Der Kommandant der US-Pazifikflotte Admiral John Aquilino erklärte letzte Woche, er betrachte einen Angriff Chinas auf Taiwan als gefährlichsten Krisenherd für einen Krieg in der Indopazifik-Region. Er plädierte daher für eine weitere Stärkung der US-Truppen im Westpazifik, um China zu begegnen. Seine Äußerungen unterstreichen Washingtons zunehmende parteiübergreifende Hetze gegen Peking und die wachsende Gefahr einer Kriegsprovokation, die nicht von China, sondern von der Biden-Regierung ausgeht.
Aquilino traf diese Aussage vor dem Militärausschuss des Senats beim Verfahren zu seiner Bestätigung als Befehlshaber des US Indo-Pacific Command – der größte Kommandobereich des US-Militärs – das zuvor von Admiral Phil Davidson geführt worden war. Er sagte dem Ausschuss, die „größte Sorge ist, dass es zu militärischer Gewalt gegen Taiwan kommt“. Er bezog sich auf die Aussage von Davidson, der vorletzte Woche gewarnt hatte, China könnte innerhalb der nächsten sechs Jahre versuchen, die Insel zu erobern. Er fügte aber hinzu: „Meiner Meinung nach ist dieses Problem viel akuter, als die meisten von uns denken.“
Bezeichnenderweise stimmte Aquilino der Einschätzung von Trumps ehemaligem nationalem Sicherheitsberater H.R. McMaster zu, der gegenüber dem Senatsausschuss im März erklärt hatte, Taiwan sei „heute der wichtigste Krisenherd, an dem ein großer Krieg ausbrechen könnte“. In seiner aggressiven antichinesischen Aussage erklärte McMaster: „China hat eine solche Gelegenheit, aber das Zeitfenster schließt sich.“ In den Monaten zwischen den Olympischen Winterspielen in Peking im nächsten Jahr und dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas später im selben Jahr sei „die Gefahr am größten“.
Diese Äußerungen stellen die Realität auf den Kopf. Nicht Chinas „Aggression“ könnte zu einem verheerenden Atomkrieg zwischen China und den USA führen, sondern vielmehr der unablässig wachsende militärische Aufmarsch der USA in ganz Asien. Zusammen mit den Provokationen der US-Navy im süd- und ostchinesischen Meer und den Handelskriegsmaßnahmen gegen China hat sie die geopolitischen Spannungen dramatisch erhöht. Aquilino, Davidson und McMaster haben allesamt die angebliche Bedrohung Taiwans als Rechtfertigung missbraucht, um eine weitere Erhöhung der Rüstungs- und Militärausgaben für das US Indo-Pacific Command zu fordern.
Die absichtliche Verschärfung der Konfrontation mit China begann unter der Obama-Regierung, deren „Pivot to Asia“ vorsah, bis zum Jahr 2020 60 Prozent der See- und Luftstreitkräfte des Pentagon in der Region zu stationieren. Die Trump-Regierung begann daraufhin faktisch einen Wirtschaftskrieg gegen China, dessen Ziel vor allem darin bestand, das Land an der Entwicklung konkurrenzfähiger Hightech-Produkte zu hindern. Unter Trump wurden außerdem die provokanten Operationen für die „Freiheit der Schifffahrt“ in den von China beanspruchten Gewässern im Südchinesischen Meer verstärkt.
Obwohl Präsident Biden erst seit wenigen Wochen im Amt ist, hat er den Kriegskurs gegen China bereits verschärft. In seiner Pressekonferenz kündigte er am Donnerstag, einen „harten, harten Konkurrenzkampf“ („steep, steep competition“) gegen China an. Er erklärte, seine Regierung werde die Mittel für Forschung und Entwicklung fast verdreifachen, um die Überlegenheit der USA in Hightech-Bereichen zu sichern. Zudem betonte er erneut, China müsse sich an die „internationalen Regeln“ halten – d.h. an diejenigen, die Washington diktiert.
In den letzten zwei Wochen hat Biden den ersten Gipfel der Regierungschefs des Quadrilateralen Sicherheitsdialogs organisiert, ein quasi-militärisches Bündnis bestehend aus den USA, Japan, Australien und Indien gegen China. Zudem hat er Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin nach Japan und Südkorea entsandt, um die Bündnisse mit diesen Ländern gegen China zu festigen. Blinken und der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan trafen sich danach in Alaska zu einem zweitägigen Gipfeltreffen mit ihren chinesischen Amtskollegen, wo sie China in zahlreichen Streitfragen auf provokante Weise attackierten.
Die neue Konzentration militärischer und strategischer US-amerikanischer Kreise auf Taiwan, die in einer Reihe von Kommentaren – darunter jene des prestigeträchtigen Council of Foreign Relations – zum Ausdruck kam, ist besonders gefährlich. Nach der Chinesischen Revolution von 1949 konnte nur eine Intervention der US Navy die Eingliederung Taiwans in die neue Volksrepublik China verhindern. Danach hielten die USA zwei Jahrzehnte lang die Behauptung aufrecht, die Kuomintang-Diktatur unter Chiang Kai-shek sei die legitime Regierung von ganz China, was ihr einen Sitz im UN-Sicherheitsrat verschaffte.
Dieser Zustand änderte sich plötzlich im Jahr 1972, als sich US-Präsident Nixon China annäherte, um gemeinsam gegen die Sowjetunion vorzugehen. Taiwan entwickelte sich zum größten Hindernis für die Aufnahme formeller diplomatischer Beziehungen, die erst 1979 zustande kamen, nachdem Washington Peking statt Taipeh zur legitimen Regierung von ganz China (einschließlich Taiwans) erklärte. Der Kongress verabschiedete jedoch im gleichen Jahr den Taiwan Act, durch den sich die USA dazu verpflichteten, Taiwan mit Waffen zu versorgen und gegen angebliche Aggressionen Chinas zu verteidigen.
Diese hochgradig widersprüchliche Haltung, die in Washington als „strategische Zweideutigkeit“ bekannt ist, war nur aufrechtzuerhalten, weil die USA die formellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und den Kontakt zu taiwanesischen Regierungsvertretern sowie die Waffenverkäufe stark eingeschränkt hatten. Die Spannungen in der schmalen Taiwanstraße zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan, die in der Vergangenheit mehrfach aufgeflammt waren, wurden entschärft.
In den letzten zehn Jahren hat jedoch das Vorgehen der USA, vor allem das der Trump-Regierung, die inhärent instabilen und hochbrisanten Angelegenheiten rund um den Status von Taiwan destabilisiert. Trump hatte gedroht, die Ein-China-Politik zu beenden, wenn China keine wirtschaftlichen Zugeständnisse macht. Er verstärkte die Waffenexporte an Taiwan deutlich und schickte zusätzliche US-Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In den letzten Tagen der Trump-Regierung schaffte Außenminister Mike Pompeo alle Einschränkung für den Kontakt zwischen zivilen und militärischen Vertretern der US- und der taiwanesischen Regierung ab. In einem wichtigen symbolischen Schritt wurde der taiwanesische de-facto-Botschafter in den USA erstmals zu Bidens Amtseinführung eingeladen. Die neue Regierung verdeutlichte damit, dass sie die bisherige Politik beibehalten wird.
China reagierte darauf wie zu erwarten mit Protest. Es bekräftigte seine früheren Erklärungen, Taiwan sei Teil von China und führte Militärübungen in der Nähe von Taiwan durch. Diese „Aggression“ benutzt der US-Imperialismus jetzt als Vorwand für eine weitere militärische Expansion entlang der so genannten ersten Inselkette unmittelbar vor dem chinesischen Festland, zu der Taiwan gehört, sowie für eine umfassendere Aufrüstung in der Region.
In seiner Bestätigungsanhörung begrüßte Aquilino Taiwans Vorhaben, eigene Raketen zu entwickeln. Am Donnerstag hatte der taiwanesische Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng erklärt, das Land habe die Massenproduktion von Langstreckenraketen aufgenommen – also Offensivwaffen, mit denen es das chinesische Festland angreifen kann. Das Raketenprogramm entwickelt drei weitere Modelle als „Priorität“.
Am gleichen Tag unterzeichneten Taiwan und die USA das erste gemeinsame Abkommen unter der Biden-Regierung, durch das eine gemeinsame „Arbeitsgruppe Küstenschutz“ geschaffen wurde. Diese soll die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bei der maritimen Sicherheit gewährleisten. Der Vorwand für diese Entscheidung war, dass der Nationale Volkskongress in Peking der chinesischen Küstenwache vor Kurzem neue Befugnisse zum Einsatz von Gewalt verliehen hatte. Taiwan baut seine eigene bewaffnete Küstenwache aus, die im Kriegsfall der Marine unterstellt werden kann.
Der tiefere Grund für die zunehmenden Spannungen um Taiwan ist die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Insel, die etwa 150 Kilometer vom chinesischen Festland entfernt liegt. US-General Douglas MacArthur bezeichnete sie Anfang der 1950er als „unversenkbaren Flugzeugträger“, d.h. als ein wichtiges militärisches Asset. Mehrere von Taiwan kontrollierte und allesamt schwer befestigte Inseln liegen nur wenige Kilometer vor der chinesischen Küste. Peking würde jeden Versuch der USA, militärische Beziehungen zu Taiwan oder eine Militärpräsenz aufzubauen, als schwere Bedrohung seiner Sicherheit betrachten. Wirtschaftlich spielt Taiwan eine zentrale und hochgradig sensible Rolle in der weltweiten Halbleiterproduktion.
Indem die Biden-Regierung die Spannungen mit China wegen Taiwan erhöht, verschärft sie die Lage in einem Bereich, der zu Recht als der gefährlichste Krisenherd in Asien gilt. Die Folge könnte ein katastrophaler Krieg zwischen den USA und China sein, in den die ganze Welt mit hineingezogen werden könnte.