Auslieferungsverfahren gegen Assange: Berufung der US-Regierung zugelassen

Stella Moris, die Partnerin des inhaftierten WikiLeaks-Herausgebers Julian Assange, sprach am 7. Juli vor dem britischen High Court und warnte: „Noch immer läuft er Gefahr, ausgeliefert zu werden.“ Zuvor hatte ein Richter entschieden, dass die US-Regierung gegen eine frühere Gerichtsentscheidung, die aus gesundheitlichen Gründen seine Auslieferung verbot, Berufung einlegen dürfe.

Der Richter entschied auch, dass Assange im Gefängnis bleiben müsse, bis die Berufung angehört wird, was effektiv bedeutet, dass er für viele weitere Monate in Haft bleiben muss.

Das Urteil unterstreicht die Entschlossenheit der Biden-Administration, auf Assanges Auslieferung in die USA zu bestehen. Laut einem Bericht des Wall Street Journal soll die US-Regierung bestimmte „Zusicherungen“ angeboten haben. Der Bericht stützt sich auf Auszüge des Urteils, die die britische Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt hatte, und demzufolge wolle die US-Regierung garantieren, dass Assange nicht unter repressiven Bedingungen inhaftiert werden würde, und dass ihm erlaubt werden könnte, eine mögliche Strafe in Australien zu verbüßen.

Solche Zusicherungen sind bedeutungslos. Sobald Assange in US-Gewahrsam ist, werden diese „Zusicherungen“ vergessen sein. Das Wall Street Journal berichtet weiter: „Die USA sagten, sie behielten sich das Recht vor, Herrn Assange besondere Maßnahmen aufzuerlegen oder ihn in einem Supermax-Gefängnis festzuhalten, sollte er 'nach dem Anbieten dieser Zusicherungen etwas tun', das eine solche Anwendung rechtfertige.“

In Großbritannien hat man Assange jede Freilassung auf Kaution verweigert. Obwohl Bezirksrichterin Vanessa Baraitser schon im Januar entschieden hatte, dass er nicht an die USA ausgeliefert werden dürfe, bleibt er im Londoner Belmarsh-Gefängnis inhaftiert. Die USA klagten Assange unter dem Espionage Act an, weil er Kriegsverbrechen, illegale Massenüberwachung und Folter durch die USA und ihre Verbündeten öffentlich bekannt gemacht hat. Faktisch wird er in Großbritannien schon seit zehn Jahren gefangen gehalten.

Baraitser entschied am 4. Januar, dass eine Auslieferung Assanges an ein US-Bundesgefängnis „repressiv“ wäre, weil seine psychische Gesundheit beeinträchtigt sei und die Gefahr eines Suizids bestehe. Das US-Justizministerium (DoJ) unter Präsident Donald Trump legte sofort Berufung gegen Baraitsers Entscheidung ein. Zwei Tage später unternahm Trump einen faschistischen Putschversuch in Washington D.C. Auch die Demokraten unter Joseph Biden und Kamala Harris setzen den politischen Rachefeldzug des US-Imperialismus gegen Assange nahtlos fort.

Der WikiLeaks-Herausgeber wird unter Verletzung seiner persönlichen Rechte auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit nach dem Ersten Verfassungszusatz und der internationalen Menschenrechtsgesetze festgehalten.

Der britische High Court hat Berichten zufolge den USA das Recht auf Berufung aus drei Gründen zugestanden. Das Gericht werde entscheiden, ob Baraitser das Auslieferungsgesetz korrekt angewandt habe, ob die Entscheidung des Gerichts ausreichend angekündigt worden sei, und ob bestimmte „Zusicherungen“ der USA geeignet seien, das Suizidrisiko abzumildern.

Bisher wurde noch kein Termin für die Berufungsanhörung bekannt gegeben, aber wahrscheinlich wird er nach der Sommerpause des Gerichts stattfinden. Damit bleibt Assange auf unbestimmte Zeit in Belmarsh inhaftiert, unter Bedingungen, die von Ärzten und Menschenrechtsanwälten schon lange als „psychologische Folter“ verurteilt werden.

250 Ärzte aus 35 Ländern forderten in einem Offenen Brief, den die „Doctors for Assange“ am 7. Juli an Joe Biden und US-Justizminister Merrick Garland richteten, alle Anklagen gegen den WikiLeaks-Verleger sofort fallen zu lassen. Sie prangern an, dass seine andauernde Inhaftierung in Großbritannien aufgrund des US-Berufungsverfahrens einer „grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung“ gleichkomme.

Sie schreiben: „Heute hat der britische High Court den USA die eingeschränkte Erlaubnis erteilt, gegen die frühere britische Entscheidung gegen das US-Auslieferungsersuchen Berufung einzulegen. Entscheidend ist, dass der High Court den USA nicht erlaubt hat, gegen die Feststellungen zu Assanges medizinischem und psychologischem Zustand Berufung einzulegen, und dass er die Feststellung der früheren Richterin bezüglich seines klinischen Zustands bestätigt hat (...) Inzwischen leidet Herr Assange weiterhin an schweren, lebensbedrohlichen Auswirkungen der psychologischen Folter, der er seit mehr als einem Jahrzehnt ausgesetzt ist.“

Stella Moris, die Menschenrechtsanwältin und Mutter von Assanges zwei kleinen Kindern, warnte am 7. Juli, dass die Entscheidung des High Courts bedeute, dass ihr Partner „noch immer dem Risiko einer Auslieferung ausgesetzt ist. Dort droht ihm eine 175-jährige Gefängnisstrafe, und laut der Richterin ist es fast sicher, dass er dort sein Leben verliert.“

Ihre Ausführungen machten klar, wie kriminell das Bemühen der US-Regierung ist, Assange zu bestrafen: „Der ganze Fall bricht auseinander. Der Hauptzeuge des US-Justizministeriums [Sigurdur Thordarson] gibt jetzt zu, dass er gelogen hat, um im Gegenzug Immunität von den US-Anklägern zu erhalten. Julians Anwälte wurden ausspioniert, in ihre Büros wurde eingebrochen, sogar unser sechs Monate altes Baby wurde ins Visier genommen, während er [Assange] in der Botschaft war.“

Moris erklärte: „Dieser Fall ist der bösartigste Angriff auf Pressefreiheit in der gesamten Weltgeschichte. Die US-Regierung beschuldigt einen ausländischen Journalisten und Verleger, der sich außerhalb der Vereinigten Staaten befindet, weil er wahre Informationen veröffentlicht hat. Er hat das US-Militär beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Julian ist ein Freiheitskämpfer. Er kämpft für Freiheit von Folter, Freiheit von illegalen Kriegen, Freiheit von Überwachung und Manipulation. Und die US-Regierung kriminalisiert das. Man kann nicht für den ersten Verfassungszusatz eintreten und die Demokratie verteidigen, während man gleichzeitig Julian Assange verfolgt und inhaftiert.“

Moris sprach auch über die lähmenden Rechtskosten, die Assange zu tragen hat, während er seinen Kampf um Freiheit fortsetzt. „Viele Leute wissen das nicht, aber die US-Regierung darf in Berufung gehen und ihre Kosten vom britischen Steuerzahler bezahlen lassen. Julian hingegen muss seine Verteidigung selbst finanzieren. Obwohl er im Januar gewonnen hat und die US-Regierung beschlossen hat, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen, muss Julian für seine Anwaltskosten selbst aufkommen (...) An diesem Fall ist jeder Aspekt zutiefst ungerecht. Julian wird dafür bestraft, dass er seinen Job als Journalist gemacht hat.“

Gestern besuchte Moris Assange im Belmarsh-Gefängnis, begleitet von ihrem ältesten Sohn, der vier Jahre alt ist. „Julian geht es sehr schlecht“, berichtete Moris anschließend. „Das Belmarsh-Gefängnis ist ein schrecklicher, schrecklicher Ort. Erst gestern wurde ein anderer Häftling tot in seiner Zelle gefunden. Die Selbstmordrate ist dreimal so hoch wie in anderen britischen Gefängnissen. Es ist ein täglicher Kampf.“

Sie fuhr fort: „Er hat seinen Prozess im Januar gewonnen. Warum ist er überhaupt im Gefängnis? Warum wird er überhaupt strafrechtlich verfolgt? Es gibt keinen Rechtsfall gegen ihn. Es gibt nur eine Anklageschrift, die auf Lügen basiert. Man hat einen verurteilten Veruntreuer rekrutiert, einen verurteilten Sexualverbrecher [Thordarson] gegen Minderjährige, einen Mann, bei dem Soziopathie diagnostiziert wurde, und dieser Mann hat jetzt zugegeben, dass er gelogen hat, und diese Lügen stehen in der US-Anklage, derentwegen Julian weiter im Gefängnis sitzt.

Lügen halten Julian im Gefängnis. Und jetzt sind die Missbräuche derart monumental, sie haben sich derart angehäuft, dass wir an einem Punkt angelangt sind, wo die Vernunft eintreten muss. Hier wird der Journalismus kriminalisiert. Schauen Sie sich nur die Anklageschrift an: Es geht um die Kriminalisierung des Erhalts und der Weitergabe wahrer Informationen an die Öffentlichkeit, von denen niemand bestreitet, dass sie im öffentlichen Interesse waren, dass sie Kriegsverbrechen nachweisen, dass sie Folter nachweisen, dass sie illegale Überstellungen belegen.“

Auf die Frage nach Assanges Reaktion auf die Entscheidung, eine Berufung zuzulassen, antwortete Moris: „Ich konnte mit Julian über die Entscheidung sprechen. [Seine Reaktion] ist gemischt, denn einerseits sind weitere sechs Monate vergangen, ohne dass wir etwas Neues hören, also ist das wie ein endloses Fegefeuer. Aber gleichzeitig hört es damit nicht auf, und so müssen wir uns vorbereiten. Wir wissen nicht, wie lange das noch dauert, und wie lange er an diesem schrecklichen Ort noch inhaftiert sein wird.'

Die Andeutung der USA, dass sie einer Überstellung Assanges nach Australien zustimmen würden, um eine eventuelle Haftstrafe dort zu verbüßen, zeigt, dass der WikiLeaks-Gründer weiterhin einer mehrstaatlichen Verschwörung der imperialistischen Mächte unter Führung der USA, Großbritanniens und Australiens gegenübersteht. Diese „Zusicherungen“ sind ominös. Sie dienen nur dazu, den britischen Gerichten einen Vorwand zu verschaffen, dass sie Assange trotz seines Gesundheitszustands ausliefern.

Die sadistischen Versprechungen und Verschwörungen des US-Imperialismus und seiner politischen Komplizen verdienen kein Vertrauen. Die Freiheit von Assange kann nicht durch moralische Appelle an den Staat gewonnen werden. Der Kampf für die Freiheit von Assange muss in die Arbeiterklasse getragen und mit ihren weltweiten Kämpfen gegen die Pandemie, die Austerität, die soziale Ungleichheit und die ständig wachsende Kriegsgefahr im Kapitalismus verbunden werden.

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