US-Generalstabschef Mark Milley bezeichnete China letzte Woche in einer Rede beim Aspen Security Forum als größte Gefahr für die Sicherheit der USA und erklärte, es könne bereits innerhalb der nächsten zwei Jahre zu einem Krieg mit China um Taiwan kommen.
Milleys Äußerungen geben einen deutlichen Hinweis darauf, was auf den Führungsebenen von Militär, Geheimdiensten und Politik in Washington diskutiert wird. In den letzten zehn Jahren haben Obama, Trump und jetzt Biden die zunehmend rücksichtslose und leichtsinnige Konfrontation mit China ständig verschärft, um das Land als Gefahr für die globale Hegemonie der USA auszuschalten.
Milley beklagte, China gefährde „die sogenannte liberale, regelbasierte Ordnung, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 errichtet wurde. Sie wollen sie revidieren.“ Doch mit diesem Schlagwort – internationale, regelbasierte Ordnung – sind die internationalen Rahmenbedingungen gemeint, die nach dem Krieg von den USA etabliert wurden und auf deren wirtschaftliche und strategische Interessen zugeschnitten ist.
Was Milley tatsächlich beunruhigt, ist, dass China durch die schiere Größe seiner Volkswirtschaft und seinem Bedarf an Energie, Rohstoffen und Bauteilen mit der Welt in Konflikt gerät, die von den USA und ihren Verbündeten dominiert wird. Zudem muss China, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu sein, seine Hightech-Industrien ausbauen, was Trump und Biden verhindern wollten und wollen.
Milley konzentrierte sich auf die Spannungen zwischen den USA und China in der Frage Taiwans, die Trump verstärkt hatte und die unter Biden nun rasch in den Vordergrund treten. Im März warnte der scheidende Oberbefehlshaber des Indo-Pacific Command, Admiral Phil Davidson, vor einem potenziellen Krieg mit China innerhalb der nächsten sechs Jahre.
Milleys Erklärung, er rechne in den nächsten zwei Jahren nicht mit einer chinesischen Militäraktion wegen Taiwan, weist lediglich darauf hin, dass das US-Militär sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne auf einen Krieg vorbereitet. Er fügte hinzu: „Doch bauen die Chinesen eindeutig und unmissverständlich ihre Kapazitäten aus, um diese Optionen für die nationale Führung möglich zu machen, wenn sie sich irgendwann in der Zukunft dafür entscheiden sollte.“
Weiter erklärte er: „Wir erleben gegenwärtig eine der größten Umwälzungen in den globalen geostrategischen Machtverhältnissen, die die Welt je gesehen hat. ... Wenn wir, die Vereinigten Staaten, in den nächsten 10 bis 20 Jahren nichts Grundlegendes ändern, werden wir auf der falschen Seite eines Konflikts stehen.“ Diese Äußerung deutet auf eine enorme Beschleunigung des US-Wettrüstens mit China hin.
Milley hob besonders hervor, dass China vor Kurzem eine neue atomwaffenfähige Überschallrakete getestet hat. Gleichzeitig geht der jüngste Bericht des Pentagons über China davon aus, dass das Land bis Ende des Jahrzehnts 1.000 Atomsprengköpfe und weitere hochmoderne Trägersysteme haben wird. Das alles bekräftigt die Forderung des Pentagon nach einer deutlichen Erhöhung des Verteidigungshaushalts, der ohnehin schon auf Rekordniveau liegt. Dabei stellt das amerikanische Atomarsenal mit 5.500 Sprengköpfen das chinesische sowohl jetzt als auch in seiner prognostizierten zukünftigen Größe weit in den Schatten.
Die Geschwindigkeit, mit der sich Taiwan zum gefährlichsten Brandherd für einen Krieg zwischen den USA und China entwickelt hat, verdeutlicht seine strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Militärisch gesehen ist Taiwan ein wichtiger Teil der ersten Inselkette um China, die sich von Japan bis hin zu den Philippinen erstreckt. US-Strategen betrachten die Inselkette als Angriffspunkt, um die Beweglichkeit der chinesischen Marine zu begrenzen, eine Wirtschaftsblockade zu errichten und zum Aufbau einer Front für einen möglichen Krieg. In wirtschaftlicher Hinsicht ist auf Taiwan die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company beheimatet, die praktisch für die ganze Welt hochmoderne Computerchips produziert, die für sowohl für wirtschaftliche als auch militärische Anwendungen gebraucht werden.
Während die US-Medien und das politische Establishment immer wieder von „chinesischer Aggression“ gegen Taiwan sprechen, untergräbt Washington selbst den labilen Status quo im Verhältnis zwischen China und Taiwan. Die Biden-Regierung hält sich formell an die „Ein-China-Politik“, die 1979 durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Taipeh etabliert wurde und die Grundlage für die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und China bildet. Faktisch erkannte Washington Peking damit als legitime Regierung Chinas an, einschließlich Taiwans.
Gleichzeitig verabschiedete der US-Kongress 1979 den Taiwan Relations Act, der die USA dazu verpflichtete, Verteidigungswaffen an Taiwan zu verkaufen und begrenzte formelle Beziehungen zu Taipeh beizubehalten. Seither war das Vorgehen der USA von der so genannten „strategischen Zweideutigkeit“ beherrscht, d. h. Washington hat Taiwan keine eindeutige Unterstützung in einem militärischen Konflikt mit China zugesagt. Dies sollte Taipeh davon abhalten, sich formell von China unabhängig zu erklären, da Peking mehrfach angedroht hatte, auf diesen Schritt mit Gewalt zu reagieren.
Der führende Demokrat Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, sprach ebenfalls auf der Veranstaltung in Aspen und unterstützte die zunehmenden Forderungen in herrschenden Kreisen, die „strategische Zweideutigkeit“ müsse aufgegeben werden. Die USA und ihre Verbündeten müssten „China eindeutig klar machen, welch hohen Preis es zahlen würde, falls es versuchen würde, Taiwan zu überfallen und einzunehmen“.
Schiff erklärte in einem nur dürftig verdeckten Versuch, den Schlussfolgerungen seiner Position auszuweichen: „Ich glaube, dass weniger Zweideutigkeit besser ist als mehr.“ Er fügte jedoch hinzu, es gebe da einen „feinen Grat: denn wir wollen keine Erklärungen abgeben, die Chinas Denkprozesse oder Zeitpläne in Bezug auf militärische Gewalt gegen Taiwan beschleunigen wird“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In Wirklichkeit bringt „weniger Zweideutigkeit“ den empfindlichen diplomatischen Balanceakt aus dem Gleichgewicht, der den amerikanisch-chinesischen Beziehungen seit vier Jahrzehnten zugrunde liegt. „Weniger Zweideutigkeit“ bedeutet im Grunde keine Zweideutigkeit oder, um ein aktuelles Schlagwort zu benutzen: „strategische Klarheit“. Es bedeutet eine bedingungslose Verpflichtung, Taiwan in einem Krieg gegen China zu unterstützen. Die USA haben bereits damit begonnen, Taiwan in eine militärische Plattform zu verwandeln, indem sie erstmals seit dem Rückzug der amerikanischen Streitkräfte 1979 US-Spezialeinheiten auf die Insel stationiert haben, um taiwanesische Truppen auszubilden.
Die Biden-Regierung hat bereits einen großen Schritt zur Aufgabe der Politik der „strategischen Zweideutigkeit“ zugunsten einer „felsenfesten“ Unterstützung für Taiwan unternommen. Letzten Monat erklärte Biden während einer Bürgerversammlung auf die Frage, ob die USA Taiwan gegen einen Angriff Chinas verteidigen würden: „Ja, wir haben eine Verpflichtung, das zu tun.“ Das Weiße Haus versuchte zwar später „klarzustellen“, dass es keinen politischen Kurswechsel gibt, doch die Farce der „strategischen Zweideutigkeit“ wird zunehmend fallengelassen.
Die USA mobilisieren außerdem ihre militärischen Verbündeten und strategischen Partner zur Unterstützung Taiwans. Am Mittwoch traf eine Delegation von Abgeordneten des Europaparlaments zu Spitzengesprächen in Taiwan ein. Der Delegationsleiter, Raphael Glucksmann, erklärten dem taiwanesischen Präsidenten Tsai Ing-wen, sie seien mit einer einfachen Botschaft gekommen: „Sie sind nicht alleine. Europa steht an Ihrer Seite bei der Verteidigung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.“
Das alles bleibt in Peking nicht unbemerkt. Doch die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat keine progressive Antwort auf die steigende Kriegsgefahr. Einerseits versucht sie, die Konfrontation durch einen neuen Deal mit dem US-Imperialismus zu beenden, andererseits beteiligt sie sich an einem sinnlosen Wettrüsten, das nur in einer Katastrophe enden kann.
Die Zeitung Global Times, die sich durch eine aggressive Haltung in dem Konflikt auszeichnet, veröffentlichte letzte Woche einen Leitartikel, in dem sie absurderweise behauptete, Peking sei in einer vorteilhaften Position, weil es nicht im Interesse der USA und Taiwans liege, „einen Krieg auf der anderen Seite der Taiwanstraße auszulösen“. Die Zeitung prahlte: „Die endgültige Entscheidung über einen Krieg im Bereich der Meerenge, dessen Ausmaß und wann und wo er stattfinden wird, liegt in unseren Händen.“
Das Gegenteil ist der Fall: Die Biden-Regierung hat bewusst die diplomatischen Protokolle unterhöhlt, die einen brüchigen Frieden in der Taiwanstraße bewahrt haben, um China dazu zu provozieren, den ersten Schritt zu machen. Der US-Imperialismus ist entschlossen, China mit allen Mitteln, einschließlich eines Kriegs, seinen Interessen unterzuordnen.
Nur die Intervention der Arbeiterklasse kann den Kurs auf einen Krieg zwischen den beiden Atommächten verhindern. Zu diesem Zweck muss sie eine vereinte Antikriegsbewegung mit dem Ziel aufbauen, die Ursache für geostrategische Konflikte – das kapitalistische System – aus der Welt zu schaffen.