Wie RIO den Kampf gegen die Pandemie sabotiert

Die pseudolinke Tendenz RIO (Revolutionäre Internationalistische Organisation), die im Umfeld der Linkspartei und der Gewerkschaften agiert, spielt eine besonders üble Rolle dabei, den Kampf gegen die Pandemie zu sabotieren. RIO ist der deutsche Ableger der morenistischen „Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale“ (FT-CI).

In einer Erklärung mit dem Titel „#ZeroCovid: Was sind die Aufgaben der Linken und der Arbeiter:innenklasse?“ heuchelt die Redaktion von Klasse gegen Klasse, der Onlinepublikation von RIO, Unterstützung für #ZeroCovid. Es müsse „ein politisches Ziel sein, die Ansteckungen auf Null zu reduzieren und die Pandemie auszurotten“. Das ganze Statement ist jedoch darauf ausgerichtet, Arbeiter und Jugendliche auf die Gewerkschaften und die etablierten Parteien zu orientieren, die die offizielle Durchseuchungspolitik organisieren und für das Massensterben verantwortlich sind.

Die World Socialist Web Site hat die #ZeroCovid-Intiative als Ausdruck der wachsenden Opposition gegen die offizielle „Profite vor Leben“-Politik gewertet, die in ganz Europa bereits mehr als 750.000 Menschen den Tod gebracht hat. Die Petition, die mittlerweile von über 100.000 Menschen unterzeichnet wurde, orientiert sich am Aufruf, den im Dezember mehrere hundert renommierte Wissenschaftler im medizinischen Fachblatt The Lancet veröffentlicht hatten. Sie fordert „einen solidarischen europäischen Shutdown“.

Unser Kommentar zur Petition erklärt, dass die in der Petition erhobenen Forderungen nur durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms verwirklicht werden können. Die Sozialistische Gleichheitspartei und die WSWS kämpfen deshalb für den Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees in den Betrieben und den Schulen, die Sicherheitsmaßnahmen gegen das Virus in die eigene Hand nehmen und einen Generalstreik zur Schließung der Schulen und nicht lebensnotwendigen Betriebe organisieren.

Gleichzeitig betonen wir, dass der Kampf für eine solche Offensive einen Bruch mit den Elementen in der Kampagne erfordert, „die gezielt daran arbeiten, die wachsende Opposition gegen die Regierungspolitik aufzufangen, um sie wirkungslos verpuffen zu lassen“.

RIO ist eine der korruptesten Tendenzen, die eine solche Rolle spielen. Wenn sie zum „Aufbau von Komitees gegen Pandemie und Krise“ aufruft und von einem „Notfallprogramm der Arbeiter:innenklasse“ und „der Perspektive eines Generalstreiks“ spricht, „damit nicht wir, sondern die Kapitalist:innen die Krise bezahlen“, ist das ein politischer Betrug. RIO und ihre Verbündeten kämpfen nicht für die unabhängige, revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse, sondern für ihre Unterordnung unter die Gewerkschaften und bürgerlichen Parteien und damit die kapitalistische Todespolitik.

Im Statement von Klasse gegen Klasse heißt es: „Nur wenn wir uns an der Basis organisieren, um den bürokratischen Führungen der Gewerkschaften und den reformistischen Parteien einen Kampfplan in der Perspektive eines Generalstreiks gegen Pandemie und Krise aufzuzwingen, kann es einen progressiven Ausweg geben.“ Und weiter: „Dazu möchten wir alle linken, sozialen und gewerkschaftlichen Organisationen zu einer Debatte einladen... Insbesondere richten wir diesen Vorschlag auch an die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) und die in ihr aktiven Gruppen.“

Die Behauptung, dass SPD, Linkspartei, Grüne und die Gewerkschaften unter dem Druck „der Basis“ zum Ausgangspunkt für einen Generalstreik und eine fortschrittliche Lösung der Krise werden könnten, ist absurd. Es handelt sich nicht um reformistische Kräfte, die in einem beschränkten Sinne die unmittelbaren Interessen der Arbeiter vertreten würden, sondern um rechte bürgerliche Organisationen und Apparate, die einzig und allein den Zielen des deutschen Kapitalismus und Imperialismus dienen.

Im Jahr der Pandemie hat sich das besonders deutlich gezeigt. Linkspartei und Grüne haben Ende März 2020 für die vom sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz geschnürten „Corona-Notpakete“ gestimmt, die vor allem der Finanzoligarchie, den Großkonzernen und dem Militär zugutekamen. Seitdem stehen die von Rot-Rot-Grün geführten Bundesländer an der Spitze der Öffnungspolitik, um die riesigen Summen wieder aus der Bevölkerung herauszupressen. Entgegen der Warnungen der Wissenschaft halten sie die Betriebe offen und zwingen Lehrer und Schüler nun zurück in den Präsenzunterricht.

Dieselbe reaktionäre Rolle spielen die Gewerkschaften. Sie haben ebenfalls die deutschen und europäischen Rettungspakete für die Banken unterstützt und organisieren nun erneut die Rückkehr an die Schulen. In den Betrieben fungieren sie als eine Art Polizei, die Arbeiter trotz Masseninfektionen zur Arbeit zwingt und im Interesse der Unternehmen den Arbeitsplatz- und Lohnabbau organisiert. Einen umfassenden Lockdown zur Eindämmung der Pandemie, wie er von der #ZeroCovid-Initiative gefordert wird, lehnen sie kategorisch ab.

Wenn Klasse gegen Klasse an diese Kräfte appelliert, ist das kein Versehen, sondern das Ergebnis ihrer eigenen Klassenorientierung und politischen Physiognomie und Geschichte. Die FT-CI, der RIO seit 2011 angehört, ist trotz ihres Namens keine trotzkistische Tendenz. Sie steht in der Tradition des argentinischen Pablisten Nahuel Moreno, der für die Liquidierung der Vierten Internationale in Lateinamerika eintrat und die Arbeiterklasse bürgerlichen und kleinbürgerlichen Nationalisten unterordnete – von Juan Peron in Argentinien bis zu Fidel Castro in Kuba. Im Kern ist der Morenismus bürgerliche Politik, garniert mit pseudomarxistischer Rhetorik.

Die Politik von RIO steht in dieser Tradition. Obwohl sie, anders als andere pseudolinke Tendenzen wie Marx21 und die SAV, formal außerhalb der Linkspartei steht, ist sie Teil des rot-rot-grün gewerkschaftlichen Milieus. Ihr wohl bekanntester Vertreter Wladek (alias Nathaniel) Flakin schreibt regelmäßig für die Linksparteiblätter Junge Welt und Neues Deutschland. Die Gewerkschaftsinitiativen, die RIO unterstützt, sind keine unabhängigen Strukturen, sondern Teil des offiziellen Gewerkschaftsapparats und darauf ausgerichtet, die wachsende Radikalisierung von Arbeitern und Jugendlichen aufzufangen und zu unterdrücken.

Ein Paradebeispiel ist die „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“, an die sich RIO und Klasse gegen Klasse in ihrer Erklärung „insbesondere richten“. Die VKG ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher gewerkschaftlicher Strukturen und wird von abgehalfterten pseudolinken und stalinistischen Bürokraten und Vertretern der Linkspartei geführt.

Zu den Gründungsorganisationen gehören u.a. die Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF) und das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische Verdi. Sprecher sind die ehemalige Daimler-Betriebsrätin Christa Hourani (DKP), Angelika Teweleit von der SAV-Abspaltung Sozialistische Organisation Solidarität (Sol) und Angela Bankert (SAV), die sich aktuell für den Listenplatz 1 auf der Landesliste NRW der Linkspartei für die Bundestagswahl bewirbt.

Wo RIO und die von ihr gefeierten „linken“ Gewerkschaften im Klassenkampf und im Kampf gegen die Pandemie stehen, wird vor allem auch international deutlich. In Chicago hat sich die Führung der Chicago Teachers Union (CTU) in der vergangenen Woche mit der Schulbehörde der amerikanischen Millionenmetropole und der demokratischen Bürgermeisterin, Lori Lightfoot, trotz der grassierenden Pandemie auf einen Plan zur schrittweisen Wiederöffnung der Schulen geeinigt. Die amerikanische Schwesterorganisation von RIO, Left Voice, lobt die CTU in einem Statement über den grünen Klee und feiert den tödlichen Deal als „einen besonders wichtigen Sieg“.

In Spanien tritt die Gruppierung der FT-CI, Corriente Revolucionaria de Trabajadores y Trabajadoras (CRT), ganz offen gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf. Artikel ihrer Online-Publikation Izquierda Diario verurteilen selbst die begrenzten Lockdowns, die von Spaniens Zentral- und Regionalregierungen verhängt wurden und bei weitem nicht ausreichen, um das Virus zu besiegen, als inakzeptablen Angriff auf demokratische Rechte.

In einem Artikel vom 20. Januar mit dem sarkastischen Titel „Mehr Restriktionen, das Rezept für die Konfrontation mit der dritten Welle“ schreibt die CRT etwa: „Als ob es ein Wasserhahn wäre, schränken sie [die PSOE-Podemos-Regierung] unsere Freiheiten und Bewegungen nach ihrem Willen ein… Wieder einmal werden wir in ein Leben von zu Hause zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause gezwungen.“

Das kann nur eine Tendenz schreiben, die für die Gesundheit und das Leben von Millionen von Arbeitern und ihren Familien Verachtung übrig hat. Während Wissenschaftler davor warnen, dass Schulöffnungen bei den derzeitigen Inzidenzwerten und Virus-Mutationen allein in Deutschland hunderttausende zusätzliche Tote zur Folge haben könnten, hetzen die Morenisten im Stile rechter „Liberaler“ gegen die Corona-Maßnahmen und denunzieren sie als „autoritäre Maßnahmen“.

Dass die FT-CI in Deutschland Unterstützung für #ZeroCovid und einen europäischen Lockdown heuchelt und sich gleichzeitig in Spanien explizit dagegen ausspricht, unterstreicht den Nationalismus der Morenisten. Sie artikulieren nicht die Interessen der internationalen Arbeiterklasse, sondern diejenigen wohlhabender und selbstsüchtiger Mittelschichten, die unter Bedingungen der kapitalistischen Krise scharf nach rechts rücken und dabei vor allem eine revolutionäre Bewegung der Arbeiter fürchten. Im Kampf um die Eindämmung der Pandemie stehen sie wie im Kampf gegen soziale Angriffe, Faschismus, Militarismus und Polizeistaatsaufrüstung auf der anderen Seite der Barrikaden.

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