Französische Bahnarbeiter unterstützen deutschen Lokführerstreik

Reporter der World Socialist Web Site sprachen am Donnerstag mit Bahnarbeitern in Paris, die ihre Unterstützung und Solidarität mit dem anhaltenden Streik der Bahnbeschäftigten in Deutschland äußerten.

Lokführer und andere Beschäftigte der Bahn streiken seit Donnerstagnachmittag gegen die Versuche der Deutschen Bahn, ihnen einen Tarifvertrag aufzuzwingen, der Rentenkürzungen und eine Nullrunde beinhaltet – die angesichts der Inflation sogar eine Reallohnsenkung bedeutet. Die Forderungen der Bahn laufen darauf hinaus, dass die Belegschaft durch eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen den Hauptteil der Kosten für die Corona-Pandemie trägt.

Ihre französischen Kollegen sind mit den weltweiten Angriffen auf die Bahnarbeiter vertraut. Im Jahr 2018 kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron die Abschaffung des Eisenbahnstatuts an, das seit dem Zweiten Weltkrieg besteht. Seither wurden Tausende entlassen, der staatliche Bahnverkehr für den Wettbewerb durch private Anbieter geöffnet und neu eingestellte Arbeiter zu schlechteren Bedingungen mit weniger Schutz und niedrigeren Löhnen eingestellt.

Im Juni 2018 organisierten die französischen Bahnarbeiter einen mächtigen Streik gegen Macrons wirtschaftsfreundliches Gesetz. Der Streik scheiterte jedoch, weil er von den Eisenbahnergewerkschaften isoliert wurde, die sich weigerten, eine breitere Unterstützung in der Arbeiterklasse zu mobilisieren.

Louis, der seit 2016 bei der staatlichen Bahngesellschaft SNCF als Fahrkartenkontrolleur angestellt ist, erklärte: „Ich wünsche den Arbeitern in Deutschland viel Glück. Wenn sie noch kämpfen, dürfen sie nicht aufgeben, denn wenn man aufgibt, ist es vorbei. Ich unterstütze sie vorbehaltlos, vor allem wenn sie das verhindern wollen, was wir gerade durchgemacht haben.“

Louis erklärte, nach dem Streik von 2018 würden „die Regeln, die unsere Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen festlegen, überhaupt nicht mehr respektiert. Wir sind alle ausgelaugt. Wir haben mittlerweile absurd lange Arbeitszeiten.“

Als er hörte, dass die Deutsche Bahn von den Arbeitern verlangt, die Kosten für die Pandemie zu tragen, antwortete Louis: „Hier ist es genauso. Die Arbeiter sollen dafür zahlen. Seit Beginn der Pandemie haben sie Arbeiter entlassen und ändern die Schichtpläne. Sie haben die Entwicklung ausgenutzt, um Teilzeitkräfte loszuwerden. Jetzt arbeiten viele von uns neun oder zehn Stunden am Tag, weil weniger Leute die gleiche Arbeit machen müssen. Das Coronavirus war nur ein Vorwand, um das durchzusetzen, was sie sowieso schon lange tun wollten.“

Louis fügte hinzu: „Ich hoffe, die Fahrgäste stehen hinter ihnen und unterstützen sie. ... Die Kollegen in Deutschland müssen der Bevölkerung erklären, warum sie streiken und was passieren wird, wenn man nicht streikt. Wenn wir das der Öffentlichkeit hier erklärt haben, haben die Leute es nachempfunden und verstanden.“

Er sei der Meinung, dass die Arbeiter in Deutschland, Frankreich und ganz Europa besonders wirkungsvoll kämpfen könnten, wenn sie gemeinsam handeln. „Die Voraussetzung wäre aber, dass wir einen Wortführer haben, eine wirkliche Vertretung, die für die Arbeiter spricht. Den Gewerkschaftsführern geht es oft nur um sich selbst oder sie bekämpfen sich gegenseitig statt eine gemeinsame Front gegen den Feind zu bilden.“

Stefan, der seit 23 Jahren als Lokführer arbeitet, erklärte an die Adresse der Streikenden in Deutschland: „Wir, als Teil der Lokführer Europas, unterstützen sie. Sie sollen wissen, dass das, wovon sie betroffen sind, auch hier passieren kann. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr gleichen sich unsere Bedingungen an. Je mehr Dinge, von denen sie betroffen sind, desto größer die Auswirkungen auf uns hier. Wir müssen sie unterstützen.“

Weiter erklärte er: „Ich glaube, in Deutschland herrscht seit Jahren Wettbewerb im Schienenverkehr. Jetzt machen sie das auch hier, und es wird in den nächsten Jahren in der Praxis durchgesetzt werden. Die volle Wucht der Auswirkungen steht noch aus, aber das wird bald kommen. Ich glaube, sie wollen überall das Niveau senken. Jetzt liegt es an den Arbeitern, das Größtmögliche zu tun, um ihre Interessen zu verteidigen.“

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