Assange in Gefahr: Anhörung zum US-Auslieferungsantrag in London

Am Mittwoch begann am britischen High Court eine zweitägige Anhörung zum Antrag der US-Regierung auf die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange an die USA.

Diese Anhörung ist der Höhepunkt einer blindwütigen, verbrecherischen Kampagne des US-Imperialismus und seiner Verbündeten, die seit mehr als zehn Jahren andauert. Die Enthüllungen der letzten zwei Jahre, dass die CIA Assange überwacht hat, ihn entführen und ermorden wollte, sind beispielhaft für den Charakter dieser Kampagne.

Wie Yahoo News letzten Monat berichtete, hatte die Trump-Regierung die CIA beauftragt, „Optionen“ für Assanges Ermordung zu entwerfen. Es wurden „Skizzen“ angefertigt und darüber diskutiert, „ob es möglich und legal sei, Assange zu töten“. Die britische Regierung soll sich bereit erklärt haben, „notfalls das Schießen zu übernehmen“, falls Assange versuchen sollte, aus der Botschaft zu fliehen, möglicherweise mit Hilfe russischer Agenten.

Im Jahr 2019 wurde bekannt, dass die Sicherheitsfirma UC Global, die in der ecuadorianischen Botschaft in London, in der Assange fast sieben Jahre im Asyl verbrachte, tätig war, den WikiLeaks-Gründer und seine Kontakte im Auftrag der US-Geheimdienste ausspioniert hat. Letztes Jahr hatte ein ehemaliger Mitarbeiter von UC Global während Assanges Auslieferungsanhörung Beweise dafür vorgelegt, dass über seine Entführung oder einen Giftanschlag in der Botschaft diskutiert worden war.

Durch diese unablässige Verfolgung rächen sich die Regierungen der USA, Großbritanniens und Australiens dafür, dass Assange eine mutige Rolle dabei gespielt hat, ihre Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan aufzudecken. Durch das Video „Collateral Murder“, die Afghan War Diaries, die Iraq War Logs und die Cablegate-Enthüllungen hat WikiLeaks den massiven Widerstand der Weltbevölkerung gegen Krieg, Folter und staatliche Unterdrückung gestärkt.

Die mörderischen Pläne der imperialistischen Mächte wurden durch eine pseudojuristische Hexenjagd gegen Assange unterstützt, in deren Verlauf er 2019 von einer im Geheimen tagenden Grand Jury angeklagt wurde und Schweden eine konstruierte Untersuchung wegen sexuellem Missbrauch gegen den WikiLeaks-Gründer durchführte. Die australische Regierung weigerte sich, irgendetwas zur Verteidigung ihres Staatsbürgers zu unternehmen.

Assange wurde willkürlich inhaftiert, psychisch gefoltert, das ecuadorianische Asyl und die ecuadorianische Staatsbürgerschaft wurden ihm aberkannt, er wurde in rachsüchtiger Manier abgeurteilt und im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh eingesperrt. Er wurde ohne Anklage in Untersuchungshaft gehalten, ihm wurde mehrfach ohne Rechtfertigung die Freilassung auf Kaution verweigert und sein Recht auf juristische Vertretung wurde durchgehend beeinträchtigt. In seinem Verfahren wurde das Rechtsstaatsprinzip mit Füßen getreten und er wurde mit nachweislich falschen Vorwürfen konfrontiert, die der Hacker, überführte Betrüger und Sexualstraftäter Sigurdur Thordarson als Gegenleistung für Immunität in den USA konstruiert hatte.

Nach allen denkbaren juristischen Standards müsste Assange den Prozess nicht nur gewinnen, sondern das Verfahren gänzlich eingestellt werden. Die USA legen Berufung gegen ein Urteil ein, laut dem Assange nicht ausgeliefert werden kann, weil das Risiko besteht, dass er in Amerika Selbstmord begehen könnte. Inzwischen ist die Auslieferung offen als Versuch entlarvt, ihn seinen potenziellen Mördern auszuliefern.

Doch den britischen Gerichten geht es in diesem Fall nicht um Gesetze oder Menschenrechte. Die Entscheidung, die die Richter zu treffen haben, besteht darin, ob Großbritannien einen Vorgang absegnen wird, der einer außerordentlichen Überstellung des bedeutendsten Journalisten des 21. Jahrhunderts gleichkommt.

Die britische Justiz hat die Grundlagen für Assanges Auslieferung geschaffen. Im Januar, als Trump ganz offen einen faschistischen Staatsstreich vorbereitete, fällte die Bezirksrichterin Venessa Baraitser ein Urteil, durch das Assanges Schicksal am seidenen Faden hängen bleiben sollte. Sie akzeptierte jede verkommene Einzelheit des US-Auslieferungsantrags und lehnte ihn nur aus medizinischen Gründen ab, weil bei Assange im Falle einer Auslieferung Selbstmordgefahr bestanden hätte.

Es war klar, worauf Baraitser hinauswollte. Sie weigerte sich, Assange aus der Haft zu entlassen und behielt ihn in Belmarsh, bis die US-Regierung in Berufung ging. Seither haben die USA den höchst ungewöhnlichen Schritt unternommen, wertlose Versprechungen in Bezug darauf abzugeben, wie sie Assange behandeln werde, und Berufung gegen die Legitimität der medizinischen Beweise eingelegt, die ein erfahrener und anerkannter Psychiater dem Gericht vorgelegt hat.

Baraitsers ursprüngliches Urteil war auch bestimmend für die Reaktion des High Court auf die Enthüllungen von Yahoo News über die CIA, die diese Woche bei Assanges Verteidigung eine wichtige Rolle spielen werden. Als Reaktion auf die Argumente, UC Global habe im Auftrag der CIA Unterhaltungen zwischen Assange und seinen Anwälten abgehört, erklärte Baraitser, sie könne nicht beurteilen, ob eine Überwachung durch die USA stattgefunden habe. Danach fügte sie hinzu, selbst wenn dem so wäre, gäbe es „keinen Grund zu der Annahme, dass dies etwas mit diesem Verfahren zu tun hat“ und dass „die Staatsanwaltschaft in diesem Fall keinen Zugang zu den Ergebnissen einer Überwachung hat“.

Unabhängig davon, wie der High Court in dieser Angelegenheit entscheiden wird, droht Assange die Fortsetzung seiner Haft. Ein Urteil wird erst in mehreren Monaten erwartet und anschließend würden auf jeden Fall Berufungen folgen. Assanges Partnerin Stella Moris hat gewarnt, Assange könne noch jahrelang in Haft bleiben, wenn er nicht bald, vielleicht schon im nächsten Sommer, ausgeliefert werde. Beide Szenarien seien „entsetzlich“, so Moris. In beiden Fällen wäre Assange zum Schweigen gebracht und sein Leben in Gefahr. Moris erklärte, er habe bei ihrem letzten Besuch im Gefängnis am Wochenende „sehr krank ausgesehen“.

Die Verfolgung Assanges ist eine Frage fundamentaler politischer und strategischer Interessen der führenden imperialistischen Mächte der Welt. Deshalb setzt sich die Anklage in seinem Fall so rücksichtslos über juristische und demokratische Prinzipien hinweg. Die USA und ihre Verbündeten haben von Anfang an versucht, Assange zu vernichten – sowohl als Warnung als auch als Präzedenzfall. Auf diese Weise wollten sie jede ernsthafte Berichterstattung über imperialistische Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und massive staatliche Überwachung verhindern, ihre früheren Verbrechen vertuschen und neue vorbereiten.

Dieses Motiv wurde noch weiter bestärkt. Die Gefahr eines Kriegs von einem Ausmaß, das die Verbrechen während der imperialistischen Überfälle auf den Irak und Afghanistan noch weit in den Schatten stellen würde, wird angesichts der wachsenden Aggressionen der USA gegen China in Taiwan und dem Südchinesischen Meer immer größer. Ergänzt werden die Provokationen im Ausland mit Propaganda im Inland im Stil der „großen Lüge“, darunter haltlose Vorwürfe wie derjenige, Covid-19 stamme aus einem Labor in Wuhan und die chinesische Regierung würde in Xinjiang einen „Völkermord“ an den Uiguren verüben.

Gleichzeitig machen sich die internationalen Regierungen bei ihrer Reaktion auf die Pandemie, die nach realistischen Schätzungen zwischen 10 und 19 Millionen Todesopfer gefordert hat, einer beispiellosen Kriminalität und Korruption schuldig.

In dieser Welt können die imperialistischen Mächte so etwas wie ein frei agierendes WikiLeaks, das von Assange als „Geheimdienst der Bevölkerung“ bezeichnet wurde, nicht dulden. Ihre größte Befürchtung ist, dass künftige Enthüllungen den enormen Widerstand innerhalb der Arbeiterklasse in jedem Land entfachen könnten. Wenn Assange verteidigt werden und freikommen soll, muss diese gesellschaftliche Kraft mobilisiert werden.

Bei der Jagd auf Assange, die von allen imperialistischen Regierungen und allen großen Parteien der Welt unterstützt wurde, wurden immense Mittel eingesetzt. Die Leitmedien haben seine Verfolgung entweder aktiv unterstützt oder versucht, Informationen über den Fall zu unterdrücken, und seine Auslieferung nur formell abgelehnt. Die brisanten Artikel von Yahoo News und die Enthüllungen über Thordarson wurden praktisch totgeschwiegen.

Moralische Appelle an diese Kräfte oder die vergebliche Hoffnung auf die Weisheit der britischen Justiz, wie sie von der Bewegung „Don't Extradite Assange“ verbreitet werden, sind schlimmer als nutzlos. Versuche, eine Handvoll zahmer Parlamentsabgeordneter und „Aktivisten“ als Opposition gegen diese immense Verschwörung darzustellen, sind eine grausame Farce. Jeremy Corbyn, der als Labour-Parteichef nichts unternommen hat, um Assange zu verteidigen, und der auch jetzt niemanden mobilisieren wird, steht beispielhaft für die Gestalten in dieser „Opposition“.

Eine Massenkampagne für Assanges Freiheit muss sich auf einen Appell an die internationale Arbeiterklasse stützen, für die der Kampf gegen Imperialismus, Krieg und soziale Ungleichheit eine Frage von Leben und Tod ist. Die Kosten, die die mörderische Reaktion der herrschenden Klassen auf die Pandemie in Form von Menschenleben, Löhnen und Arbeitsbedingungen gefordert hat, treiben eine weltweite Welle von Arbeiterkämpfen an, bei denen die USA im Zentrum stehen.

Beide Seiten werden nach den Anhörungen am Mittwoch und Donnerstag weitere Berufungen einlegen. Allerdings benötigen sie hierfür die Einwilligung der Gerichte, was fast mit Sicherheit eine weitere Verlängerung von Assanges Haft bedeuten würde. Um ein langwieriges Auslieferungsverfahrens zu verhindern und Assanges Freilassung aus der Isolationshaft in Belmarsh, die seine Gesundheit zerstört, zu erwirken, muss schnellstmöglich ein organisiertes Eingreifen der Arbeiter auf der ganzen Welt erfolgen.

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