Am 4. Dezember demonstrierten in ganz Frankreich Beschäftigte des Gesundheitswesens gegen die erschütternden Zustände in den Krankenhäusern und die mörderische Pandemiepolitik von Präsident Emmanuel Macron.
Die Demonstration war Teil einer wachsenden internationalen Welle von Streiks und Protesten, an der sich vor allem die Beschäftigten des europäischen Gesundheitswesens beteiligen. Am 25. November nahmen 1.000 Arbeiter des Pharmaunternehmens Sanofi an einem eintägigen Warnstreik teil, und am 29. November organisierten Hunderte von dänischen Pflegekräften eine spontane Arbeitsniederlegung und eine Massenkündigung gegen niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. In Frankreich gab es in mehreren Regionen Streiks von Sozialarbeitern und Beschäftigten der Verkehrsbetriebe. In Spanien sind vor kurzem die Metallarbeiter in einen Massenstreik getreten.
Reporter der WSWS sprachen bei einer Protestveranstaltung in Paris mit Pflegekräften. Constance, die in der Region Paris in einer Notaufnahme arbeitet, erklärte: „Wir protestieren, weil das Krankenhaus in einem schlechten Zustand ist. Es werden immer mehr Betten abgebaut. Schon vor der Pandemie hatten wir nicht genug, und es gab auch nicht genug Plätze in Rehakliniken und Pflegeheimen.“
Die Pandemie habe nun zur Katastrophe geführt: „Jetzt ist es schwierig, noch Betten für Patienten zu finden. Wir wissen nicht, was wir mit den Patienten machen sollen. Wir müssen sie auf Bahren liegenlassen. Es ist eine Schande. Aber es werden weiter Betten abgebaut, und frei gewordene Stellen werden nicht wieder besetzt. Sie machen den Pflegekräften Vorwürfe, weil sie kündigen. Aber wir wollen nicht bleiben, weil es die Sache nicht wert ist. Wenn wir trotzdem bleiben, dann nur, weil wir leidenschaftlich gern Menschen helfen, und wegen sonst nichts. Die Regierung tut nichts für uns oder die Krankenhäuser. Sie tut nichts für die Pflegenden, und sie tut auch nichts für die Kranken.“
Florence, die ebenfalls als Pflegerin arbeitet, erklärte der WSWS: „Ich arbeite in einem großen Pariser Krankenhaus. In meiner Abteilung haben wir immer noch Betten, die nicht belegt werden, weil nicht genügend medizinisches und paramedizinisches Personal da ist. Es gefährdet das Personal, weil wir unter sehr aufreibenden Bedingungen arbeiten, und es gefährdet die Patienten, die wegen Engpässen nicht mehr aufgenommen werden können.“
Die Macron-Regierung leugne, dass sie Betten abbaut, und behaupte, sie würde Platz für ambulante Behandlungen schaffen: „Vor ein paar Jahren haben sie begonnen, Nachuntersuchungen per Textnachricht mit ambulanten Patienten durchzuführen, wenn diese das Krankenhaus verlassen. Es schafft auch weitere Sicherheitsprobleme für Patienten... Es ist schwer, sich selbst medizinisch einzuschätzen, und es ist nicht die Aufgabe der Patienten, das zu tun.“
Constance fügte hinzu: „Unsere Bevölkerung wird älter. Wer sich mit 97 Jahren den Oberschenkelknochen bricht, kann nicht ambulant behandelt werden. Es ist ein Skandal, dass die ambulante gegenüber der stationären Behandlung bevorzugt wird... Sie wollen so viel Geld machen, dass sie an nichts anderes mehr denken. Bei ambulanter Behandlung geht es nicht um Betten, es ist eine Masche, um Profit zu machen.“
Beide Pflegekräfte übten scharfe Kritik an der Reaktion der französischen Regierung auf die Pandemie. Bereits während des ersten Ausbruchs im März 2020 stellte sie keine Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung und gab keine klaren Anweisungen zum Schutz der Gesundheit heraus. Constance erklärte: „Das Problem ist, dass sie sich von Anfang an von einer Woche zur nächsten selbst widersprochen haben. Damit haben sie ein allgemeines Misstrauen in die Regierung erzeugt.“
Florence fügte hinzu: „Sie haben ständig behauptet, es bestünde keine Infektionsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Zügen, aber wir wissen jetzt, dass das falsch ist. Sie haben auch behauptet, Kinder könnten nicht [an Covid-19] erkranken und es nicht übertragen. Das ist völlig falsch, es gibt keinen Grund, warum sie es nicht auch bekommen könnten.“
Constance wies vor allem auf das Versagen der Regierung hin, nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 eine ordentliche Kontaktnachverfolgung zu organisieren und die Ausbreitung des Virus zu stoppen: „Die Kontaktnachverfolgung wurde ganz schlecht gemacht. Im Krankenhaus Pitié-Salpêtrière gibt es einen Professor... der in Haiti die Nachverfolgung von Cholera-Patienten organisiert hat. Und dort haben sie es geschafft, die Infektion durch eine fast militärische oder zumindest sehr effektive Kontaktverfolgung über eine einzige zentralisierte Stelle auszurotten. Und das wurde in Frankreich [bei Covid-19] nicht gemacht.“ Sie ergänzt: „Das bedeutet, es geht bei Covid-19 mit den Zahlen rauf und runter.“
Constance betonte, dass ein aggressiveres, wissenschaftlich begründetes Vorgehen die Pandemie beenden könnte: „Es wäre besser gewesen, wenn wir von Anfang an Quarantäneperioden gehabt hätten und die eingehalten worden wären, wenn wir Quarantänehotels geschaffen hätten, wie es in einigen anderen Ländern gemacht wurde. Wenn wir die Grenzen geschlossen hätten – außer in Ausnahmefällen, das wäre wirklich interessant gewesen. Ich glaube, der Tourismus war damals die falsche Priorität.“
Die Pflegekräfte fürchten allesamt die Auswirkungen der derzeitigen Welle und die Ausbreitung der impfstoffresistenteren Omikron-Variante. Letzte Woche stiegen die Fallzahlen vier Tage in Folge um jeweils 50.000. In den letzten sieben Tagen wurden in Frankreich 635 Todesfälle verzeichnet, 49 mehr als in der Vorwoche. Die Entdeckung von mindestens einem Dutzend Fällen der Omikron-Variante in Frankreich könnte die derzeitige Welle verschärfen, die Krankenhäuser noch weiter belasten und zu noch mehr Toten führen.
Christophe Trivalle, ein Geriatriker am Paul-Brousse-Krankenhaus, warnte vor der Überlastung der Krankenhäuser: „Covid-19 ist noch nicht vorbei. Wir sind wieder auf dem vorherigen Stand, wo es beträchtliche Personalengpässe gab, und wir haben viele Dienstleistungen eingestellt, Betten abgebaut und es fehlen Pflegekräfte. In der Notaufnahme liegen viele Patienten auf Bahren, weil es nicht genug Betten gibt.“
„Während der ersten Welle war das Personal sehr engagiert“, so Trivalle weiter. Die Jungen haben sich sehr eingesetzt, ihnen wurde applaudiert. Der Präsident sagte, wir würden Mittel für die Gesundheitsversorgung erhalten und alle waren sehr bereit zu helfen. Aber jetzt sind wir in einer Lage, wo wir diese Mittel nicht mehr bekommen. In der ersten Welle hatten wir viele Verstärkungen. Die haben wir nicht mehr, wir sind überall unterbesetzt und die Leute sind demoralisiert... Wir stehen vor einer fünften Welle, die vermutlich groß sein wird, und wir könnten überrollt werden.“
Im März 2020 mussten Italien, Frankreich und die USA aufgrund spontaner Streiks die ersten Maßnahmen zur sozialen Distanzierung umsetzen. Heute kann nur eine Massenbewegung der Arbeiterklasse, die bewusst für ein Ende der Virusübertragungen kämpft, eine wissenschaftliche Gesundheitspolitik durchsetzen und damit die Pandemie beenden. Die Pflegekräfte wiesen auf die enorme Kluft hin, die die arbeitende Bevölkerung von den herrschenden Eliten trennt, die von der Politik der Massendurchseuchung profitiert haben und die Arbeiter weiterarbeiten lassen.
Constance erklärte: „Die Finanzinteressen der großen Konzerne sind als Gewinner aus der Pandemie hervorgegangen. Und wir müssen jeden Tag kämpfen. In der ersten Welle war ich in der Notaufnahme. Ich sah Leute, deren Zustand sich plötzlich so stark verschlechterte, dass wir sie sehr schnell intubieren mussten. Wir hatten nicht einmal die Zeit, zu verstehen, was los war. Gleichzeitig scheffelten die Großkonzerne Geld. Ich verstehe diese Welt nicht.“
Als ein Reporter der WSWS auf das Untersuchungsverfahren gegen die ehemalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn wegen der Reaktion auf die Pandemie hinwies und fragte, ob staatliche Kriminalität eine Rolle gespielt habe, antwortete Constance: „Ja, aber natürlich.“
Sie erklärte: „Sie haben von Anfang an völlig zusammenhanglos gehandelt, die falschen Leute verantwortlich gemacht – das Pflegepersonal, das kündigt, Leute, die die Gesundheitsregeln nicht einhalten und ins Kino oder ins Café gehen. Aber in Wirklichkeit ist es ihre Verantwortung, zu führen, und das haben sie nicht getan. Es ist ein Skandal.“