Der allgemeine Preisanstieg hat sich im Januar fortgesetzt, und die Inflation in den USA stieg auf den höchsten Stand seit vier Jahrzehnten. Die jährliche Inflationsrate liegt derzeit bei 7,5 % und belastet die Budgets der Haushalte aus der Arbeiterklasse, die mit einem starken Anstieg der Preise für Lebensmittel, Benzin, Heizöl und andere Grundbedürfnisse konfrontiert sind.
Ein ähnlicher Trend ist weltweit zu beobachten. In der Eurozone erreichte die Inflation 5,1 Prozent und damit den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1997.
Die Höhe der Inflation bedeutet, dass die Reallöhne der meisten Arbeiter stark sinken. Nach Angaben des US Census Bureau betrug das jährliche Lohnwachstum in den USA im Jahr 2021 nur 4,5 Prozent. Die Reallöhne für gewerkschaftlich organisierte Arbeiter stiegen im Durchschnitt nur um 3,3 Prozent und damit deutlich weniger als die Löhne für nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Der Grund dafür liegt darin, dass die Gewerkschaften eine Reihe von Verträgen mit mehrjähriger Laufzeit unterzeichnet haben, durch die Lohnerhöhungen weit unter der aktuellen Inflationsrate festgelegt wurden.
Der Anstieg bei bestimmten Rohstoffen ist atemberaubend. Der Energiepreisindex stieg auf Jahresbasis um 27 Prozent, während die Lebensmittelpreise um sieben Prozent stiegen. Die Preise für Fleisch, Geflügel und Eier stiegen um 12,2 Prozent, für Erdgas um 23,9 Prozent und für Strom um 10,7 Prozent. Der Benzinpreis ist um 40 Prozent gestiegen. Im Mittleren Westen der USA, wo ein typischer strenger Winter herrscht, stiegen die Preise für Erdgas sogar noch stärker an, und zwar um 31,1 Prozent. Die Unterbrechung der Lieferkette führte zu einem Anstieg der Neuwagenpreise um 12,2 Prozent und zu einem enormen Preisanstieg von 40,5 Prozent bei den Gebrauchtwagen.
Der Preisanstieg erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem alle verbleibenden Pandemie-Hilfen gestrichen wurden, einschließlich des Räumungsmoratoriums und der monatlichen Steuergutschrift für Kinder in Höhe von 300 Dollar, einem Rettungsanker für notleidende Familien aus der Arbeiterklasse. Die Streichung der Leistung droht Millionen von Kindern in die Armut zurückzutreiben.
Die steigende Inflation ist ein Nebenprodukt der Maßnahmen, die die herrschende Klasse in den USA und Europa als Reaktion auf die Pandemie ergriffen hat. Unter anderem wurden Billionen von Dollar in die Finanzmärkte gepumpt, um die Aktienkurse zu stützen. Ein weiterer Grund für den Inflationsdruck sind Unterbrechungen der Versorgungsketten aufgrund der Weigerung der kapitalistischen Regierungen, wirksame Gesundheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu ergreifen.
Infolge des Börsenanstiegs verdoppelten die zehn reichsten Menschen der Welt, darunter Elon Musk, Jeff Bezos und Bill Gates, während der Pandemie ihr Gesamtvermögen auf 1,5 Billionen Dollar. Sie haben 1,3 Milliarden Dollar pro Tag hinzugewonnen, während Lehrer und Kinder in Corona-verseuchte Schulen und Arbeiter in ebenso gefährliche Fabriken geschickt wurden, um Gewinne für die Reichen zu erzielen.
Auch die Unternehmensgewinne steigen rasant. Sowohl Ford als auch GM erzielten enorme Zugewinne: Ford meldete für das Jahr 2021 einen Nettogewinn von 17,9 Milliarden Dollar, GM einen Rekordgewinn von 10 Milliarden Dollar. Diese Erhöhungen erfolgten zu einer Zeit, als COVID-19 Tausende von Menschen krank machte und zahlreiche Arbeiter in den Autofabriken tötete.
Bei einem Rohölpreis von 90 Dollar pro Barrel und Öl- und Gaspreisen, die sich auf einem Sieben-Jahres-Hoch befinden, machten ExxonMobil, Shell, BP und Marathon im Jahr 2021 zusammen 73 Milliarden Dollar Gewinn. Sie geben außerdem Dutzende von Milliarden für Aktienrückkäufe aus, um ihre Top-Aktionäre weiter zu bereichern. Gleichzeitig fordern die Ölgesellschaften, dass 30.000 Ölraffineriearbeiter ein „endgültiges“ Tarifangebot von 2-3 Prozent pro Jahr über die nächsten drei Jahre akzeptieren.
Die massive Verteilung des Reichtums an die Reichen erfordert eine immer brutalere Ausbeutung der Arbeiter, um sie zurückzuzahlen. Dabei spielen die Gewerkschaften eine zentrale Rolle.
Die Gewerkschaften haben eine Reihe von mehrjährigen Verträgen mit Lohnerhöhungen weit unter der Inflationsrate durchgesetzt. Damit haben sie sichergestellt, dass die Arbeiter die Kosten der steigenden Preise durch Kürzungen der Reallöhne tragen. Dabei haben die Gewerkschaften eingegriffen, um Streiks zu verhindern oder, wo dies nicht möglich war, die Arbeiter zu isolieren, um ihren Widerstand zu brechen.
Im Fall der Beschäftigten von Volvo Trucks in Virginia stimmte die Gewerkschaft United Auto Workers einem Ausverkaufsvertrag mit einer Laufzeit von sechs Jahren zu, der Lohnerhöhungen von weniger als zwei Prozent pro Jahr für die bestbezahlten Beschäftigten vorsieht. Bei der derzeitigen Inflationsrate von 7,5 Prozent bedeutet dies eine Senkung der Reallöhne um fast 30 Prozent während der Laufzeit des Vertrages.
Die Beschäftigten von Kellogg's wurden mit einem Fünfjahresvertrag abgespeist, der jährliche Lohnerhöhungen von drei Prozent vorsieht, was einem Reallohnverlust von mehr als 20 Prozent über die gesamte Vertragslaufzeit entspricht. Die Beschäftigten beim Süßwarenhersteller Nabisco mussten sich mit einem Vierjahresvertrag mit Lohnerhöhungen von nur 2 bis 2,5 Prozent arrangieren. Das bedeutet, dass in nur vier Jahren bei der derzeitigen Inflationsrate fast ein Fünftel des Gehalts durch steigende Kosten aufgefressen wird.
Die Beschäftigten beim Autozulieferer Dana erhielten einen viereinhalbjährigen Vertrag mit vorgezogenen Lohnerhöhungen, die durch Preissteigerungen schnell wieder aufgezehrt werden.
Die Gewerkschaften schmieden ein Komplott mit der Regierung Biden und den Arbeitgebern, um verlängerte Verträge durchzusetzen, die bei steigender Inflation massive Reallohnkürzungen garantieren. Im Gegenzug für diesen Betrug werden die Gewerkschaften von der Regierung Biden gestärkt, um die wachsende Opposition der Arbeiterklasse gegen die Kriegspläne der herrschenden Klasse weltweit und die Sparpolitik im eigenen Land einzudämmen.
Zunehmend werden Ausverkaufsverträge mit Abstimmungsergebnissen von 90 Prozent abgelehnt, wie bei Volvo, Dana und John Deere. Bei Deere sah sich die Geschäftsleitung gezwungen, einen Teuerungsausgleich wieder einzuführen, was eine wütende und verängstigte Reaktion von Wirtschaftspublikationen wie dem Wall Street Journal hervorrief, die vor einer „Lohn-Preis-Spirale“ warnten. In jüngster Zeit wurden Maßnahmen zur Dämpfung der Lohnforderungen diskutiert, wie z. B. drastische Anhebungen der Zinssätze, um die Arbeitslosigkeit zu erhöhen.
Die Tatsache, dass die durchschnittlichen Lohnerhöhungen für gewerkschaftlich organisierte Arbeiter in den USA unter den landesweiten durchschnittlichen Lohnerhöhungen geblieben sind, ist von enormer Bedeutung. Sie bestätigt die Einschätzung der World Socialist Web Site und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) hinsichtlich der veränderten Rolle der Gewerkschaften.
1937 schrieb der russische Revolutionär und Gründer der Vierten Internationale, Leo Trotzki: „Verteidigten diese Herren zudem noch die Einkünfte der Bourgeoisie gegen alle Angriffe der Arbeiter, d.h. führten sie einen Kampf gegen Streiks, gegen Lohnerhöhungen und gegen die Arbeitslosenunterstützung, dann hätten wir eine gelbe Organisation und keine Gewerkschaft vor uns.“
Dies ist genau die Rolle, die die „Gewerkschaften“ jetzt spielen. Als Agenten der Unternehmensleitung und Betriebspolizisten in Personalunion haben sie sogar die begrenzte Funktion von Verteidigungsorganisationen der Arbeiter aufgegeben und handeln nun direkt auf Geheiß der Unternehmensleitung und des Staates.
Letztes Jahr hat das IKVI die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) gegründet. Sie soll Arbeitern, die sich aus der Zwangsjacke von Gewerkschaft und Management befreien wollen, ein Programm und eine Organisationsstruktur anbieten.
Der Kampf zur Verteidigung des Lebensstandards der Arbeiter gegen die Inflation ist Teil eines umfassenderen Kampfes gegen das weltweite kapitalistische System. Er ist verbunden mit einem Kampf gegen die kriminelle und inkompetente Reaktion der kapitalistischen Regierungen in der ganzen Welt auf die Pandemie, die den Schutz des menschlichen Lebens auf Schritt und Tritt dem Profit der Unternehmen untergeordnet haben.
Die IWA-RFC gründet sich auf ein Programm des kompromisslosen Klassenkampfes, nicht der Klassenzusammenarbeit. Sie ist offen für weite Teile der Arbeiterschaft, orientiert sich aber an einer sozialistischen Perspektive. Diese Perspektive zielt ab auf die Beendigung der Ausbeutung und die Neuorganisation der Produktion auf einer höheren, humanen Basis für die Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse und nicht für den Profit der Unternehmen.
Die von den Arbeitern selbst demokratisch geführten Aktionskomitees in Fabriken, Schulen und am Arbeitsplatz können als Mittelpunkt eines umfassenden Kampfes gegen die Angriffe auf den Lebensstandard, das Leben und die Gesundheit der Arbeiter während der Pandemie dienen.