Aktionskomitees für sichere Bildung und Arbeitsplätze

Arbeiter und Schüler organisieren Onlinetreffen gegen die Durchseuchungspolitik der Regierung

Obwohl sich die Wocheninzidenz der Covid-19-Fälle allein in der letzten Woche um fast 40 Punkte erhöht hat, setzt die herrschende Klasse weiter auf ihre tödliche Öffnungspolitik. Um den Widerstand dagegen zu organisieren und gemeinsame Perspektiven zu diskutieren, trafen sich am letzten Montag das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung und das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze zu einem gemeinsamen Meeting.

In den vergangenen Wochen hatten Intensivmediziner angesichts exponentiell steigender Erkrankungszahlen eindringlich einen „strikten Lockdown“ verlangt. Führende Virologen hatten mit Blick auf fast 80.000 Covid-19-Tote allein in Deutschland die Politik der „Durchseuchung“ und der „Wissenschaftsfeindlichkeit“ beschuldigt und von medialer „Desinformation“ gesprochen. Wie die Virologin Melanie Brinkmann bereits zu Beginn des Jahres warnte, stehen die Leben von bis zu 180.000 Menschen unter 65 Jahren auf dem Spiel.

In dieser explosiven Situation traf die Perspektive eines unabhängigen und international koordinierten Eingreifens von Millionen Menschen gegen die kapitalistische Politik des Todes auf große Resonanz.

„Die Stimmung ist auf Null,“ berichtete etwa Mehmet, ein Arbeiter aus dem Stahlunternehmen Outokumpu: „Während der Aktienkurs vom Einbruch der Produktion in Asien profitiert hat, setzt die Konzernleitung den Personalabbau und die Arbeitsverdichtung weiter fort.“ Zugleich würden Arbeiter gezwungen, unter tödlichen Bedingungen weiterzuarbeiten: „Ein Kollege ist bereits gestorben und viele weitere haben sich infiziert und sind bis heute noch nicht wieder gesund.“

Nun habe es eine Sonderzahlung wegen Covid über 300 Euro gegeben, die allerdings nur an Mitglieder der IG Metall ausgezahlt werde. „Mit der Begründung, dass Kollegen unter Todesgefahr gearbeitet haben, kriegen IG Metall-Mitglieder 300 Euro. Das ist schon menschenverachtend“, kommentierte Mehmet.

Dietmar Gaisenkersting, Bundestagskandidat für die SGP in NRW, griff diese Fragen auf: “Während sich in den Leichenhallen die Särge stapeln, findet an den Börsen eine Bereicherungsorgie statt. Das Vermögen der Milliardäre ist weltweit um 60 Prozent gestiegen. Das sind 5 Billionen Dollar oder 1,3 Mal so viel wie das deutsche BIP von einem Jahr. Diese Bereicherungsorgie erfolgt auf Kosten der Arbeiter, die durch Lohnsenkung, Arbeitsplatzverlust und Sozialkürzungen dafür bezahlen müssen – oder sogar mit ihrem Leben.“

„Das Ganze läuft schon seit einer Ewigkeit so“, stellte Habip fest, ein ehemaliger Bodenarbeiter des WISAG-Konzerns: „Es wird höchste Zeit, dass wir etwas dagegen tun.“ Habip hatte im vergangenen Winter gemeinsam mit hunderten Kollegen der Gewerkschaft Verdi den Rücken gekehrt und sich an Kämpfen gegen die Entlassungs- und Lohnraubpolitik der WISAG-Gruppe beteiligt.

„Die Bodenarbeiter, die am Frankfurter Flughafen mit Protesten und einem Hungerstreik gegen ihre Entlassung kämpfen, sprechen für Millionen Arbeiter auf der ganzen Welt“, erklärte Dietmar Gaisenkersting. Er setzte hinzu: „Die Pandemie zeigt das wahre Gesicht des Kapitalismus. Sie zerstört die Illusion, dass man den Gegensatz zwischen den Klassen versöhnen kann, dass sich die Interessen der Finanzoligarchie und der Arbeiterklasse unter einen Hut bringen lassen. Die Gewerkschaften sorgen als Co-Manager dafür, dass Arbeiter, Lehrer und Angestellte trotz Infektionsgefahr zur Weiterarbeit gezwungen werden, und arbeiten umfassende Pläne für Lohnsenkung und Arbeitsplatzabbau aus.“

Ähnlich bedrohlich sei die Lage in den Schulen, berichtete der Oberstufenschüler Tamino: “Hier in Baden-Württemberg müssen aktuell etwa zwei Drittel aller Klassenstufen in den Präsenzunterricht. Das sind Bedingungen, unter denen selbst simple Schutzmaßnahmen wie ,Abstandhalten’ nicht mehr möglich sind.“ Von einem Schutz vor einer Übertragung durch Aerosole könne erst recht keine Rede sein.

„Wir hatten einen einzigen ,Lockdown’ im März, und der war für zwei Wochen“, berichtete Meret aus Bremen, die kurz vor dem Abitur steht. „Ansonsten waren die Schulen dauerhaft offen.“ Mittlerweile hätten sich mehrere Mitschüler mit der Coronavirus-Mutante B117 infiziert. Sie mussten wochenlang in Quarantäne. Dies, so Meret, habe auch die Angehörigen der Schüler in Gefahr gebracht und dazu geführt, dass ihre Abschlüsse gefährdet sind.

Um die Prüfungen trotzdem stattfinden zu lassen, sei man in den letzten Wochen in den Distanzunterricht übergegangen, „doch es gibt viele Schüler, die so nicht an den Prüfungsvorbereitungen teilnehmen können, weil ihnen die nötige Technik fehlt“. Der erhöhte Druck auf die Schüler habe dazu geführt, dass viele ihr Abitur bereits abgebrochen hätten. „Dass die Schulöffnungen im Namen der Schüler vorgenommen werden, finde ich besonders abstoßend“, sagte Meret – dieser Grund werde „nur vorgeschoben, um ganz klar wirtschaftliche Interessen zu verfolgen“. „Die Idee von einem Generalstreik und einem internationalen Streik ist genau das, was wir brauchen“, schloss sie.

Die internationale Bedeutung des Treffens wurde auch von anderen Teilnehmern hervorgehoben. Florian, ein weiterer Schüler aus Baden-Württemberg, stellte den zunehmenden Impfnationalismus der herrschenden Klasse heraus. Dies habe sich zuletzt in dem regelrechten Impfstoff-Handelskrieg zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britischen Johnson-Regierung über die Lieferung von 21 Millionen Impfdosen gezeigt. Auch die Biden-Administration nutze die Impfkampagne, um Nationalismus zu schüren, während sie die Kriegsvorbereitungen gegen China und Russland verschärfe.

„Die Profitinteressen der einzelnen Kapitalisten verhindern eine zielstrebige und demokratische Verteilung des Impfstoffs“, stellte Florian fest. „Die südliche Hemisphäre hat noch so gut wie keinen Impfstoff erhalten. In Indien, wo derzeit 40 Prozent der täglichen Neuinfektionen gemeldet werden, sind zum Beispiel nur 0,8 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Durch Exportverbote und Patentbeschränkungen wird die Impfstoff-Verteilung sogar noch weiter verschlechtert.“

Unterdessen, so Florian, rüsteten alle Großmächte für neue Kriege – darunter an erster Stelle die USA unter Biden, die eine Stationierung weiterer Atomraketen vor der Küste Japans, Südkoreas und Taiwans anstrebe. „Gegen die ungerechte Verteilung des Impfstoffs, den zunehmenden Nationalismus und die Gefahr eines dritten Weltkriegs kann nur die internationale Arbeiterklasse vorgehen, indem sie mit dem Kapitalismus bricht und die Gesellschaft nach sozialistischen Prinzipien umgestaltet.“

Am deutlichsten kam die internationale Perspektive des Treffens im Bericht des stellvertretenden Vorsitzenden der Socialist Equality Party in Großbritannien, Thomas Scripps, zum Ausdruck, der dort auch die Arbeit der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) leitet. Obwohl in Großbritannien bereits 150.000 Menschen ihr Leben an Covid-19 verloren haben und die Infektionszahlen erst kürzlich gesenkt werden konnten, fährt die britische Tory-Regierung eine brutale Öffnungskampagne: „Johnson versucht diese Öffnungen mit der britischen Impfkampagne zu rechtfertigen, obwohl nur 10 Prozent der Bevölkerung ihre zweite Impfung erhalten haben und besonders ärmere Gegenden komplett ausgelassen wurden.“

Wie Thomas Scripps berichtete, hat die britische Regierung – ebenso wie die deutsche – unter dem Deckmantel sogenannter „Rettungspakete“ den Konzernen und Superreichen Billionen Pfund an Steuergeldern überreicht, die nun wieder aus der Arbeiterklasse herausgepresst werden sollen.

„Jeder zehnte Arbeiter wurde bereits mit einem ‘fire and rehire’-Vertrag konfrontiert, mit dem die Arbeitgeber Entlassungen androhen, um schlechtere Bedingungen durchzusetzen. Die Gewerkschaften stimmten der Rettung der Konzerne zu, während Arbeitern der Lohn um 20 Prozent gekürzt wurde und weitere Millionen Menschen ohne Einkommen blieben. Gerade die Lehrergewerkschaften spielen eine üble Rolle, indem sie die Schulöffnungen stützen und Widerstand dagegen zu unterdrücken versuchen.“

Die dringlichste Aufgabe für Arbeiter bestehe daher darin, für ihr eigenes Programm zu kämpfen: „Die Arbeiterklasse muss die Kontrolle über den Reichtum und die produktiven Ressourcen der Gesellschaft übernehmen und sie einsetzen, um jedes Leben und jedes Auskommen zu verteidigen.“ Der Präsenzunterricht und die nicht lebensnotwendige Produktion müsse gestoppt und gleichzeitig sozial abgesichert werden, bis die Pandemie unter Kontrolle sei, erklärte Scripps.

„Das öffentliche Gesundheitssystem muss ausgebaut und Billionen müssen für ein wirklich globales Impfprogramm bereitgestellt werden. Doch sobald Arbeiter für diese Forderungen kämpfen, werden sie feststellen, dass sie dabei sofort mit den Gewerkschaften konfrontiert sind, die ein solches Programm ablehnen. Sie benötigen daher eigene, unabhängige Aktionskomitees, die von ihnen selbst demokratisch kontrolliert werden – und eine revolutionäre sozialistische Partei, die diese Kämpfe führt.“

Die Teilnehmerin Madeleine aus Cottbus machte in ihrem Beitrag klar, welcher Belastung Millionen Arbeiterfamilien derzeit ausgesetzt sind: „Wir wissen nicht, wo die Reise hingeht, und werden gezwungen, einfach nur zu funktionieren.“ Zu der stets aufrechterhaltenen Arbeitshetze und der Sorge um Einkommen und Arbeitsplätze komme zusätzlich noch die mit digitalem Unterricht verbundene Mehrarbeit und die Gefahr des mutierten Coronavirus in den Schulen. Auf Schüler, die unter schwierigen Bedingungen von zu Hause aus am Unterricht teilnehmen, werde besonders viel Druck ausgeübt. „Das Handeln der Regierung erscheint mir unverständlich und völlig falsch. Eigentlich müssten wir für vier bis acht Wochen alles dicht machen und streiken.“

Der Schüler Joshua beantwortete die Frage nach der scheinbar irrationalen Regierungspolitik mit den Profitinteressen der herrschenden Klasse und ihres Staates: „Das ist ein Grundsatz des Kapitalismus. Er ist darauf ausgerichtet, dass die Produktionsmittel im Besitz einiger Weniger sind. Durch die Ausbeutung der Arbeiter dient die gesamte Wirtschaft letztlich dazu, auf Kosten der Mehrheit den Profit für diese Minderheit zu erwirtschaften.“ Dies habe sich in der Pandemie weiter verschärft. „In einem System, das auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet wäre, hätte man alles getan, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.“

Christoph Vandreier, der Spitzenkandidat der SGP zu den Bundestagswahlen, sprach zu Beginn und am Ende des Treffens über die Bedeutung einer sozialistischen Perspektive im Kampf gegen die Durchseuchungspolitik. „Ein Jahr der Pandemie hat deutlich gemacht, dass der Kapitalismus bankrott und unvereinbar mit den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen ist. Das ist der Grund, weshalb die Herrschenden überall auf der Welt erneut auf Faschismus und Diktatur setzen, um ihre Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen,“ so Vandreier.

„Um die gesellschaftlichen Probleme zu lösen und die Pandemie zu bekämpfen, müssen die großen Banken und Konzerne enteignet und unter demokratische Kontrolle der Bevölkerung gestellt werden. Nur auf der Grundlage einer international, rational und demokratisch geplanten Wirtschaft können die notwendigen Maßnahmen getroffen und ein wirkungsvolles Impfprogramm umgesetzt werden. Ein solches internationales und sozialistisches Programm vertritt die Sozialistische Gleichheitspartei bei den kommenden Bundestagswahlen.“

Die Onlinetreffen des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung finden jeden zweiten Montag um 19:30 statt. Werdet Mitglied unserer Facebook-Gruppe und registriert euch hier für den Aufbau von Aktionskomitees an euren Schulen und Einrichtungen.

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