Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, steigt die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit Covid-19 weltweit seit fünf Wochen ununterbrochen an. Zuvor war sie nach der Welle im Winter sieben Wochen lang stetig gesunken.
In der Woche ab dem 15. März gab es weltweit 3,28 Millionen neue Fälle. Einen Monat zuvor, in der Woche ab dem 15. Februar, waren es nur 2,49 Millionen neue Infektionen. Dieser Anstieg entspricht einer weltweiten Zunahme der Fälle um 100.000 pro Tag.
In fünf von sechs Regionen der Welt – dem amerikanischen Doppelkontinent, Südostasien, dem östlichen Mittelmeer und dem Westpazifik – sind die Infektionszahlen gestiegen. Auf dem afrikanischen Kontinent stagniert die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf hohem Niveau.
Kurz gesagt, die Frühjahrswelle ist bereits angelaufen.
Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass die wöchentliche Zahl der Todesfälle durch Covid-19 nicht mehr zurückgeht, sondern steigt. Nach einem Tiefpunkt von weltweit 59.000 Toten pro Woche ab dem 8. März ist die Zahl in der Woche ab dem 15. März auf über 60.000 angestiegen und nimmt weiter zu. Die WHO hat bestätigt, dass seit Beginn der Pandemie vor etwas mehr als einem Jahr mehr als 22,5 Millionen Menschen an Covid-19 erkrankt und mehr als 2,7 Millionen gestorben sind.
Abgesehen von Krankheit und Tod hat die Pandemie zu einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen geführt. Dadurch drohen Hunderten Millionen Menschen Hunger und Obdachlosigkeit. Im Februar erschien in Science Advances ein Bericht, laut dem es zu erschütternden Einkommensverlusten gekommen ist. In neun Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika verzeichneten 70 Prozent der Haushalte finanzielle Verluste, sodass Millionen Menschen gezwungen sind, weniger zu essen oder Mahlzeiten ganz auszulassen.
Der Ökonom Edward Miguel von der Universität von Kalifornien in Berkeley erklärte: „In den ersten Monaten der Pandemie war der Wirtschaftsabschwung in den Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen mit Sicherheit schlimmer als in jeder anderen bekannten Wirtschaftskrise der jüngeren Zeit, einschließlich der Asienkrise der 1990er, der Großen Rezession im Jahr 2008 oder der Ebola-Krise in jüngerer Vergangenheit. Die wirtschaftlichen Kosten waren einfach nur absolut brutal.“
Der Impfstoffnationalismus hat die Pandemie noch weiter verschlimmert. Bis zum 21. März wurden weltweit fast 440 Millionen Dosen Covid-19-Impfstoff verabreicht, d.h. 5,7 Dosen pro 100 Personen. Allerdings gestaltete sich die Verteilung dieser lebensrettenden Medikamente ungerecht und chaotisch.
Der Löwenanteil der Impfstoffe – 124,5 Millionen Dosen bzw. 28 Prozent der weltweit verimpften Dosen – wurde in den USA verabreicht, obwohl diese nur 4,25 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen.
Insgesamt haben in den USA 38 Prozent der Bevölkerung eine erste Impfung erhalten, der Sieben-Tages-Durchschnitt liegt bei etwa 2,6 Millionen pro Tag.
In Europa haben nur 13 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Dosis erhalten. Hier gab es Probleme mit der Produktion und Verteilung und vor Kurzem außerdem Bedenken hinsichtlich der Sicherheit des Impfstoffs von AstraZeneca.
Laut aktuellen Berechnungen hat ein Großteil der Welt noch keinen Impfstoff erhalten und wird ihn vermutlich auch bis weit ins nächste Jahr nicht bekommen. Laut der New York Times gingen 90 Prozent aller bisher ausgelieferten Impfstoffdosen an reiche Länder und Länder mit mittlerem Einkommen.
Niedriglohnländer haben die WHO um Hilfe bei der Beschaffung dieser lebensrettenden Impfstoffe und wissenschaftliche und technologische Unterstützung beim Aufbau der Herstellungskapazitäten in den eigenen Ländern gebeten. Die USA, Großbritannien und die EU haben solche Maßnahmen jedoch abgelehnt.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, warnte, sie sei bereit zur Einführung von Notfallkontrollen bei der Produktion und Verteilung der Covid-19-Impfstoffe. So solle sichergestellt werden, dass die europäische Bevölkerung so schnell wie möglich geimpft wird. Sie drohte sogar mit der Anwendung von Artikel 122 des Lissabon-Vertrags der EU, der ihr Notfallmaßnahmen zur Sicherung der notwendigen Impfstoffbestände erlaubt. Dieser Schritt würde die Impfstoffknappheit erhöhen und die Verteilung noch ungleicher machen, als sie es ohnehin schon ist.
US-Präsident Joe Biden hat mehrfach erklärt, er werde die amerikanische Bevölkerung zuerst impfen lassen. Vor Kurzem erklärte er: „Wir werden damit beginnen, dass die Amerikaner als erste versorgt werden... Aber dann werden wir versuchen, dem Rest der Welt zu helfen.“
Der zweite Teil seiner Erklärung ist nur diplomatisches Gerede. Die USA werden ihre Machtposition in Bezug auf das geistige Eigentum an den Impfstoffen und dessen Produktion als Druckmittel benutzen, um die geopolitischen und Profitinteressen der amerikanischen Wirtschaftselite sowohl gegen ihre Gegner als auch gegen ihre nominellen Verbündeten durchzusetzen. Vor allem werden sie sie im Rahmen ihrer aggressiven Politik gegen China und Russland einsetzen und für ihre Forderung an die europäischen und asiatischen „Verbündeten“, sich ihren Bestrebungen zum Erhalt der globalen Hegemonie der USA anzuschließen.
Die Pandemie ist zu einer Waffe in den Händen der herrschenden Eliten geworden. Derzeit ist Brasilien das Epizentrum der Pandemie. Der faschistische Präsident Jair Bolsonaro führt praktisch einen Laborversuch durch: Er lässt die gefährliche Variante P1 ungehindert im Land wüten und erklärt der Bevölkerung, sie solle aufhören, wegen Covid-19 „rumzujammern.“
In Brasilien gibt es insgesamt 12 Millionen Fälle von Covid-19 und bald 300.000 Tote; 100.000 davon sind seit Beginn des Jahres 2021 gestorben. Die offizielle Zahl von mehr als 2.700 Toten pro Tag ist in Wirklichkeit viel zu niedrig angesetzt. Viele Menschen sterben zu Hause, weil angesichts des enormen Ausmaßes an Covid-19-Patienten die Gesundheitssysteme zusammenbrechen. Die Oswaldo Cruz Foundation (Fiocruz), die Studien über die öffentliche Gesundheit erstellt, warnte: „Brasilien erlebt einen historischen Zusammenbruch seiner Gesundheitsversorgung, die Intensivstationen in den Krankenhäusern haben so gut wie keine Kapazitäten mehr.“
Indien befindet sich im Anfangsstadium der zweiten Welle. Die Fallzahlen steigen rapide, da neue und noch ansteckendere Virenstämme auftauchen. Am Samstag wurden mehr als 47.000 neue Covid-19-Fälle gemeldet, was nahezu eine Verfünffachung innerhalb eines Monats bedeutet. Gleichzeitig stieg auch die Zahl der täglichen Todesfälle. In 29 der 36 indischen Bundesstaaten ist die Zahl der aktiven Fälle angestiegen. Landesweit wurden 400 ansteckendere Varianten entdeckt, davon 158 innerhalb der letzten zwei Wochen.
In Europa haben mehrere Länder angesichts des beginnenden Frühjahrsanstiegs, der teilweise auf die Variante B117 zurückgeht, neue Einschränkungen beschlossen.
Der französische Premierminister Jean Castex verhängte angesichts der steigenden Infektionszahlen für knapp ein Drittel der Bevölkerung – etwa 21 Millionen Menschen in 16 Regionen des Landes, darunter Paris – einen Lockdown. Letzte Woche überstieg die Zahl der Intensivpflegepatienten die Marke von 4.200; das ist der bisher höchste Wert seit November. Täglich infizieren sich mehr als 35.000 Menschen mit Covid-19.
In Deutschland steigt der Sieben-Tages-Durchschnitt wieder an, derzeit liegt er bereits bei über 12.000 Fällen pro Tag. Auch die Zahl der Todesfälle sinkt nicht mehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte in einer Pressekonferenz, die Regierung werde vermutlich die „Notbremse“ ziehen und erneut Lockdown-Maßnahmen verhängen. Bundesgesundheitsminister Spahn erklärte, in Europa gäbe es nicht genug Impfstoff, um die Fallzahlen deutlich zu senken.
Polen und die Ukraine haben erneut Lockdown-Maßnahmen eingeführt, weil sich die Zahl der Neuinfektionen wieder dem bisherigen Höhepunkt von November nähert. Die Gesundheitssysteme geraten erneut an ihre Grenzen.
Die Tschechische Republik, wo die Fallzahlen zurückgehen, meldet zahlreiche Fälle von Multisystemischem Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C). Ohne eine angemessene Behandlung kann diese Krankheit zu schweren Organschäden und sogar zu tödlichem Organversagen führen. Zudem verschärfen die wiederholte Verhängung und Aufhebung von Einschränkungen die sozialen Spannungen. In mehreren europäischen Städten, u.a. in Amsterdam, kam es zu Demonstrationen gegen die Einschränkungen wegen des Corona-Virus.
Die USA befinden sich weiterhin in einer prekären Lage; der tägliche Anstieg der Fallzahlen hat sich bei etwa 55.000 stabilisiert. Die Zahl der Todesfälle pro Tag sinkt zwar, doch der gleitende Mittelwert über sieben Tage liegt noch immer bei über 1.000. Mehrere Regionen des Landes verzeichnen jedoch einen neuen Anstieg der Fallzahlen, obwohl die Biden-Regierung sich mit dem „Erfolg“ der Impfkampagne rühmt.
Im Bundesstaat New York liegt der gleitende Mittelwert über sieben Tage seit einem Monat bei über 7.000 pro Tag; die Positivrate ist seit Monaten nicht unter sechs Prozent gesunken.
In New Jersey steigen die Fallzahlen seit dem 25. Februar stetig an. In Rhode Island steigen sie langsam, und in Massachusetts liegen sie stabil bei etwa 1.600 Fällen pro Tag. Florida bleibt konstant bei 5.000 Fällen pro Tag. In Michigan steigen die Fallzahlen jedoch dramatisch an.
Viele Gesundheitsexperten warnen, dass es in den USA ohne Sicherheits- und Eindämmungsmaßnahmen zu einem deutlichen Wiederanstieg der Fallzahlen kommen könnte, selbst wenn die Impfkampagne fortgesetzt wird. Bilder von Urlaubern und Spring-Break-Gästen in Miami Beach vom Wochenende geben Anlass zu großer Sorge, dass die Situation noch gefährlicher werden könnte.