Am Montag stieg die offizielle Zahl der Covid-19-Todesfälle in Deutschland auf 61.675 und der DAX erreichte mit 14.169 Punkten einen neuen Rekord. Der parallele Anstieg von Todeszahlen und Aktienkursen zeigt, dass die Pandemie für die großen Banken, Hedgefonds und Konzerne ein gutes Geschäft ist.
Das liegt zum einen daran, dass die Regierungen in Bund und Ländern Gesundheit und Leben der arbeitenden Bevölkerung den Gewinninteressen der Konzerne und ihrer Aktionäre unterordnen und hunderte Milliarden in die Wirtschaft pumpen, die vor allem den Finanzmärkten und den größten Konzernen zugutekommen.
Zum andern nutzen Großunternehmen die Pandemie, um seit langem geplante Rationalisierungsmaßnahmen zu verwirklichen und hunderttausende Arbeitsplätze zu vernichten, während kleinere Unternehmen nicht die Unterstützung bekommen, um ihre Beschäftigten zu halten. Inzwischen vergeht kein Tag, an dem kein Konzern oder Unternehmen den Abbau von Arbeitsplätzen und die Schließung von Werken und Filialen ankündigt.
Die Betroffenen stehen dabei nicht nur den Konzernen gegenüber, sondern auch den Gewerkschaften und ihren Vertretern im Betrieb. Diese sehen ihre Aufgabe darin, die Gewinne aufrecht zu erhalten und die Belegschaften mit ihren Arbeitsplätzen und Löhnen dafür zahlen zu lassen. Sie stellen niemals das Prinzip in Frage, dass die Rendite stimmen muss, koste es was es wolle. Die Gewerkschaften unterhalten einen riesigen Apparat, um diesem Prinzip Geltung zu verschaffen.
Exemplarisch zeigt dies die IG Metall, die sich gerne als größte Einzelgewerkschaft der Welt bezeichnet. Sie hat noch rund 2,2 Millionen Mitglieder, ein Fünftel weniger als vor 20 Jahren. Der Mitgliederverlust spricht Bände über den Charakter der Gewerkschaft. Denn diese ist nicht ihren Mitgliedern verpflichtet.
Von den 591 Millionen Euro Mitgliedsbeiträgen, die die IG Metall im letzten Jahr kassierte, gab sie gerade 25 Millionen für Leistungen wie Streikgeld und Rechtsschutz aus, das sind etwa 4 Prozent der Gesamteinnahmen. Der größte Teil der Beitragseinnahmen, 216 Millionen Euro, floss in den Funktionärsapparat und die Geschäftsstellen. Weitere 89 Millionen Euro hat sich die Gewerkschaft für schlechtere Zeiten zurückgelegt, dieses Geld „arbeitet“ für die IGM im Verborgenen. 31 Millionen hat sie für die meist feuchtfröhliche Fortbildung ihrer betrieblichen Vertreter und Funktionäre ausgegeben.
Die gelegentlichen Proteste, mit denen die IG Metall versucht, ihren wirklichen Daseinszweck zu vertuschen, sind kläglich: im Maximalfall zahnlose Trillerpfeifenproteste, Unterschriftenaktionen, Appelle an die Regierenden. Und während sie so einen „Kampf“ simuliert, arbeitet sie hinter den Kulissen mit den Konzernspitzen die Pläne aus, wie die Angriffe möglichst reibungslos umgesetzt werden können: Sozialpläne, die die Arbeitsplätze mittels Fluktuation, Frühverrentung und Altersteilzeit, erzwungenen Abfindungen und Transfergesellschaften vernichten.
Hunderttausende relativ gut bezahlte Arbeitsplätze sind so in den letzten beiden Jahrzehnten vernichtet worden. Entstanden sind dafür Jobs, in denen die Beschäftigten weder einen sicheren und noch einen auskömmlichen Lohn erhalten.
Nun läuten die Konzerne unter Ausnutzung der Corona-Pandemie die nächste Runde des Kahlschlags ein. In den Medien wird darüber kaum berichtet. Man muss die Wirtschaftspresse und die Lokalzeitungen durchsuchen, um sich einen – unvollständigen – Überblick zu verschaffen. Wir haben hier einige der jüngsten Meldungen zusammengestellt.
- Bei den Zulieferern der Luftfahrtindustrie sind etwa 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr, davon rund 6300 in Norddeutschland. Das geht aus einer Umfrage hervor, die die IG Metall Mitte Dezember unter Betriebsräten durchführte. Die Unternehmen melden 2020 einen pandemiebedingten Umsatzrückgang von 45 Prozent und sehen auch in diesem Jahr keine Besserung. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, so die IG Metall, hätten häufig weniger Kraft, die Krise zu überstehen.
- Der IT-Konzern IBM plant in Deutschland fast 1000 Kündigungen. Als Begründung dient der „Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und eine Neuausrichtung der Organisation und der Skills“. Bereits im Oktober letzten Jahres hatte das Handelsblatt berichtet, dass 2300 Stellen in Deutschland wegfallen sollen. Einen Monat später hieß es, in Europa seien insgesamt 8000 bis 10.000 Kündigungen geplant. IBM ist mit der Gewerkschaft Verdi in Verhandlungen über Sozialpläne.
- Die Deutschen Edelstahlwerke (DEW), die mit Standorten in Witten, Krefeld, Siegen, Hagen und Hattingen zur Swiss Steel Group gehören, drohen mit Werksschließungen, wenn die Arbeiter nicht zu Einschränkungen beim Gehalt bereit sind. Die IG Metall hat einen „Rekonstruktionstarifvertrag“ vereinbart, der „zur Rettung des kriselnden Unternehmens“ bis 2024 den Abbau von 400 Stellen und in diesem und im nächsten Jahr den Wegfall des Urlaubs- und der Hälfte des Weihnachtsgelds vorsieht. Die Stahlwerker hatten schon 2020 auf 40 Prozent des Weihnachtsgeldes verzichtet.
- Der Chemie-Konzern BASF will bis 2022 rund 2000 Jobs bei seinen „Global Business Services“ streichen, um Kosten einzusparen. Im Stammsitz in Ludwigshafen sollen knapp 600 Arbeiter ihren Job verlieren. Der Abbau beginnt nächsten Monat. Die IGBCE unterstützt dies mit dem üblichen Vorbehalt, dass der Abbau ohne „betriebsbedingte Kündigungen“ vonstattengeht.
- Der Industrie- und Automobilzulieferer Schaeffler hat im vergangenen September angekündigt, hauptsächlich in Deutschland 4400 Arbeitsplätze an 17 Standorten abzubauen. Sechs Standorte sollen geschlossen, viele Arbeitsplätze verlagert, Unternehmensteile verkauft werden. Der Konzern will so ab 2023 jährlich 250 bis 300 Millionen Euro einsparen. Letzte Woche haben IG Metall und Betriebsrat der Unternehmensleitung in Schweinfurt ein gewerkschaftliches „Alternativkonzept“ für die Umstrukturierung präsentiert.
- Das bayerische Unternehmen Lingl, das unter anderem Ziegeleien ausrüstet, wird nach Angaben der IG Metall ein Drittel seiner aktuell 400 Beschäftigten entlassen. Das hat die Gewerkschaft nach wochenlangen Gesprächen mit dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat vereinbart. Die entlassenen Arbeiter werden in eine Transfergesellschaft verschoben. 40 der betroffenen Arbeiter gehen frühzeitig in Rente.
- Der österreichische Mayr-Melnhof Konzern mit Hauptsitz in Wien will seinen kleinen deutschen Standort der R+S Stanzformen GmbH im hessischen Niederdorfelden mit 80 Beschäftigten bereits Ende März schließen. Am 31. Januar erhielten auch rund 90 Arbeiter des Kranherstellers Tadano im pfälzischen Zweibrücken ihre Kündigungen.
- Die Deutsche Bank will noch in diesem Jahr jede fünfte Geschäftsstelle, 100 ihrer 500 Filialen, in Deutschland schließen. Wie viele Jobs das kosten wird, ist noch nicht mit Verdi ausgehandelt.
- Die Parfümeriekette Douglas schließt europaweit 500 der bislang 2400 Parfümerien. Rund 2500 Beschäftigte verlieren ihren Job. Betroffen sind vor allem Geschäfte in Italien und Spanien. Hierzulande will Deutschlands größte Parfümeriekette fast jede siebte Filiale schließen, das wären rund 60 der mehr als 430 Filialen. Etwa 600 der gut 5200 Angestellten in den deutschen Geschäften verlieren ihre Arbeitsplätze. Douglas-Chefin Tina Müller machte die Verlagerung in den Onlinehandel verantwortlich. Damit verdient die Kette allerdings gut. Trotz geschlossener Läden sank der Umsatz nur um 6,4 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Doch der Gewinn brach ein, so dass nun dafür die Beschäftigten mit ihren Arbeitsplätzen zahlen.
- Auch die schwedische Modekette Hennes & Mauritz (H & M) will allein in Deutschland rund 800 Arbeitsplätze abbauen. Vorrangig sollen junge Mütter in den Filialen gekündigt werden, weil die Laufkundschaft und Hauptumsatzquoten in den Abendstunden und an den Samstagen liegen. Zu diesen Arbeitszeiten können junge Mütter aber seltener eingeteilt werden. Zudem würden immer mehr Kunden auf den Onlinehandel ausweichen.
- Siemens Energy hatte erst vor kurzem den Abbau von 7800 Arbeitsplätzen angekündigt. Die IG Metall unterstützt die Pläne im Namen der Kostensenkung und hat gemeinsam mit Konzernvorstand und Betriebsrat die „Zukunftsvereinbarung 2030“ vorgelegt, um einen reibungslosen Abbau der Arbeitsplätze zu regeln. Nun ist bekannt geworden, dass allein im Gasturbinenwerk Berlin 700 von 3700 Stellen verloren gehen sollen. Die IGM hatte in den Jahren zuvor zahlreiche Zugeständnisse gemacht, um angeblich den Standort zu sichern.
- Über den Abbau zehntausender Arbeitsplätze bei Ford, Daimler, beim Maschinenbauer Heller, bei Airbus, der Commerzbank, MAN Truck & Bus und den Adler-Modemärkten hat die WSWS in früheren Artikeln berichtet.
Um diese Angriffe erfolgreich abzuwehren und Löhne wie Arbeitsplätze zu verteidigen, sind Aktionskomitees notwendig, die sich unabhängig von den Gewerkschaften und den Bundestagsparteien organisieren. Alle, die nicht bereit sind, die von den Gewerkschaften und ihren Vertretern in den Unternehmen ausgehandelten Angriffe hinzunehmen, rufen wir auf, dem „Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze“ auf Facebook beizutreten.