Die Corona-Pandemie nimmt in der Tschechischen Republik immer dramatischere Ausmaße an. Landesweit werden im Schnitt täglich 9000 Neuinfektionen gemeldet und rund 400 Menschen aufgrund von Covid-19 in Krankenhäuser eingeliefert. Die Kliniken im Westen des Landes sind hoffnungslos überlastet. In einigen Regionen gibt es kein einziges freies Intensivbett mehr.
In der Region um Karlovy Vary und Pilsen sind die intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten erschöpft. Aus dem städtischen Krankenhaus in Cheb werden täglich Patienten mit Hubschraubern in andere Landesteile verlegt, in denen eine Behandlung noch möglich ist.
Bewohner der Grenzregion haben eine Online-Petition mit dem Titel „Öffnet die Grenzen für Rettungswagen“ ins Leben gerufen, die binnen kürzester Zeit über 3000 Mal unterzeichnet wurde. Gesundheitsminister Jan Blatny lehnt eine Verlegung in deutsche Kliniken, die nur wenige Kilometer entfernt sind, ab, solange es in anderen Landesteilen noch einige wenige freie Intensivbetten gibt. Der teilweise hunderte Kilometer lange Transport ist für die schwerstkranken Patienten eine enorme Belastung.
In der Hauptstadt Prag liegt die 7-Tage-Inzidenz über 310, in Cheb und im nördlich gelegenen Trutnov sogar über 1000. Auf deutscher Seite sind im Grenzgebiet ebenfalls hohe Zahlen zu vermelden. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) verzeichnen die Landkreise Hof und Tirschenreuth mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 379 und 351 Infektionen pro 100.000 Einwohnern deutschlandweit am meisten Corona-Infektionen.
Am Mittwoch überschritt die Zahl der Infizierten in Tschechien die Grenze von einer Million. Das Land mit rund 10,7 Millionen Einwohnern verzeichnete bis Mittwoch 16.545 Todesfälle. Die Sterblichkeit ist im vergangenen Jahr um 15 Prozent gestiegen, soviel wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Laut dem Tschechischen Statistikamt (ČSÚ) sind 2020 etwa 129.100 Menschen gestorben, 17.000 mehr als im Vorjahr. 11.872 starben laut Gesundheitsbehörden im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion.
Die Situation in den Kliniken und Gesundheitseinrichtungen im Land ist angesichts der Zahlen desaströs. Bis zur letzten Woche waren schon über 4050 Klinikmitarbeiter infiziert. Die verbleibenden Ärzte und Pfleger arbeiten seit Monaten bis zur Erschöpfung. Nur durch die Unterstützung von Freiwilligen ist der Betrieb in den meisten Kliniken überhaupt noch möglich. Ein eigens für die Behandlung von 500 Corona-Patienten errichtetes Feldhospital wird gegenwärtig abgebaut. Der stellvertretende Gesundheitsminister Vladimir Cerny erklärte, wegen Mangel an Personal könne das Krankenhaus nicht in Betrieb genommen werden.
Die Lage könnte sich in den kommenden Wochen noch weiter verschlimmern, nachdem kürzlich der erste Fall der britischen Virus-Mutation in Tschechien aufgetreten ist. Gleichzeitig ist die von der Regierung angekündigte Impf-Offensive zu einem Fiasko geworden. Bereits Ende Januar erklärte das Gesundheitsministerium, dass es „Lieferschwierigkeiten“ gebe und keine weiteren Termine für Impfungen vergeben werden könnten. Bislang wurden nur rund 200.000 Impfungen verabreicht.
Die Folgen für die Bevölkerung sind auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht weitreichend. Die Arbeitslosigkeit stieg seit 2019 um rund 2 Prozentpunkte, für dieses Jahr wird eine Rekordanzahl von Insolvenzen prognostiziert. 2020 erlebte Tschechien die schwächste Konjunkturentwicklung seit der Spaltung von der Slowakei 1993. Das Bruttoinlandsprodukt fiel um 5,6 Prozent.
In den Grenzregionen zu Deutschland und Österreich sind tausende Pendler von den Grenzschließungen betroffen. Wer positiv getestet wurde, kann häufig seiner Arbeit im Nachbarland nicht nachgehen und verliert dadurch möglicherweise seinen Job. Die Einreise nach Tschechien ist für Ausländer nur noch in Ausnahmefällen möglich.
Die extreme Entwicklung war seit Monaten abzusehen und geht ausschließlich auf das Konto der Regierung in Prag. Die Koalition aus rechts-liberaler ANO und Sozialdemokraten (CSSD) wird von der Kommunistischen Partei (KSCM) gestützt. Nach einem kurzen Lockdown im letzten Frühjahr öffnete sie Betriebe und Schulen und nahm sämtliche Sicherheitsmaßnahmen zurück.
Erst nachdem die Lage dramatisch eskalierte, entschied sich die Regierung im Dezember, einige halbherzige neue Maßnahmen einzuführen. Premierminister Andrej Babis, selbst Unternehmer und Multimillionär, erklärte unmissverständlich, dass es zu keinem Lockdown wie im Frühjahr kommen werde, als auch Betriebe geschlossen wurden.
Auch die am kommenden Freitag in Kraft tretenden Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, die Situation zu verbessern. Zwar sind nicht-lebensnotwendige Geschäfte, Restaurants, Frisöre und ähnliches geschlossen, doch bleiben Betriebe weiter geöffnet, und für einige Schulklassen findet sogar Präsenzunterricht statt. Nicht einmal die Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken, wie in den Nachbarländern mittlerweile vorgegeben, wurde beschlossen, sondern lediglich empfohlen.
Es ist offensichtlich, dass die gesamte politische Elite des Landes die Durchseuchung anstrebt. Rechte Parteien und Bewegungen können ungehindert Demonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern gegen Sicherheitsmaßnahmen abhalten. Im Januar trat Ex-Präsident Vaclav Klaus auf einer Demonstration ultra-rechter Kräfte auf, die unter der Parole „Lasst uns Tschechien öffnen“ ein Ende aller Maßnahmen gegen Corona forderte.
Auch innerhalb der Regierung bahnt sich eine Auseinandersetzung über die Corona-Maßnahmen an. Die stalinistische KSCM hat die Politik der Ultrarechten und Faschisten übernommen und droht damit, die Minderheitsregierung nicht mehr zu unterstützen, sollten die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie über den 14. Februar hinaus verlängert werden.
Parteichef Vojtěch Filip verwies darauf, dass seine Partei im Dezember nur unter Vorbehalt für die Verlängerung des Notstands gestimmt habe. Unter anderem hatte die KSCM eine Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Öffnung der Skigebiete gefordert. Die Regierungsparteien sind auf die Unterstützung der KSCM angewiesen, um den Haushalt zu verabschieden, und haben sich bereit erklärten, weitere Gespräche zu führen.
Der Widerstand der Bevölkerung gegen die kriminelle Politik der etablierten Parteien drückt sich in einer Welle von Austritten aus. Den Sozialdemokraten, die wie die KSCM aus der stalinistischen Staatspartei hervorgingen, laufen die Mitglieder in Scharen davon. Allein im letzten Jahr verließen 2000 Mitglieder die Partei. Aktuell sind es noch etwas mehr als 11.000, nicht einmal mehr halb so viele wie vor zehn Jahren.
Auch ANO, die mit den umfangreichen Geldmitteln von Regierungschef Babis gegründet wurde, steckt in einer tiefen Krise. Einige hundert Mitglieder und eine ganze Regionalgruppe haben die Partei verlassen. Aktuell beläuft sich die offizielle Mitgliederzahl der größten Regierungspartei auf 2800. Die KSCM büßte laut eigenen Angaben im letzten Jahr rund 2000 Mitglieder ein.