Perspektive

US-Seuchenschutzbehörde CDC lässt Empfehlung zur Maskenpflicht fallen, um das Sterben zu „normalisieren“

Am Donnerstag gab die US-Seuchenschutzbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) bekannt, dass sie Personen, die gegen Covid-19 geimpft wurden, nicht mehr dazu rät, in geschlossenen Räumen Masken zu tragen oder sich an Maßnahmen zur sozialen Distanzierung zu halten.

„Jeder, der vollständig geimpft ist, kann an großen und kleinen Aktivitäten im Innen- und Außenbereich teilnehmen, ohne eine Maske zu tragen oder sich räumlich zu distanzieren“, erklärte CDC-Direktorin Rochelle Walensky.

Da jedoch fast zwei Drittel der amerikanischen Bevölkerung nicht vollständig geimpft sind, gibt es keine effektive Möglichkeit, festzustellen, wer geimpft ist und wer nicht. Die Änderung der CDC-Richtlinien läuft darauf hinaus, dass sich alle Menschen – geimpft oder nicht – in geschlossenen Räumen ohne Masken versammeln dürfen, auch bei Massenveranstaltungen wie Sportevents. Die Folge wird sein, dass sich die Krankheit wesentlich schneller ausbreitet.

Die Empfehlung der CDC ist eine politische, keine wissenschaftliche Entscheidung. Sie ist als Signal dafür gedacht, dass alle Maßnahmen, die die Interessen der Wirtschaft behindern – vom Abstandsgebot bis zu umfassenderen Hygienerichtlinien –, fallen gelassen werden sollen. Entscheidungsträger in Fabriken und an anderen Arbeitsplätzen wird die Freiheit zugestanden, Arbeiter in Gruppen zusammenzubringen, auf die Reinigung von Oberflächen und sanitären Anlagen zu verzichten und die Beschäftigten in Menschenmengen zu schicken, in denen keine Masken getragen werden.

Innerhalb von 24 Stunden kündigten mehrere der größten Einzelhändler des Landes wie Walmart, Sam's Club und Trader Joe's an, dass sie die Maskenpflicht nicht mehr durchsetzen werden. Als Reaktion auf die neuen Richtlinien der CDC lockerten zudem mehr als 10 Bundesstaaten, einschließlich Kansas und Minnesota, ihre Auflagen zum Tragen von Masken.

Für Epidemiologen kam die Ankündigung als Schock. Nach der Veröffentlichung der Richtlinien veröffentlichte die New York Times einen Artikel mit dem Titel „Hunderte Epidemiologen rechneten mit Maskentragen in der Öffentlichkeit für mindestens ein Jahr“ (“Hundreds of Epidemiologists Expected Mask-Wearing in Public for at Least a Year.”). Das Ergebnis einer Umfrage, die die Times im Monat vor der Ankündigungunter Epidemiologen durchführte, lautete unter anderem, dass „80 Prozent davon ausgehen, dass die Amerikaner für mindestens ein weiteres Jahr Masken in öffentlichen Gebäuden tragen müssten. Nur fünf Prozent meinten, dass die Menschen in diesem Sommer keine Masken mehr in Innenräumen tragen müssten.“

„Wenn die Impfraten in den nächsten Monaten nicht auf 80 oder 90 Prozent steigen, sollten wir in großen öffentlichen Innenräumen Masken tragen“, erklärte Vivian Towe, eine leitende Mitarbeiterin am Patient-Centered Outcomes Research Institute, gegenüber der New York Times.

Der leitende Gesundheitsökonom von Microclinic International und Senior Fellow bei der Federation of American Scientists, Eric Feigl-Ding, kommentierte die CDC-Empfehlung mit den Worten: „TRAGT WEITER MASKEN – Wir anerkannten Epidemiologen (mit formalem Doktortitel in Epidemiologie) wissen, wovon wir reden.“

In einem nachfolgenden Tweet fügte er hinzu: „Es ist nicht zu unterscheiden, wer die Maske abgenommen hat, nachdem er vollständig geimpft wurde, und wer sie abgenommen hat / nie getragen hat, obwohl er nicht geimpft wurde.“

Die Impfung ist für die Eindämmung und Ausrottung von Covid-19 von entscheidender Bedeutung, doch sie ist nur teilweise wirksam. Zu den Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna heißt es, sie seien zu 95 Prozent wirksam. Das heißt, dass es bei einer von 20 geimpften Personen noch immer zu einer Infektion kommen wird.

Der Impfstoff von Johnson & Johnson ist sogar noch weniger effektiver. Laut den Ergebnissen einer Studie ist er bei der Prävention von mäßigen bis schweren Covid-19-Verläufen nur zu 66 Prozent wirksam. Diese Tatsache zeigte sich besonders deutlich, als acht Mitglieder des Baseballteams der New York Yankees sowie deren Führungspersonal in den letzten Tagen positiv auf Covid-19 getestet wurden, obwohl sie vollständig mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft waren.

Von Beginn der Pandemie an lehnte es die herrschende Klasse in den USA und international ab, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Leben zu retten. Die Folgen waren katastrophal. Die Zahl der Todesopfer liegt weltweit bei mehr als 3,3 Millionen. Die Zahl der täglichen neuen Fälle und Todesfälle ist weltweit entweder bereits auf Rekordniveau oder nahe daran.

In den Vereinigten Staaten sind nach offiziellen Angaben fast 600.000 Menschen an der Covid-19-Pandemie gestorben. Eine aktuelle Studie des Institute for Health Metrics and Evaluation an der University of Washington schätzt die tatsächliche Zahl der Todesopfer auf über 900.000 – eine Zahl, die höher ist als bei irgendeinem Krieg in der Geschichte der USA.

Nun wird sogar der Anschein, dass die Krankheit bekämpft wird, fallen gelassen. Es wird nicht einmal mehr behauptet, dass die Ausbreitung der Krankheit gestoppt würde. Stattdessen wird das Massensterben durch Covid-19 „normalisiert“. Die Pandemie wird weitergehen. Neue Stämme werden sich ausbreiten, und den Arbeitern wird man sagen, dass sie das weit verbreitete Sterben einfach als eine Tatsache akzeptieren müssen.

Im Dezember 2020, als die Zahl der Toten in den USA bei fast 300.000 lag, erklärte die WSWS:

Die Normalisierung des Todes ergibt sich aus der Entscheidung, basierend auf Klasseninteressen, die „Gesundheit der Wirtschaft“ und „menschliches Leben“ als vergleichbare Phänomene zu behandeln, wobei Ersteres Vorrang vor Letzterem hat. Sobald man diesen Vergleich und die Priorisierung als legitim akzeptiert – so wie es das politische Establishment, die Oligarchen und die Medien tun –, wird der Tod als unvermeidlich angesehen. Diesem grausamen Kalkül entspringt die Losung: „Die Heilung darf nicht schlimmer als die Krankheit sein.“

In den letzten fünf Monaten hat sich die Zahl der Todesopfer verdoppelt. Eine neue Regierung hat die Macht übernommen, aber die gleiche Politik geht weiter. Als Teil dieser Kampagne wird die Zahl der täglichen Todesfälle und Infektionen in den USA nicht einmal in den Nachrichten berichtet. Die Zahl der Todesopfer in den USA bleibt jedoch zwischen 600 und 700 pro Tag. Über 20.000 Menschen sind in den letzten 30 Tagen an Covid-19 gestorben, allein am Mittwoch starben 868 Menschen an der Krankheit. Zur gleichen Zeit im letzten Jahr gab es täglich 24.000 neue Fälle von Covid-19 – heute sind es 40.000.

Mit dem Ende der Maskenpflicht wird ein weiteres Hindernis für die Ausbreitung von Covid-19-Varianten beseitigt, die potenziell resistenter gegen die Immunisierung durch Impfstoffe und natürliche Infektionen sind. Jeden Tag werden mehr als 700.000 Menschen auf der ganzen Welt positiv auf Covid-19 getestet. Das Virus bekommt so mehr Möglichkeiten, zu mutieren, während es sich ausbreitet. Die potenziellen Risiken neuer Varianten von Covid-19 sind weder bekannt noch abschätzbar.

Die Änderung der CDC-Richtlinien hat keine wissenschaftliche oder gesundheitspolitische Gültigkeit. Die Trump-Regierung hat die CDC wiederholt unter Druck gesetzt, die Wissenschaft zu fälschen, um dem Ziel der Regierung, die Schulen und Geschäfte wieder zu öffnen, eine Rechtfertigung zu verschaffen. Diese Realität hat sich unter Biden nicht geändert, dessen Regierung sich der konsequenten Wiederöffnung von Schulen verschrieben hat. Sie verfolgt das Ziel, den größtmöglichen Teil der Bevölkerung wieder in die Arbeitswelt zu bringen, um die Profite der Großkonzerne anschwellen zu lassen und die wachsenden Forderungen der Arbeiter nach Lohnerhöhungen niederzuhalten.

Die Arbeiter dürfen die politisch motivierten Richtlinien der CDC nicht akzeptieren. Sie müssen verlangen, dass die gesamte Belegschaft Masken trägt und dass das Management die notwendigen Ressourcen für die Durchsetzung strenger Hygieneprotokolle bereitstellt, um die Verbreitung von Covid-19 zu stoppen.

Der Kampf für diese Forderungen ist innerhalb der Gewerkschaften unmöglich. Am gleichen Tag, an dem die politisch motivierten Richtlinien der CDC veröffentlicht wurden, drückte die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft American Federation of Teachers (AFT), Randi Weingarten, ihre Entschlossenheit aus, den Widerstand der Lehrer gegen die Wiederöffnung der Schulen zu brechen. Sie erklärte: „Es gibt keinen Zweifel: Die Schulen müssen offen sein. In Präsenz. Fünf Tage die Woche.“

Die Arbeiter können nicht akzeptieren, dass jeden Monat Zehntausende von Menschen in den Vereinigten Staaten, zusammen mit Hunderttausenden auf der ganzen Welt, sterben werden. Der Kampf zur Eindämmung der Pandemie ist mit dem Aufbau von Aktionskomitees an jedem Arbeitsplatz sowie dem Kampf, die Arbeiterklasse mit einer sozialistischen Perspektive zu bewaffnen, untrennbar verbunden. Das kapitalistische System, das dem privaten Profit Vorrang vor dem Schutz von Menschenleben gibt, muss gestürzt werden.

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