Wie die US-Demokraten den Krieg in der Ukraine vorbereiteten

Teil 2: Von der Präsidentschaftswahl 2016 bis an den Rand eines Atomkriegs

Dies ist der zweite Teil einer zweiteiligen Serie; der erste Teil ist hier zu finden.

Die Wahl 2016 und die Mueller-Ermittlungen

Die „russische Frage“ wurde im Zuge der Präsidentschaftswahlen 2016 wieder auf die Tagesordnung der USA gesetzt. Die Demokratin Hillary Clinton kandidierte offen als bevorzugte Kandidatin des nationalen Sicherheitsapparats und als vehemente Verfechterin einer verstärkten Intervention in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion.

Kurz nachdem der Parteitag der Republikaner Trump nominiert hatte, und am Vorabend des Parteitags der Demokraten, auf dem auch Clinton nominiert werden sollte, eröffneten die Demokraten einen sorgfältig vorbereiteten Angriff auf Trump wegen seiner angeblichen Verbindungen zu Russland. Das Signal kam von der New York Times. Sie befragte Trump zur Bündniszusage der Nato für den Fall, dass ein Mitgliedsstaat, auch wenn es eine der kleinen baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen wäre, in einen militärischen Konflikt mit Russland geraten würde. Trumps Antwort fiel nicht eindeutig aus, woraufhin die Medien sofort mit heftigster Kritik reagierten.

Eine Kolumne von Paul Krugman in der Times bezeichnete Trump als „sibirischen Kandidaten“ (eine Anspielung auf den Thriller „Der Mandschurische Kandidat“ aus der Zeit des Kalten Kriegs) und unterstellte ihm, ein russischer Agent zu sein. Ähnliche Kolumnen mit weniger reißerischen Überschriften, aber ebenso aufrührerischen Behauptungen erschienen im Magazin The Atlantic, in der Los Angeles Times und anderen Publikationen. Clinton griff dieses Thema auf und stellte es in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes.

Die WSWS schrieb, die Anti-Russland-Kampagne in den Medien „verdeutlicht, dass die militärische Aufrüstung und die Kriegsvorbereitungen gegen Russland von zentraler Bedeutung für die internationale Politik des US-Imperialismus sind“. Weiter heißt es in dem Kommentar:

Sie ermöglicht zudem einen Einblick in den wahren Charakter der Demokratischen Partei und von Clintons Wahlkampf. Dieser besteht im Grunde aus einer Mischung von Identitätspolitik (der unablässigen Propagierung von Fragen der Hautfarbe, des Geschlechts und sexueller Orientierung als wichtigste Triebkräfte der amerikanischen Gesellschaft) und rücksichtsloser imperialistischer Kriegspolitik. Diese giftige Mischung soll die Arbeiterklasse spalten und gleichzeitig eine neue Anhängerschaft für imperialistische Kriege innerhalb der privilegierten Schichten des besser gestellten Kleinbürgertums und der pseudolinken Anhängsel der Demokratischen Partei schaffen.

Die Demokraten nutzten nicht nur die kapitalistische Presse für ihre Verleumdung „Trump ist ein russischer Agent“. Clinton setzte sich direkt mit dem militärischen Geheimdienst in Verbindung. Das FBI leitete darauf eine Untersuchung gegen Trump und sein Umfeld ein, die schließlich in die Mueller-Untersuchung mündete. Zur gleichen Zeit geriet Trumps Wahlkampfleiter Paul Manafort wegen seiner früheren Tätigkeit als Lobbyist für den prorussischen Ex-Präsidenten der Ukraine, Janukowitsch, unter Beschuss und musste, nur drei Monate vor der Wahl, zurücktreten. Er wurde durch Steve Bannon ersetzt, einen ausgesprochenen Faschisten.

Die Clinton-Kampagne mobilisierte Hunderte ehemaliger nationaler Sicherheitsbeamter, die ihre Kandidatur unterstützten und Trump als Gefahr für die Auslandsinteressen der Vereinigten Staaten anprangerten. Viele von ihnen waren Architekten der Kriege in Afghanistan und im Irak, des umfassenderen „Kriegs gegen den Terror“, des Einsatzes von Folter in geheimen CIA-Gefängnissen und der illegalen Massenausspähung durch die National Security Agency.

Die fast einhellige Unterstützung für Clinton im militärisch-geheimdienstlichen Apparat stand in scharfem Kontrast zur Gleichgültigkeit und offenen Feindseligkeit breiter Teile der Arbeiterklasse, besonders weil die acht Jahre Obama-Regierung zu einem allgemeinen Rückgang des Lebensstandards und Verschlechterung der sozialen Bedingungen geführt hatten. Trump konnte aus dieser Ablehnung Kapital schlagen und mit einem demagogischen Appell an die Unzufriedenheit der Massen mit den „ewigen Kriegen“ im Nahen Osten appellieren. Er errang einen knappen Sieg im Wahlmännerkollegium, obwohl er drei Millionen Stimmen weniger als Clinton gewann.

Dieses schockierende Ergebnis löste innerhalb des kapitalistischen Staates eine wütende Reaktion aus. Innerhalb weniger Wochen nach der Wahl, noch bevor Trump sein Amt angetreten hatte, sorgten undichte Stellen der CIA und anderer Behörden für Medienberichte über eine angeblich massive russische Einmischung in die Präsidentschaftswahlen. Es wurde behauptet, dass politisch nachteilige Abschriften von Clintons Gesprächen hinter verschlossenen Türen mit der Wall Street, die WikiLeaks vor der Wahl veröffentlicht hatte, von Moskau der Anti-Zensur-Gruppe zugespielt worden seien, und dass der russische Militärgeheimdienst das Nationale Komitee der Demokraten (DNC) gehackt habe. Die E-Mails, die an die Öffentlichkeit gelangten, bewiesen, dass das DNC Clinton den Vorzug vor Senator Bernie Sanders, ihrem wichtigsten Herausforderer in den Vorwahlen, gegeben hatte.

Ein lauter Aufschrei brach los über eine angebliche russische Medienkampagne, die allenfalls eine kleine Anzahl von Facebook-Anzeigen für Trumps Kampagne geschaltet hatte. Selbst wenn diese Anzeigen Russland zugeschrieben werden könnten, lag der Gesamtaufwand in der Größenordnung von 100.000 Dollar – gänzlich unbedeutend bei einem Wahlkampf, dessen Gesamtkosten sich auf fast 10 Milliarden Dollar beliefen.

Das Weiße Haus wurde durch die Medien und undichte Stellen beim FBI unter enormen Druck gesetzt. Daraufhin entließ Trump den FBI-Direktor James Comey und löste damit ein politisches Erdbeben in Washington aus. Trump war gezwungen, der Ernennung eines Sonderstaatsanwalts, des ehemaligen FBI-Direktors Robert Mueller, zuzustimmen, der alle Aspekte der mutmaßlichen russischen Einmischung in die Wahl 2016 und jegliches abgestimmte Vorgehen zwischen Russland und des Trump-Wahlkampfs untersuchen sollte.

In der Anfangsphase dieser politischen Krise veröffentlichte die WSWS eine Erklärung des Politischen Komitees der Socialist Equality Party, verfasst von Joseph Kishore und David North, „Palastrevolte oder Klassenkampf: Die politische Krise in Washington und die Strategie der Arbeiterklasse“.

Die „Palastrevolte“ gegen Trump basierte nicht auf der Mobilisierung einer echten Opposition in der Bevölkerung gegen seine ultrarechte Politik, sondern auf „versteckten Verschwörungen mit Vertretern des Militär- und Geheimdienstapparats und der Wirtschafts- und Finanzelite“.

In dieser Erklärung werden drei soziale Quellen für die Opposition gegen die Trump-Regierung genannt: seine Gegner in der herrschenden Klasse, deren Differenzen sich vor allem auf die Außenpolitik konzentrieren; Teile der oberen Mittelschicht, die sich auf Rassen- und Geschlechterfragen orientieren und zu echter Unabhängigkeit von der herrschenden Klasse unfähig sind; und die Arbeiterklasse, die von tiefgreifenden sozioökonomischen Sorgen angetrieben wird, vor allem von der massiven Zunahme wirtschaftlicher Ungleichheit und sozialer Not.

In Bezug auf die Fraktionen der herrschenden Klasse, die gegen Trump sind, heißt es in der Erklärung:

Ihre Differenzen mit der Trump-Regierung drehen sich hauptsächlich um außenpolitische Fragen. Was sie wirklich umtreibt, ist nicht die angebliche „Unterwanderung“ der amerikanischen Demokratie durch Russland, die nicht annähernd an die Unterwanderung der amerikanischen Demokratie durch die herrschende Klasse selbst herankommt. In Wirklichkeit geht es ihnen um die Entwicklung in Syrien, wo Russland die Versuche der US-Regierung durchkreuzt hat, die Regierung von Baschar al-Assad zu stürzen. Trump soll daran gehindert werden, die Anti-Russland-Politik abzuschwächen, die unter Obama entwickelt wurde und deren Ausweitung Hillary Clinton im Wahlkampf angekündigt hatte.

Die Erklärung legt dar, dass die Arbeiterklasse keinerlei Nutzen von der Absetzung Trumps und dem von seinen Gegnern angestrebten Wandel in der US-Außenpolitik haben würde. Sie skizzierte die prinzipielle Grundlage für den Widerstand der Arbeiterklasse gegen beide Seiten dieses erbitterten Fraktionskampfs innerhalb der herrschenden Klasse: die Wahrung ihrer politischen Unabhängigkeit gegen die Versuche der Demokratischen Partei, die wachsende Opposition gegen die Trump-Regierung in die Sackgasse des Militarismus und antirussischen Chauvinismus zu lenken.

Die Mueller-Untersuchung dauerte fast zwei Jahre und präsentierte im April 2019 ihren Abschlussbericht. Es waren keine Beweise gefunden worden, dass russische Handlungen im Verlauf der Wahl 2016 eine wesentliche Rolle für deren Ausgang gespielt hatten oder dass es direkte Absprachen zwischen der Trump-Kampagne und dem russischen Staat gab. Während mehr als ein Dutzend russische Beamte und Agenten angeklagt wurden – auf die die US-Gerichte keinen Zugriff hatten, und die wahrscheinlich nicht auf die gegen sie erhobenen Vorwürfe reagieren würden -, wurden im Rahmen der Mueller-Untersuchung nur ein paar rangniedere Trump-Berater angeklagt, die Ermittler belogen zu haben, Vergehen also, die im Wesentlichen durch die Untersuchung selbst ausgelöst wurden.

Doch lange bevor die Mueller-Untersuchung als juristischer Flop endete, hatten die Ermittlungen und der unerbittliche Druck des Militär- und Geheimdienstapparats eines der Hauptziele der Demokratischen Partei erreicht: die Neuausrichtung der nationalen Sicherheitsstrategie der USA, offensiv gegen Russland und China vorzugehen.

Die neue Nationale Sicherheitsstrategie wurde von Verteidigungsminister James Mattis gebilligt, einem nicht lange zuvor pensionierten General, dessen Ernennung entgegen der gesetzlichen Bestimmung, dass ein Zivilist an der Spitze des Pentagon stehen müsse, erfolgte. Die neue Sicherheitsstrategie führte aus, dass die US-Militärpolitik den „Krieg gegen den Terror“, der seit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 im Vordergrund stand, nicht länger als vorrangig betrachtet. Im Mittelpunkt sollte nun die Vorbereitung auf einen „Großmachtkonflikt“ mit Russland und China stehen, die als „revisionistische Mächte“ bezeichnet wurden, weil sie die globale Vorherrschaft der USA in Frage stellten.

Die Demokraten im Kongress begrüßten die neue strategische Ausrichtung. Sie hatten die Sonderregelung für Mattis‘ Ernennung und die Ernennung weiterer pensionierter Generäle zu Spitzenpositionen in der Trump-Regierung unterstützt, unter anderem für das Amt des nationalen Sicherheitsberaters, des Heimatschutzministers und später des Stabschefs des Weißen Hauses. Die Demokraten und ihre Verbündeten in den Medien priesen diese pensionierten Militärs als „Erwachsene im Raum“, die Trumps wilde Impulse zügeln und ihn von Zugeständnissen an Russland abhalten sollten. Angeblich sei er dabei, solche Zugeständnisse vorzubereiten, weil er in der politischen Schuld Wladimir Putins stehe.

Die CIA-Demokraten und das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump

Dieses Streben nach einem aggressiveren militärischen Auftreten wurde noch genährt durch eine politische Operation, in die die Demokratische Partei verstrickt war. Eine große Zahl von Agenten aus dem Militär und den Geheimdiensten, die sich um einen Sitz im Repräsentantenhaus bewarben, strömten in die Partei. Fast 60 von ihnen kandidierten für die Demokratische Partei. Sie stellten damit die größte einzelne Berufsgruppe dar, noch vor gewählten Beamten, Anwälten, Geschäftsleuten und Fachleuten. Etwa 30 von ihnen gewannen in den Vorwahlen und eroberten vorwiegend Sitze, die bei den Präsidentschaftswahlen üblicherweise umkämpft sind.

Die WSWS hat diesen Vorgang, der in der politischen Geschichte der USA ohne Beispiel ist, erstmals in einer Artikelserie mit dem Titel „Die CIA-Demokraten“ im März 2018 beschrieben. Wir erklärten, dass es nach der Wahl im November in der Fraktion der Demokraten im Repräsentantenhaus mehr ehemalige CIA-Agenten und Militäroffiziere geben würde als ehemalige Unterstützer von Bernie Sanders, und fügten hinzu: „Dieser soziale Veränderungsprozess (...) manifestiert sich im Aufstieg der Militärs und Geheimdienstler in die Führung der Demokratischen Partei.“

Die WSWS enthüllte den Zusammenhang zwischen der rechten Ausrichtung der Clinton-Kampagne 2016 und dem Zustrom vieler ehemaliger Geheimdienstler, militärischer Befehlshaber und ziviler Kriegsplaner, die jetzt die Demokratische Partei zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele bevorzugen:

Hillary Clinton trat 2016 als Favoritin des Militär- und Geheimdienstapparats zu den Wahlen an und erhielt Unterstützung von hunderten ehemaligen Generälen, Admiralen und Chefspionen. Ihre Hauptkritik an Trump bestand darin, dass er untauglich für den Posten des Oberbefehlshabers sei.

Die Demokratische Partei hat diese politische Orientierung 2018 weiter entwickelt und vertieft. Sie tritt in den Kongresswahlen nicht nur als eine Partei an, die Russland gegenüber härter vorgeht, sondern die auch Kandidaten und Mitglieder anwirbt, die für die Kriege des amerikanischen Imperialismus – ob offen oder verdeckt – direkt verantwortlich sind. Ihr Ziel ist es, nicht nur eine Partei für, sondern auch des Pentagon und der CIA zu sein.

Als sich während des Wahlkampfs im Herbst in den Umfragen abzeichnete, dass die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewinnen würden, wurde deutlich, dass der Einfluss der CIA-Demokraten im neuen Kongress wichtig und vielleicht entscheidend wurde. Letztendlich stellten sie 13 der neuen Mitglieder des Repräsentantenhauses, das im Januar 2019 zusammentrat. Schon bald sollten sie eine übergroße Rolle spielen.

Im August 2019 ließ ein CIA-Agent im Weißen Haus durchsickern, dass Trump den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskyj in einem offiziellen Telefongespräch unter Druck gesetzt habe, politisch nachteilige Informationen über den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden öffentlich zu machen. Dabei ging es um den lukrativen Posten, den Bidens Sohn Hunter im Verwaltungsrat des ukrainischen Energieunternehmens Burisma übernommen hatte. Die Einstellung des jüngeren Biden, der über keinerlei einschlägige Qualifikationen oder Erfahrungen verfügte, war ein durchsichtiger Versuch, sich bei seinem Vater beliebt zu machen, der mit der US-Politik in der Ukraine betraut worden war.

Um die Regierung in Kiew zu einer politischen Schmutzkampagne gegen seinen wahrscheinlichen Gegner bei der Wahl 2020 zu zwingen, hielt Trump die Waffenlieferungen an die Ukraine mehrere Wochen lang zurück. Die Aufdeckung dieser Verzögerung und der damit verbundenen Forderung nach politischen Gefälligkeiten als Preis für die Lieferung von Waffen wurde von den bürgerlichen Medien zu einer Sensation aufgebauscht.

Ein entscheidender Schritt in dieser Kampagne war ein Meinungsartikel von sieben demokratischen Mitgliedern des Repräsentantenhauses, der in der Washington Post erschien und ein förmliches Amtsenthebungsverfahren forderte. Sechs der sieben Mitunterzeichner gehörten zu den CIA-Demokraten, und der siebte hatte ebenfalls einen militärischen Hintergrund.

Alexander Vindman bei seiner Aussage vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses am 19. November 2019 (House Intelligence Committee Footage)

Die Führung der Demokraten im Kongress beeilte sich, die Untersuchung sofort in Gang zu bringen. Der Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses hielt eine Reihe von öffentlichen Anhörungen ab, bei denen aktuelle und ehemalige außenpolitische Beamte, die mit den Beziehungen der USA zur Ukraine zu tun hatten, über die Wichtigkeit und ernste Bedeutung des Stopps der Waffenlieferungen aussagten. Viele der Zeugen waren an der Operation von 2014 beteiligt gewesen, die gewählte Regierung der Ukraine zu stürzen und das Land in eine Operationsbasis des US-Imperialismus gegen Russland zu verwandeln.

Die WSWS wies auf die Außergewöhnlichkeit dieser Frontbildung gegen einen amtierenden Präsidenten durch von ihm selbst ernannte Mitarbeiter und Berufsbeamte der nationalen Sicherheit hin. In einem Perspektivartikel schrieben wir:

Das alles wirft die Frage auf: Wie erklärt sich angesichts der enormen politischen Kosten, die mit dem Amtsenthebungsverfahren einhergehen, die Dringlichkeit und Härte, mit der das gesamte nationale Sicherheitsestablishment auf eine Verzögerung der Waffenlieferungen an die Ukraine reagierte? Gab es einen Zeitplan für den Einsatz dieser Waffen im Kampf?

Ja, es gab ihn, und dieser Zeitplan bestimmt seit dem Amtsantritt von Biden die Außenpolitik der USA. Doch das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump verfehlte sein Ziel. Trump wurde im Dezember 2019 vom Repräsentantenhaus angeklagt, aber ein kurzes Verfahren im Senat endete am 5. Februar 2020 mit einem Freispruch, da nur ein republikanischer Senator für einen Schuldspruch stimmte.

Die Wahl 2020 und Bidens Kriegskurs gegen Russland

Die Wahl Joe Bidens zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, die sich bereits im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump angedeutet hatte, bedeutete, dass sich die Demokratische Partei noch stärker militaristisch ausrichtete.

Der Parteitag, der Biden nominierte, war von Anfang bis Ende von Appellen beherrscht, Amerika wieder zu einem „Land zu machen, das Kriege gewinnt“, wie es der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo ausdrückte. Ihm folgten Redner wie der ehemalige Außenminister Colin Powell, einer der Architekten des Irakkriegs, ein weiterer ehemaliger Außenminister, John Kerry, und eine große Gruppe von Vertretern des militärisch-geheimdienstlichen Apparats, die Trump vorwarfen, die Nato zu untergraben und Russland zu stärken.

Wie der nationale Sekretär der SEP und Präsidentschaftskandidat von 2020, Joseph Kishore, in einem Kommentar zum Parteitag der Demokraten bemerkte:

In den letzten knapp vier Jahren haben die Demokraten daran gearbeitet, jeglichen Widerstand in der Bevölkerung gegen die Trump-Regierung zu unterdrücken und hinter die reaktionäre Kampagne für eine aggressivere Außenpolitik im Nahen Osten und gegen Russland zu lenken.

Neben der Wall Street und den Geheimdiensten ist das Militär die wichtigste Wählerbasis der Demokraten. Immer wieder haben die Demokraten die Opposition gegen Trump dem Militär und den Generälen überlassen, auch als Trump am 1. Juni seinen Putschversuch inszenierte. Er drohte damit, den Insurrection Act zu nutzen und brandmarkte die Proteste gegen Polizeigewalt als „terroristisch“.

Die Wahl Bidens zum Präsidenten im November 2020 stellte die Weichen für eine Wiederaufnahme des Konfrontationskurses gegen Russland, der durch die Niederlage von Hillary Clinton im Jahr 2016 vorübergehend ins Stocken geraten war.

Die Demokratische Partei reagierte auf Trumps faschistischen Putschversuch vom 6. Januar 2021, durch den das Wahlergebnis beinahe gekippt worden wäre, indem sie diesen weit reichenden Angriff auf die demokratischen Rechte vertuschte und „Einheit“ mit Trumps Mitverschwörern von der Republikanischen Partei beschwor. Zentraler Bestandteil dieser „Einheit“ innerhalb der herrschenden Klasse war es, einen militärischen Konflikt mit Russland zu forcieren.

Ein klares Signal dafür war Bidens Besetzung hoher Posten im Außenministerium. Für das Amt des Außenministers wählte er seinen langjährigen außenpolitischen Berater Antony Blinken, der 2013 und 2014 eine Schlüsselrolle in der Syrienpolitik der Obama-Regierung und bei der US-Reaktion auf die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 gespielt hatte, bevor er zum stellvertretenden Außenminister aufstieg.

Links: Victoria Nuland (AP Photo/Susan Walsh); Mitte: Joseph Biden (AP Photo/Patrick Semansky); Rechts: Anthony Blinken (AP Photo/Brendan Smialowski)

Noch bedeutsamer war Bidens Ernennung von Victoria Nuland zur Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, der drittwichtigste Posten im US-Außenministerium. Nuland war als Hauptarchitektin des Maidan-Putsches berüchtigt, sie war eine langjährige Befürworterin der militärischen Aggression der USA. In ihrer 37-jährigen Karriere im Außenministerium war sie eine der wichtigsten außenpolitischen Beraterinnen von Vizepräsident Dick Cheney während des Irakkrieges, war US-Botschafterin bei der Nato und dann wichtigste Sprecherin von Außenministerin Hillary Clinton. Sie ist außerdem mit Robert Kagan verheiratet, einem langjährigen neokonservativen Strategen, der mit der Entscheidung der Bush-Regierung, in den Irak einzumarschieren und ihn zu erobern, am stärksten in Verbindung gebracht wird.

Nach dem Amtsantritt von Biden, Blinken und Nuland griff das ukrainische Regime zu deutlich aggressiveren Maßnahmen. Im Februar schloss die Selenskyj-Regierung unter Berufung auf die „nationale Sicherheit“ drei populäre Fernsehsender, die von dem prorussischen Oppositionsführer und Milliardär Vikto Medwetschuk betrieben wurden. Im März billigte der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine eine Strategie zur Rückeroberung der Krim, die nicht nur die Wiederherstellung der „vollen ukrainischen Souveränität“ über die Halbinsel, sondern auch über die Hafenstadt Sewastopol vorsah, wo die Schwarzmeerflotte der russischen Marine stationiert ist.

Blinken besuchte die Ukraine im Mai in Begleitung von Nuland, um sich mit Selenskyj zu treffen und einen Besuch des ukrainischen Präsidenten in Washington vorzubereiten. Blinken hatte sich bereits erfolglos darum bemüht, als Trump noch Amtsinhaber im Weißen Haus war. Der Besuch fand nur eine Woche nach einem Aufmarsch rechter Gruppen in Kiew statt, um den 78. Jahrestag der Gründung der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS zu feiern, auch bekannt als galizische SS-Division Nr. 1. Sie hatte aus ukrainischen und deutschen Freiwilligen bestanden, die für Hitler gegen die UdSSR kämpften.

Selenskyj, Blinken und Nuland haben alle einen jüdischen Hintergrund (Nulands Vater wurde als Sohn ukrainischer Einwanderer in der Bronx geboren), aber sie sagten beschämenderweise nichts über die neonazistische Feier in der ukrainischen Hauptstadt. Stattdessen sprachen sie über die laufende militärische Aufrüstung, bei der diese faschistischen Elemente eine Schlüsselrolle spielen.

Im Sommer 2021 fanden eine Reihe von gemeinsamen Militärübungen der Nato und der ukrainischen Streitkräfte statt. Im Mai war es Defender 2021, eine große Landübung in ganz Osteuropa, an der 28.000 Soldaten aus 26 Ländern teilnahmen. Deutschland, das im Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion überfallen und 27 Millionen Menschen getötet hatte, diente als Drehscheibe für Truppenbewegungen und Militärtransporte.

Im Juni folgte die Operation Sea Breeze, das bisher größte Seemanöver im Schwarzen Meer. Nur wenige Tage vor Beginn kam es zu einem Zwischenfall, bei dem russische Kampfflugzeuge Bomben vor einem britischen Kriegsschiff abwarfen, das vor der Krim in russische Hoheitsgewässer eingedrungen war.

Im Juli nahmen an der Großübung Cossack Mace Streitkräfte aus der Ukraine, Großbritannien, Dänemark, Schweden, Kanada und den Vereinigten Staaten teil. Es handelte sich um „defensive Aktionen (...) gefolgt von einer Offensive zur Wiederherstellung der Grenzen und der territorialen Integrität des Landes, das von einem feindlichen Nachbarstaat angegriffen wurde“. Darauf folgte Three Swords 2021, eine Landübung mit Beteiligung der Ukraine, Polens, Litauens und der USA.

Im August berief die Ukraine den ersten Gipfel der „Krim-Plattform“ in Kiew ein, um internationale Unterstützung für eine Militäroffensive gegen Russland zur „Rückgabe“ der Halbinsel Krim an die Ukraine zu gewinnen. Beamte aus 44 Ländern nahmen daran teil, darunter Vertreter aller 30 Nato-Mitgliedsstaaten. Selenskyj eröffnete die Konferenz, indem er die russische „Aggression“ anprangerte und erklärte: „Ich werde persönlich alles Menschenmögliche tun, um die Krim zurückzuholen, damit sie zusammen mit der Ukraine Teil Europas wird.“

Die Teilnehmer des Gipfels gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der es hieß: „Die Teilnehmer an der Internationalen Krim-Plattform erkennen die vorübergehende Besetzung und illegale Annexion der Krim nicht an und verurteilen sie weiterhin, da sie eine direkte Herausforderung für die internationale Sicherheit mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die internationale Rechtsordnung darstellt, die die territoriale Integrität, Einheit und Souveränität aller Staaten schützt.“

Angesichts der Tatsache, dass Russland die Krim als Teil seines Staatsgebiets und insbesondere Sewastopol als lebenswichtig für seine Sicherheit betrachtet, kam diese Erklärung fast schon einer Kriegserklärung gleich. Es folgte Selenskyjs lang erwarteter Besuch in den Vereinigten Staaten, wo er sich im Weißen Haus mit Biden, Blinken, Pentagon-Chef Lloyd Austin und Energieministerin Jennifer Granholm traf. Biden erklärte seine Unterstützung für die Krim-Plattform und erhöhte die Militärhilfe um weitere 60 Millionen Dollar - mehr als die lächerlichen 55 Millionen Dollar für die Corona-Impfstoffe, die an die Ukraine gehen.

Soldaten der 82. Luftlandedivision der US-Army vor ihrer Verlegung nach Polen, 14. Februar 2022, Fort Bragg, North Carolina (AP Photo/Nathan Posner) [AP Photo/Nathan Posner]

Die ukrainische Bevölkerung weist eine der niedrigsten Impfraten unter den entwickelten Ländern auf, nur 34,5 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft. Das ist die zweitniedrigste Rate in Europa (nur vor Bulgarien), hinter Mosambik, Guatemala und dem besetzten Palästina. Die Selenskyj-Regierung lehnte jedoch das Angebot des in Russland hergestellten Impfstoffs Sputnik gegen das Coronavirus ab.

Das wichtigste Ergebnis der Selenskyj-Reise war ein neues strategisches Verteidigungsabkommen, das von Lloyd Austin und dem ukrainischen Verteidigungsminister Andrei Taran unterzeichnet wurde. Es bildete die Grundlage für die formelle Unterzeichnung der amerikanisch-ukrainischen Charta zur strategischen Partnerschaft am 10. November 2021 durch US-Außenminister Antony Blinken und den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba.

Wie die WSWS nach Bekanntwerden der Details dieses Abkommens im Februar erklärte, handelt es sich bei der Vereinbarung eindeutig um ein Dokument eines offensiven Militärbündnisses, das die Ziele der „Rückeroberung“ der Krim und des von Separatisten kontrollierten Donbass unterstützt und sowohl Sanktionen als auch „andere relevante Maßnahmen bis zur Wiederherstellung der vollen territorialen Integrität der Ukraine“ verspricht. Die letzte Formulierung ist eine Umschreibung für Krieg.

Weiter heißt es in der WSWS-Analyse:

Washington unterstützt zudem ausdrücklich ‚die Bemühungen der Ukraine, ihren Status als Nato Enhanced Opportunities Partner zu maximieren, um die Interoperabilität zu fördern‘, d.h. ihre Integration in die militärischen Führungsstrukturen der Nato.

Die Nichtmitgliedschaft der Ukraine in der Nato ist und war de facto in jeder Hinsicht eine Fiktion. Die Nato-Mächte haben die Tatsache, dass die Ukraine nicht offiziell Mitglied ist, zugleich als Gelegenheit missbraucht, einen Konflikt mit Russland zu schüren, der sich nicht sofort zu einem Weltkrieg ausweiten würde (...)

Es wird Aufgabe der Historiker sein, aufzudecken, welche Versprechungen die ukrainische Oligarchie von Washington im Gegenzug für ihre Zusage erhielt, das Land in ein Schlachtfeld und einen Brückenkopf für einen Krieg gegen Russland zu verwandeln. Eines ist jedoch klar: Der Kreml und der russische Generalstab konnten dieses Dokument nur als Ankündigung eines bevorstehenden Krieges verstehen.

Dieser historischen Bilanz ist kaum etwas hinzuzufügen. Die Demokratische Partei hat über mehr als ein Jahrzehnt die Hauptrolle bei der Vorbereitung eines Nato-Kriegs gegen Russland gespielt. Joe Biden ist als führende Stimme des Senats in der Außenpolitik, als Vizepräsident, dem Obama die Verantwortung für die Ukraine-Politik übertrug, und jetzt als Präsident tief in diese seit Langem andauernde Operation verwickelt. Jetzt, da diese Politik zu dem angestrebten Krieg geführt hat, will der amerikanische Imperialismus mit aller Macht sein eigentliches Ziel erreichen: die Zerstückelung Russlands und die Schaffung einer Reihe von Vasallenstaaten, die von den USA und den europäischen Mächten beherrscht werden, selbst auf die Gefahr hin, einen Atomkrieg zu provozieren.

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