein, um das Nato-Gebiet zu kämpfen“.
In einem solchen Konflikt „wären wir vermutlich zum Zeitpunkt des Angriffs zahlenmäßig unterlegen, sodass wir wie verrückt kämpfen müssen. Konfrontationen in der Luft, auf dem Meer oder im Cyberspace alleine werden wahrscheinlich keinen Sieg bringen. Der Landkrieg wird weiterhin der entscheidende Bereich sein… Verbundene Waffen und bereichsübergreifende Kompetenz werden für den Erfolg entscheidend sein. Und die Masse. Die Entwicklung in der Ukraine hat auch gezeigt, dass es sich lohnt, unsere Gegner anzugreifen und unsere Partner auszubilden, zu unterstützen und rückzuversichern.“
Sanders, den mittlerweile seine eigene Blutrünstigkeit übermannt hatte, forderte zum Schluss: „Die britische Armee muss zur Kriegsführung in ihrer brutalsten Form bereit sein.“
Beim Blick ins Publikum sah er „die Gesichter von Freunden aus früheren Feldzügen, in denen wir Leid und Lachen geteilt haben, Niederlagen und Siege. Wir haben zusammen Blut vergossen. Wir erinnern uns an diejenigen, die wir zurücklassen mussten. Und wegen dieser Bereitschaft, Blut zu vergießen, um unsere gemeinsamen Werte und gegenseitig unser Territorium zu schützen, werden wir siegen.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Sanders bezieht sich auf Konflikte wie im Irak und Afghanistan, die mehr als eine Million Todesopfer gefordert haben. Doch diese Zahl verblasst im Vergleich zur Zahl der Todesopfer durch einen totalen Krieg mit Russland, den er jetzt befürwortet und plant.
Zentrale Stellen in Sanders' Rede bestanden aus Warnungen an die Regierung, dass die Mobilisierung für einen Krieg eine Aufstockung von Personal und Waffen erfordere: „Da wir mit einer neuen Realität – einem Rennen um die Mobilmachung – konfrontiert sind, müssen wir ehrlich zu uns sein, was den Zeitplan des Future-Soldiers-Programms [das Umbauprogramm der British Army] angeht, Lücken in der Leistungsfähigkeit und die Risiken – und jetzt auch unsere eigenen verringerten Bestände, weil wir die tapferen Soldaten der ukrainischen Streitkräfte damit ausgerüstet haben.“
Er deutete unmissverständlich an, dass möglicherweise die Wehrpflicht wieder eingeführt werden müsse: „Wir sollten keine Angst vor notwendiger Ketzerei haben. Die Verteidigung ist nur so stark wie ihr schwächster Bereich. Und Technologie beseitigt nicht die Bedeutung von Kampfmasse.“
Sanders' Behauptung, sein Plan sei wegen Russlands Invasion in die Ukraine notwendig geworden, ist eine durchsichtige Lüge. Seine gesamte Rede war nur eine weitere Ausführung der Rede, die General Sir Nicholas Carter, der bis letzten November Leiter des Verteidigungsstabs war, im Jahr 2018 bei einer Konferenz des RUSI gehalten hatte.
Er hatte damals vorgeschlagen, die britische Armee müsse „in der Lage sein, per Straße und Bahn über Land verlegt zu werden. Und unser Konzept für Militärschläge strebt eine Projektion von Fähigkeiten zur Landkriegsführung über Distanzen von bis zu 2.000 Kilometern an.“
Das würde bedeuten, den Überfall Hitler-Deutschlands auf Russland im Jahr 1941 zu kopieren, der über eine Front von 2.900 Kilometern durchgeführt wurde. Carter erklärte: „Beispielsweise kopieren wir, was die Deutschen 1940 sehr gut gemacht haben, als alle wichtigen Fahrzeuge, wie Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Anhänger hatten. Damit reduziert man seinen Logistikaufwand.“
Die Anwesenheit von Verteidigungsminister Wallace an der Seite von Sanders sollte seine eigenen Forderungen von dieser Woche nach einer Erhöhung der Militärausgaben um 20 Prozent auf 2,5 Prozent des BIP bekräftigen. Er erklärte: „Jetzt ist es an der Zeit zu signalisieren, dass die Friedensdividende vorbei ist und die Investitionen weiter steigen müssen.“ Auf dem G7-Gipfel in Deutschland letzte Woche hatte Premierminister Boris Johnson erklärt, Großbritanniens Verpflichtung, zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, sei „keine Ober- sondern eine Untergrenze“.
Das sind jedoch nur die Dinge, die die Tories öffentlich zu sagen bereit sind. Ein militärischer Konflikt mit Russland und China würde Verteidigungsausgaben von wahrhaft enormem Ausmaß erfordern, und dazu – wie Sanders klargestellt hat – eine Militarisierung der Gesellschaft, die wiederum einen Klassenkrieg gegen die britischen Arbeiter und die Zerstörung demokratischer Grundrechte erfordern würde. Das ist der Grund, weshalb streikende Bahnarbeiter als „Putins Handlanger“ denunziert wurden, während die Regierung Gesetze vorbereitet, die den Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher erlauben und einen „Minimalbetrieb“ vorschreiben, wodurch Streiks in wichtigen Branchen und Dienstleistungen faktisch für illegal erklärt würden.