Perspektive

USA planten Atomangriff auf chinesische Städte in der Taiwan-Krise 1958

Geheime Dokumente belegen, dass amerikanische Generäle 1958 vehement darauf drängten, einen Atomangriff auf chinesische Städte zu führen. Die Dokumente wurden von Daniel Ellsberg veröffentlicht, einem US-amerikanischen Nuklearstrategen, der 1971 die geheimen „Pentagon-Papiere“ über die Ziele der USA im Vietnamkrieg enthüllt hatte.

Wie seine jüngsten Leaks zeigen, hatten sich die US-Generalstabschefs 1958 auf nukleare Angriffe gegen chinesische Großstädte vorbereitet, darunter Shanghai, um die Kontrolle über die beiden winzigen Inselgruppen Quemoy (Kinmen) und Matsu zu behalten, die nur wenige Kilometer vor der chinesischen Küste liegen. Die Militärs hätten die Folgen eines nuklearen Vergeltungsschlags der Sowjetunion gegen Taiwan, Japan und die Vereinigten Staaten mit Millionen Toten in Kauf genommen.

Diese Dokumente sind so brisant, dass die US-Regierung sechzig Jahre lang versucht hat, sie vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Sie sind jetzt nur ans Licht gekommen, weil Ellsberg eine strafrechtliche Verfolgung unter dem Espionage Act riskiert, um sie bekannt zu machen. Ellsberg hatte die Dokumente damals zusammen mit den Pentagon-Papieren kopiert.

Während des zweiten Taiwan-Konflikts von 1958 gingen die Kriegsplaner des Pentagons davon aus, dass die kleinen Inseln Quemoy und Matsu in unmittelbarer Nähe zur chinesischen Küste nicht mit konventionellen Waffen verteidigt werden könnten. „Das gesamte militärische Establishment vertrat immer mehr die Auffassung, dass im Fall von Kriegshandlungen Atomwaffen zum Einsatz kommen würden“, heißt es in den von Ellsberg veröffentlichten Dokumenten.

„Atomwaffen würden von den Vereinigten Staaten und wahrscheinlich auch vom Feind eingesetzt werden“, so die Pentagon-Strategen. Die Befugnis, „Ziele auf dem chinesischen Festland anzugreifen, würde erteilt werden“.

Es gäbe „Atomwaffenschläge von beiden Seiten“, wenn von der Prämisse ausgegangen wird, dass der „Einsatz von Atomwaffen unvermeidlich“ ist.

Das US-Oberkommando drängte aggressiv auf den sofortigen Einsatz von Atomwaffen gegen eine chinesische Offensive auf den Inseln. Außerdem bekräftigten die Generäle, dass die Kriegsziele der USA die „Zerstörung der Kampffähigkeit des kommunistischen Chinas“ umfassen.

Die Vereinigten Staaten „hätten keine Alternative, als nukleare Schläge weit ins chinesische Festland hinein bis nach Shanghai zu führen“, erklärten die Militärstrategen. Dies würde „mit ziemlicher Sicherheit nukleare Vergeltung gegen Taiwan und möglicherweise gegen Okinawa“ in Japan und das amerikanische Festland zur Folge haben.

Die Kämpfe zwischen Taiwan und China im Jahr 1958 waren eine Fortsetzung des chinesischen Bürgerkriegs, der 1949 die Kommunistische Partei Chinas an die Macht brachte und die Kuomintang unter Chiang Kai-shek zur Flucht nach Taiwan zwang.

Die Vereinigten Staaten haben sich nie mit dem „Verlust“ Chinas abgefunden. Die chinesische Revolution wurde als verheerender Schlag gegen die globale Vorherrschaft der USA angesehen.

Mit Rückendeckung der USA errichteten die Nationalisten eine Militärdiktatur auf Taiwan, planten die Rückeroberung des Festlandes und beanspruchten weiterhin die Souveränität über ganz China. Taipehs territoriale Ansprüche wurden von Washington anerkannt. Das taiwanesische Regime behielt sogar Chinas Sitz im UN-Sicherheitsrat, inklusive Vetorecht.

Die erste Krise in der Taiwan-Straße fand nur ein Jahr nach dem Ende des Koreakriegs 1953 statt, die zweite folgte fünf Jahre danach. Die USA und ihr Marionettenregime in Südkorea hatten den Koreakrieg 1950 begonnen, um die mit der Sowjetunion verbündete Regierung in Pjöngjang zu stürzen und gleichzeitig Peking zu bedrohen. Als chinesische Truppen Nordkorea zu Hilfe kamen, sprach sich General Douglas MacArthur für den Abwurf von Atombomben auf China aus, was erst durch seine Absetzung als US-Oberbefehlshaber in Korea abgewendet wurde.

Letztlich wurden die US-Pläne für einen Atomkrieg gegen China 1958 nie erprobt, weil China nicht weiter versuchte, die Inseln zurückzuerobern, die von der US-gestützten Kuomintang-Diktatur Taiwans kontrolliert wurden.

Ellsberg bemerkte zu den Enthüllungen der Dokumente:

Christian Herter, der die Nachfolge von John Foster Dulles als Außenminister antrat, soll später gesagt haben: „Die Kubakrise wird oft als die erste ernsthafte Nuklearkrise beschrieben. Diejenigen von uns, die die Quemoy-Krise miterlebt haben, betrachteten diese definitiv als erste ernsthafte Nuklearkrise.“

Trotz der Brisanz und enormen Bedeutung der Dokumente hat die amerikanische Presse fast gar nicht darüber berichtet – mit Ausnahme des Artikels in der New York Times, in dem Ellsberg erklärt, warum er die Papiere veröffentlicht hat.

Ellsberg wollte mit diesen 63 Jahre alten Dokumenten eine Warnung aussprechen. Die Vereinigten Staaten arbeiten daran, die Beziehungen zu Taiwan zu stärken und die Unabhängigkeit des Landes de facto anzuerkennen, was dieselbe geopolitische Lage schafft, die damals zur zweiten Taiwan-Krise führte. Daraus folgt zwangsläufig, dass sich die USA wieder auf einen Atomkrieg mit China vorbereiten.

Ellsberg weist darauf hin, wie „oberflächlich“ und „rücksichtslos“ die Diskussionen über den Einsatz von Atomwaffen wegen der Quemoy- und Matsu-Inseln 1958 geführt wurden, und warnt: „Ich glaube nicht, dass die Teilnehmer dümmer oder gedankenloser waren als die der nachfolgenden Kabinette bis zum heutigen.“

Mit anderen Worten, heute herrscht in den obersten Rängen der Militärführung dieselbe blutrünstige Geisteshaltung, die die Stabschefs 1958 dazu brachte, von Präsident Dwight D. Eisenhower die Erlaubnis für einen sofortigen nuklearen Vergeltungsschlag zu fordern, um einen Angriff Chinas mit konventionellen Waffen auf winzige Inseln vor seiner Küste zu beantworten. Es juckt den Militärführern heute sogar noch mehr in den Fingern, ihre neuen „taktischen“ Atomwaffen zu testen.

Im März erklärte der Navy Admiral und Leiter des Indo-Pazifik-Kommandos, Philip Davidson, der Zeitplan für einen US-Konflikt mit China über die Taiwan-Straße werde „in diesem Jahrzehnt real, sogar in den nächsten sechs Jahren“.

„Wir müssen unbedingt darauf vorbereitet sein, zu kämpfen und zu gewinnen, sollte die Konkurrenz in Konflikt umschlagen“, betonte Davidson.

In den Monaten seit dem Amtsantritt von Joe Biden haben die Vereinigten Staaten die weitreichendsten Veränderungen ihrer Beziehungen zu Taiwan seit der Verabschiedung der Ein-China-Politik im Jahr 1978 vorgenommen.

Biden ist der erste amerikanische Präsident seit 1978, der Taiwans Botschafter bei seiner Amtseinführung empfangen hat. Letzten Monat kündigte das Weiße Haus an, die Beschränkungen der offiziellen Regierungskontakte mit der taiwanesischen Regierung aufzuheben, was nach Ansicht von Kommentatoren das effektive Ende der Ein-China-Politik bedeutet.

Im Februar berief Biden ein Gremium aus Vertretern des Verteidigungsministeriums ein, um die US-Politik gegenüber China neu zu bewerten. Der Ausschuss soll bis nächsten Monat seine Ergebnisse vorlegen. Es wird spekuliert, dass die Biden-Regierung die jahrzehntelange Linie der sogenannten „strategischen Zweideutigkeit“ in der Taiwan-Frage, die als Grundlage der Ein-China-Politik gilt, formell aufgeben wird.

Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu China im Jahr 1979 akzeptierte Washington de facto Peking als die legitime Regierung ganz Chinas, einschließlich Taiwans. Gleichzeitig deuteten die USA an, dass sie Taiwan im Fall eines Kriegs mit China unterstützen könnten. Wenn diese „strategische Zweideutigkeit“ durch ein explizites Versprechen ersetzt wird, Taiwan in einem Konflikt mit China zu verteidigen, wird sich Taiwan ermutigt fühlen, seine formale Unabhängigkeit von China zu erklären. Peking hat bereits gesagt, dass es gegen einen solchen Schritt Taiwans mit militärischen Mitteln vorgehen würde.

Mit anderen Worten: Indem Washington die Ein-China-Politik untergräbt und den taiwanesischen Separatismus fördert, schafft es die Bedingungen für einen Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China, den beiden größten Wirtschaftsmächten.

Die USA haben den INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces) zur nuklearen Abrüstung aufgekündigt und sind mit den Regierungen von Taiwan und Japan im direkten Gespräch über die Stationierung von Offensivwaffen, die das chinesische Festland treffen können.

Um seine Abschreckungspolitik im Pazifik („Pacific Deterrence Initiative“) zu finanzieren, hat das Pentagon die Verdoppelung seines Budgets für die indo-pazifische Region beantragt. Die Biden-Administration ihrerseits hat einen Entwurf für den größten Militärhaushalt in der Geschichte der USA vorgelegt.

Aber Kriege werden nicht allein mit Waffen geführt. Es muss einen Casus Belli geben – eine Rechtfertigung, um der Öffentlichkeit einen Raubkrieg zu verkaufen. Die Medien und die politischen Eliten der Vereinigten Staaten sind damit beschäftigt, einen Casus Belli zu schaffen. Derzeit konzentrieren sie sich auf die Lüge, Covid-19 sei eine biologische Waffe, die von China produziert wurde.

Letztes Jahr hatte der Handelsberater der Trump-Administration und Autor des Buchs „The Coming China Wars“ (2006), Peter Navarro, behauptet, dass Covid-19 ein „waffenfähiges Virus“ sei, das von der Kommunistischen Partei Chinas „hervorgebracht“ wurde.

Die World Socialist Web Site warnte damals:

Diese Anschuldigungen haben eine eindeutige Logik. Wenn die chinesische Regierung das Coronavirus bewusst zulassen und es vorantreiben würde, die Vereinigten Staaten und Europa zu infizieren, wäre dies ein Akt biologischer Kriegsführung, der weit über die Terroranschläge vom 11. September hinausgeht. Es würde bedeuten, dass China einen kriegerischen Akt gegen die Vereinigten Staaten vollzogen hätte.

Mit ungezügelter Rücksichtslosigkeit, die dazu dient, ihre eigene kriminelle Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben von Millionen von Menschen zu rechtfertigen, schafft die Trump-Regierung eine Situation, die eine militärische Konfrontation mit China unvermeidlich machen kann.

Damals wurde diese Verschwörungstheorie, die jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehrt, von erheblichen Teilen der Demokratischen Partei und der Nachrichtenmedien abgelehnt. Aber in der vergangenen Woche wurde die Wuhan-Labor-Verschwörungstheorie von allen Nachrichtensendern, dem Weißen Haus und sogar Dr. Anthony Fauci offen unterstützt. Fauci, der die Labor-These zuvor verurteilt hatte, erklärte am Montag: „Ich bin nicht überzeugt“ von einem natürlichen Ursprung des Virus.

Unter der Trump-Regierung hat der US-Imperialismus eine strategische Neuausrichtung seiner Militärpolitik vorgenommen. Das Pentagon erklärte, dass fortan „die Konkurrenz der Großmächte – und nicht der Terrorismus – im Mittelpunkt der nationalen Sicherheit der USA“ stehe. Unter Trump stiegen die USA aus dem INF-Vertrag aus und begannen, die amerikanische Wirtschaft von China zu „entkoppeln“.

Biden hat die Vorbereitungen auf einen offenen Konflikt mit China intensiviert. Außenminister Antony Blinken erklärte: „China ist das einzige Land mit der wirtschaftlichen, diplomatischen, militärischen und technologischen Macht“, das den Vereinigten Staaten „die Stirn bieten“ könne.

Washingtons Kriegspläne gegen China wurzeln in der jahrzehntelangen Krise des US-Imperialismus. Da ihr Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung Jahr für Jahr sinkt, sehen die USA in militärischer Gewalt und Einschüchterung das einzige Mittel, um ihre globale Vorherrschaft aufrechtzuerhalten. Der Einsatz militärischer Gewalt gegen China – auch mit Atomwaffen – folgt der Logik der kapitalistischen Geopolitik.

Aber das bedeutet nicht, dass der Krieg unvermeidlich ist. 1917 griff die Arbeiterklasse Russlands ein, um das vier Jahre andauernde Gemetzel im Ersten Weltkrieg zu beenden, das über 20 Millionen Tote gefordert hatte. Die russischen Arbeiter stürzten das Zarenregime und die kapitalistische Ordnung, auf der es fußte.

Auch heute ist das die einzige Alternative zu einem weiteren und noch katastrophaleren Weltkrieg. Ein Krieg kann nur verhindert werden, wenn die Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms interveniert und ihre Kräfte auf der ganzen Welt im Kampf vereint, um dem Kapitalismus ein Ende zu setzen.

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