Dass er das Zeug zum Manager hat, davon war der Gesamtbetriebsratschef bei Volkswagen, Bernd Osterloh, in der ihm eigenen großspurigen Art schon immer überzeugt. Er verkörpert wie kein anderer die Verwandlung der Gewerkschaften und ihrer Betriebsräte in bezahlte Agenten des Kapitals.
Nun wird Osterloh Manager bei der LKW- und Bus-Tochter von VW – und Einkommensmillionär. Seine Aufgabe bei Traton besteht darin, ein rigoroses Sparprogramm gegen die Arbeiter durchzusetzen. Er tritt seinen neuen Posten bereits zum 1. Mai an.
Nicht wenige Medien titelten, Osterloh wechsle die Seiten. Das stimmt nicht. Er hat schon immer die Interessen des Konzerns gegen die Belegschaft vertreten.
Der gelernte Bürokaufmann Osterloh stieg vor 44 Jahren bei Volkswagen ein, seit 39 Jahren sitzt er im Betriebsrat. Vor 16 Jahren, im Jahr 2005, trat er den Vorsitz des Gesamtbetriebsrats als Nachfolger von Klaus Volkert an, der aufgrund eines unrühmlichen Sex- und Korruptionsskandals zurücktreten und ins Gefängnis musste. Osterloh gelobte damals, seine Arbeit als Gesamtbetriebsratschef in einem Unternehmen, das heute 670.000 Arbeiter beschäftigt, absolut transparent zu gestalten.
Damit meinte er nicht die geheimen Absprachen mit dem VW-Vorstand hinter dem Rücken der Belegschaft, die Osterloh genauso wie sein Vorgänger traf. Doch während der damalige Personalchef Peter Hartz (Autor und Namensgeber der Hartz-Gesetze) Volkert mit Luxusreisen und Prostituierten bestochen hatte, zählte für Osterloh nur die bare Münze.
Er ging zwar nicht damit hausieren, dass er in seinen besten Jahren bis zu 750.000 Euro im Jahr erhielt. Aber als sein Gehalt wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen kurzzeitig auf „nur“ 100.000 Euro beschränkt wurde, machte er seinem Ärger öffentlich Luft. Er hielt es für völlig gerechtfertigt, dass er durch seine Betriebsratstätigkeit Millionär wurde. Schließlich sparte der Konzern dank seiner Arbeit weit höhere Summen zu Lasten der Belegschaft ein.
Als Personalvorstand bei Traton dürfte Osterloh nun fast drei Mal so viel wie in seinen besten Jahren als Betriebsrat einstreichen, nämlich mindestens 170.000 Euro im Monat oder zwei Millionen Euro im Jahr, plus eine saftige Rente.
Osterloh wird im September 65 Jahre alt und könnte im Juli 2022 in den Ruhestand gehen. Aufgrund seines bisherigen Gehalts dürfte er monatlich mehrere Zehntausend Euro Rente beziehen. Doch das ist ihm offensichtlich nicht genug. „Ich will noch einmal unternehmerisch gestalten und in den nächsten [!] Jahren ganz konkret mit meiner Arbeit im Vorstand dazu beitragen, dass die Traton SE ihren Weg zu einem Global Champion in der Nutzfahrzeugbranche erfolgreich meistert“, erklärte er.
Arbeiter sollten das als Warnung verstehen. Seitdem Osterloh den Betriebsratsvorsitz übernommen hat, sorgte er dafür, dass auf dem Rücken der Belegschaften Kosten eingespart wurden. So sicherte er die Dividende für die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen.
Osterloh war stolz darauf, dass er die jeweiligen Sparvorgaben und strategischen Weichenstellungen ausarbeitete und den hochbezahlten Managern unterbreitete. 2014 überreichte er dem Konzernvorstand 400 Seiten Sparvorschläge, die das Unternehmen in die Lage versetzen sollten, den Gewinn innerhalb von nur drei Jahren um 5 Milliarden Euro jährlich zu steigern und die Rendite von zwei auf sechs Prozent zu verdreifachen.
Als dann nur ein Jahr später der Abgasbetrug den Konzern Milliarden kosteten, wurde dem Betriebsratsfürsten der Personalvorstandsposten des scheidenden Horst Neumann angeboten. Doch Osterloh lehnte ab. Die rigorosen Einsparungen, mit denen die Folgen des Dieselbetrugs ausgeglichen wurden, konnte er viel besser als Betriebsratschef durchsetzen. 2016 arbeitete er ein „Zukunftspakt“ aus, dem 30.000 Stellen, davon 23.000 in Deutschland, zum Opfer fielen.
Jetzt haben Osterloh und sein Betriebsrat die Corona-Pandemie genutzt, um weitere Angriffe durchzusetzen und die Umstellung auf die Elektromobilität zu forcieren. Erneut fallen 25.000 Arbeitsplätze weg, um die notwendigen Milliarden-Investitionen zu finanzieren.
Osterloh verstand es stets auch, seine Position an der Spitze des Betriebsrats zu nutzen, um „seine Leute“ in wichtige Positionen zu hieven. So hat er seine bisherige Vertreterin im Konzern- und Gesamtbetriebsrat, Daniela Cavallo, selbst als Nachfolgerin inthronisiert. Sie soll ihm im Betriebsrat und Aufsichtsrat nachfolgen.
Auch im Vorstand setzte er Personalwünsche durch. Konzern-Personalvorstand ist seit April 2018 mit Gunnar Kilian ein enger Vertrauter Osterlohs. Kilian ist im Vorstand des Gesamtkonzerns auch für Traton zuständig.
Es ist zudem ein offenes Geheimnis, dass auch der aktuelle VW-Chef Herbert Diess „Osterlohs Mann“ ist. Der Betriebsratsfürst selbst soll dafür gesorgt haben, dass Diess von BMW nach Wolfsburg in die VW-Zentrale kam. Als Diess aufbegehrte, weil er bei der Leitung des Konzerns anderer Meinung war als Osterloh, kam ihm das teuer zu stehen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt heute: „Diess stand im vergangenen Jahr vor dem Rausschmiss, mitentscheidend für die Eskalation und dann den Verbleib war: Osterloh.“
Nun wird ihm für seine jahrzehntelange Arbeit im Interesse der Konzerneigner der Abschied vergoldet.
Osterloh ist kein Einzelfall. Der Wechsel hoher IG Metall- und Betriebsratsfunktionäre, die sich mit Angriffen auf die Belegschaft verdient gemacht haben, gehört in der deutschen Wirtschaft zum Geschäftsmodell. Gunnar Kilian bei VW, Markus Grolms bei Thyssenkrupp Stahl und Oliver Burkhard beim Thyssenkrupp-Mutterkonzern gehören zu den bekanntesten Fällen. Sie alle streichen jetzt jedes Jahr mehrere Millionen ein.
VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hat Osterloh für seine langjährige Arbeit im Aufsichtsrat gedankt. „Er hat wichtige strategische Schritte zur Weiterentwicklung des Konzerns und bei der Transformation mitgetragen und mit vorangetrieben.“
Die Milliardäre Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch, deren Familien über die Holding Porsche SE die Mehrheit an Volkswagen halten, erklärten, es stehe außer Frage, dass Osterloh aufgrund seines unternehmerischen Geschicks und seiner hohen fachlichen Kompetenz für die Vorstandsposition bei Traton qualifiziert sei. „Wir erwarten deshalb von ihm, dass er einen entscheidenden Beitrag bei der laufenden Restrukturierung im Traton-Konzern leisten wird.“
Auch Diess fand lobende Worte und deutete an, wozu Osterloh in den Traton-Vorstand wechselt: Im Lkw-Bereich stehe aller Voraussicht nach eine mit dem Pkw-Geschäft vergleichbare Transformation bevor.
In der Nutzfahrzeugsparte Traton sind erst vor kurzem die Marken MAN und Scania zusammengelegt worden. Die IG Metall hatte Anfang des Jahres der Vernichtung von 3500 Arbeitsplätzen beim LKW- und Bushersteller MAN in Deutschland und Österreich zugestimmt. Zudem muss nach dem Kauf des US-Herstellers Navistar auch dort die Eingliederung organisiert werden.
Osterloh wird von der Auflösung von Doppelstrukturen und -kompetenzen, von der Verfolgung von Synergieeffekten usw. schwadronieren. Für die Arbeiter bedeutet das Arbeitsplatzabbau. Mit Traton plant Volkswagen auch in der Lastwagenbranche Weltmarktführer zu werden. Dazu braucht der Konzern Osterlohs „Kompetenz“. Er soll seine Erfahrungen als Betriebsratschef und seine Beziehungen zur IG Metall nutzen, um weitere Tausende Arbeitsplätze zu vernichten.