Premierminister Sri Lankas fordert mehr Opfer von der arbeitenden Bevölkerung

In einer außerordentlichen Ansprache an die Nation berief sich der sri-lankische Premierminister Ranil Wickremesinghe unverblümt auf die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes. Er warnte, dass „die nächsten Monate die schwierigsten im Leben aller Bürger sein werden“, und betonte, dass die Bevölkerung „bereit sein muss, einige Opfer zu bringen“.

Ranil Wickremesinghe (Quelle: Facebook-Seite der United National Party) [Photo: United National Party Facebook]

Wickremesinghe gab diese Erklärung am späten Montagabend vor der Parlamentssitzung am Dienstag ab, in der über die Unterstützung für den neuen Premierminister abgestimmt werden sollte. Er war erst am vergangenen Donnerstag von Präsident Gotabaya Rajapaksa ernannt worden. Hintergrund ist die beispiellose wirtschaftliche, soziale und politische Krise, die das Land erfasst hat.

Der Bruder des Präsidenten, Mahinda Rajapaksa, war am 9. Mai als Premierminister zurückgetreten. Vorausgegangen waren wochenlange Massenproteste und Streiks, bei denen der Rücktritt beider Rajapaksas und ein Ende der sozialen Katastrophe gefordert wurde. Die Preise für lebenswichtige Güter wie Lebensmittel, Kraftstoff und Medikamente sind in die Höhe geschossen. Chronische Engpässe haben zu langen Warteschlangen geführt, täglich fällt stundenlang der Strom aus.

Die Unruhen in Sri Lanka sind ein besonders akuter Ausdruck der globalen Krise des Kapitalismus, die durch die verbrecherische Pandemie-Politik der Regierungen in aller Welt ausgelöst und durch den Stellvertreterkrieg der USA und der Nato Russland in der Ukraine verstärkt wurde.

Die Tourismusindustrie Sri Lankas ist zusammengebrochen. Die Überweisungen von im Ausland arbeitenden Sri Lankern sind im Vergleich zum Vorjahr um 61 Prozent eingebrochen, und die Tee-Exporte in die Ukraine und Russland, zwei wichtige Märkte, wurden eingestellt. Die Zentralbank des Landes hat die Rückzahlung der Auslandskredite in Höhe von mehr als 51 Mrd. US-Dollar vorübergehend ausgesetzt. Der Mangel an Devisen hat dazu geführt, dass die Einfuhren von Treibstoff, Medikamenten und Grundnahrungsmitteln nicht bezahlt werden können.

Die Ernennung Wickremesinghes ist ein verzweifelter Versuch, der herrschenden Klasse während der Verhandlungen mit dem IWF und den Gläubigern Zeit zu verschaffen. Mit seiner Rede vom Montag wollte Wickremesinghe die Gläubiger davon überzeugen, dass seine Regierung harte Sparmaßnahmen ergreifen und die Arbeiter zu „Opfern“ für die Nation zwingen wird.

Wickremesinghe bot den Millionen Arbeitern und Armen, die nicht mehr über die Runden kommen und nicht wissen, wovon sie Medikamente oder Fahrkarten bezahlen sollen, keine Erleichterungen an. Stattdessen verwies er auf die Tiefe der Wirtschaftskrise, um weitere harte Einschnitte zu rechtfertigen.

Im November 2019, erklärte er, beliefen sich die Devisenreserven Sri Lankas auf 7,5 Milliarden US-Dollar, aber „heute ist es für das Finanzministerium eine Herausforderung, 1 Million US-Dollar aufzutreiben... Um die Warteschlangen zu verkürzen, müssen wir in den nächsten Tagen etwa 75 Millionen US-Dollar beschaffen.“

„Im Moment reichen unsere Benzinvorräte nur für einen Tag“, drohte er. Am Sonntag sei zwar eine Lieferung Dieselkraftstoff eingetroffen, doch würden in den kommenden Tagen weitere Lieferungen benötigt. „Ein Viertel des Stroms wird durch Öl erzeugt. Daher kann es dazu kommen, dass sich die Stromausfälle auf 15 Stunden pro Tag verlängern werden“, fuhr er fort.

„Eine weitere große Sorge ist der Mangel an Medikamenten“, so Wickremesinghe. „Es herrscht ein schwerwiegender Mangel an einer Reihe von Arzneimitteln, unter anderem an Medikamenten für Herzkrankheiten, und an chirurgischem Material. Seit vier Monaten sind keine Zahlungen an die Lieferanten von Medikamenten, medizinischer Ausrüstung und Nahrungsmitteln für die Patienten mehr erfolgt.“

Aufschlussreich war Wickremesinghes Äußerung, er beabsichtige die staatliche Fluggesellschaft zu verkaufen, auch wenn dies mit hohen Verlusten verbunden sei. „Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass dies ein Verlust ist, der auch von den armen Menschen in diesem Land getragen werden muss, die noch nie ein Flugzeug bestiegen haben“, sagte er.

Damit gestand Wickremesinghe offen ein, dass die arbeitende Bevölkerung gezwungen werden soll, die Hauptlast der kapitalistischen Krise zu tragen. Sie soll für die Kredite zur Kasse gebeten werden, die zugunsten der reichen Unternehmer aufgenommen wurden. Der Premierminister kündigte außerdem weitere starke Preiserhöhungen für Kraftstoff und Strom an. Die staatlichen Subventionen seien nicht mehr tragbar.

Wickremesinghe schloss seine Rede mit der Feststellung, dass „diese Tatsachen unangenehm und erschreckend sind“, versprach aber, dass die „harten Zeiten“ kurz sein würden und eine rosige Zukunft bevorstehe, wenn alle an einem Strang zögen. Er stellte sich als Märtyrer der Nation dar, der bereit ist, einen gefährlichen und schwierigen Weg zu beschreiten.

Eine verlogene Pose! Wickremesinghe wurde eingesetzt, um die Wünsche des sri-lankischen Großkapitals, des IWF und der ausländischen Gläubiger zu erfüllen. Er war bereits fünfmal Premierminister und ist für seine marktliberalen Maßnahmen und seine pro-amerikanische Ausrichtung bekannt. Seine Ernennung wurde vom US-Botschafter in Colombo begrüßt.

Seine ersten Tage im Amt verbrachte Wickremesinghe in Gesprächen mit Diplomaten aus den USA, Japan und China. Außerdem führte er hinter verschlossenen Türen Gespräche mit Regierungs- und Oppositionsvertretern, um sich im Parlament eine Mehrheit zu sichern.

Wie wenig Unterstützung er in der Bevölkerung hat, kann man daran ablesen, dass er der einzige Vertreter der United National Party (UNP) im 225 Sitze umfassenden Parlament ist. Im Jahr 2020 spaltete sich die UNP, und die Mehrheit ihrer Mitglieder bildete die heute wichtigste Oppositionspartei, die Samagi Jana Balawegaya. Die SJB hat zu erkennen gegeben, dass sie eine Regierung Wickremesinghe bedingt unterstützen würde. Sie weigert sich allerdings, in das Kabinett einzutreten. Bis vorgestern waren nur vier Minister in das Kabinett Wickremesinghe berufen worden, allesamt Mitglieder der Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) von Präsident Rajapaksa.

Selbst wenn Wickremesinghe eine parlamentarische Mehrheit erhält, wird seine Regierung unweigerlich von einer Krise in die nächste taumeln und versuchen, den Arbeitern unerträgliche Belastungen aufzuerlegen. Die Proteste gegen die Regierung auf dem Galle Face Green im Zentrum von Colombo gehen weiter. Die Anführer der Proteste haben sich gegen die Ernennung von Wickremesinghe ausgesprochen. Sie reagieren damit auf das weit verbreitete Misstrauen gegenüber den Manövern des politischen Establishments.

Präsident Rajapaksa lehnt die Hauptforderung der Proteste ab und weigert sich kategorisch, zurückzutreten. Er behält weitreichende Befugnisse bei, darunter die Entlassung der Regierung und die Verhängung von Polizeistaatsmaßnahmen. Nach einem Generalstreik, an dem sich am 5. Mai Millionen beteiligten, verhängte er den Ausnahmezustand, intrigierte mit seinem Bruder, um einen gewaltsamen Angriff auf Demonstranten am Galle Face Green zu inszenieren, und nutzte den anschließenden Wutausbruch der Massen aus, um eine Ausgangssperre zu verhängen und das Militär auf die Straßen zu schicken.

Wije Dias, Vorsitzender der Socialist Equality Party (SEP) in Sri Lanka, verurteilte gegenüber der WSWS die Aufforderung von Premierminister Wickremesinghe an die arbeitende Bevölkerung, im Namen des Landes eine unendliche Serie von Opfern zu bringen.

Der nationale Vorsitzende der SEP (Sri Lanka), Wije Dias

„Die Socialist Equality Party fordert die Arbeiterklasse, die arme Landbevölkerung und die Jugend aller Bevölkerungsgruppen, der singhalesischen, tamilischen und muslimischen, dazu auf, Wickremesinghes Appell abzulehnen. Er spricht im Namen der internationalen Banker und der lokalen kapitalistischen Blutsauger, die die sri-lankische Bevölkerung in den 74 Jahren seit der Scheinunabhängigkeit unter verschiedenen bürgerlichen Regierungen ausbluten ließen.

Dieses Ergebnis haben die protestierenden Arbeiter, Kleinbauern und Jugendlichen absolut nicht gewollt, als sie mit ihren Massenprotesten und eintägigen Generalstreiks auf die Straße gingen. Sie wollten ein Ende der Knappheit und der hohen Preise für Kraftstoff, Gas und Milchpulver und ein Ende der unerträglichen Stromausfälle unter dem kapitalistischen Profitsystem.

Die Gewerkschaften und ihre pseudolinken Verbündeten, die alle eine lange Geschichte des Verrats haben, blockieren bewusst den Weg zum Sieg des Massenkampfs, indem sie Illusionen in die bürgerliche parlamentarische Demokratie verbreiten und so die kapitalistische Herrschaft aufrechterhalten.

Im Gegensatz dazu hat die SEP von Anfang an die Arbeiterklasse dazu aufgerufen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, indem sie von den Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees bildet. Die SEP schlägt konkrete Forderungen vor, unter denen die Arbeiter für ihre Interessen kämpfen und die unterdrückten Massen auf ihre Seite gewinnen können. Dies würde die Grundlage für eine Arbeiter- und Bauernregierung schaffen, die eine sozialistische Politik durchführen könnte, um die Bedürfnisse der Massen zu befriedigen.

Dies ist die einzige Lösung, mit der die Hoffnungen der arbeitenden Bevölkerung erfüllt werden können.“

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