Der Versuch des YouTubers und ehemaligen Komikers Jimmy Dore, die faschistischen Boogaloo Boys zu promoten, entlarvt den ignoranten und reaktionären Charakter der „linken“ Politik amerikanischer Mittelschichten. Dore, ein ehemaliger Unterstützer von Bernie Sanders und der US-amerikanischen Grünen, ist ein eher rückständiger und vulgärer Vertreter einer breiteren gesellschaftlichen Schicht, die auf Trumps Putschversuch vom 6. Januar mit einem Rechtsruck reagiert.
Am 24. Januar lud Dore das SEP-Mitglied Jerry White in seine Sendung ein, um die Berichterstattung der World Socialist Web Site über einen Streik der Arbeiter der Hunts-Point-Lebensmitteldistribution in New York City zu diskutieren. White ist Labour-Redakteur der WSWS.
Dore informierte White nicht darüber, dass der Showgast unmittelbar vor ihm ein Anführer der Boogaloo Boys in Michigan war – einer bewaffneten rechtsextremen Miliz, die aktiv an dem Putsch vom 6. Januar und dem Komplott zur Entführung und Ermordung von Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer beteiligt war. Im Verlauf des Interviews mit dem Boogaloo-Vertreter, der sich selbst „Magnus Panvidya“ nannte, sagte Dore, dass seine politische Strategie darin bestehe, „die populistische Linke und die populistische Rechte zu vereinen“ und mit den Boogaloo Boys und ähnlichen Gruppen „gemeinsame Interessen“ zu finden.
Dores Interview mit dem Faschisten war kriecherisch und völlig unkritisch. Anschließend plante Dore, das Interview mit White auf unehrliche Weise zu nutzen, um sein politisches Projekt einer gemeinsamen Sache mit der faschistischen Rechten voranzutreiben.
White musste darauf reagieren. Er stellte klar, dass seine Anwesenheit in der Sendung weder eine Unterstützung der Boogaloo Boys bedeutete, noch eine Befürwortung von Dores Aufruf an Linke, sich mit diesen zu „vereinen“. Dore – verärgert darüber, dass White seine Pläne durchkreuzt hatte – reagierte auf diese Klarstellung mit extremer Feindseligkeit.
Darauf folgte ein höchst aufschlussreicher Wortwechsel.
White begann damit, dass die Socialist Equality Party Dores Strategie nicht unterstützt: „Mir war nicht klar, wer der Gast vor mir war. Ich muss zugeben, dass es sehr beunruhigend ist zu glauben, dass – wenn wir über linke oder progressive Politik sprechen – dies irgendetwas mit der Politik der Boogaloo Boys und solchen rechtsextremen Kräften zu tun hat.“
Die Socialist Equality Party wende sich gegen „die Idee, dass es irgendeine Form der Einheit von links und rechts geben könnte“, erklärte White. „Es gibt einen historischen Präzedenzfall: Die Nazis nannten sich ‚Revolutionäre‘ und Gegner der internationalen jüdisch-kapitalistischen Verschwörung. Mit linker Politik hat das nichts zu tun. Meine Bewegung – die Socialist Equality Party – strebt danach, eine echte Bewegung der Arbeiterklasse aufzubauen. Wir sind zuallererst Internationalisten. Die Rechte propagiert Nationalismus.“
Dores „Flirten mit solchen Elementen – libertären, rechtsgerichteten Elementen“ lehne die SEP ab, so White: „Das sind die Leute, die am 6. Januar das US-Kapitol gestürmt haben. Sie wurden von sehr mächtigen Kräften aus Politik und Wirtschaft an der Nase herumgeführt und gesteuert.“
Whites Kommentare untergruben Dores Strategie, die aufeinanderfolgenden Interviews als eine „Allianz von Links und Rechts“ zu präsentieren. Dies ließ Dore vor Wut die Fassung verlieren. In einer mit Schimpfworten gespickten Tirade verteidigte er die Boogaloo Boys gegen White: „Du stimmst nicht mit anderen Amerikanern überein, die Arbeiter sind? Glaubst du nicht, dass der Typ nur das Beste will? Glaubst du nicht, dass er es ernst meint?“
White erklärte erneut, dass Sozialisten „nicht die Hände nach einem Boogaloo Boy ausstrecken, ganz und gar nicht“. Darauf rief Dore, „ihr wollt immer nur über dieses Corona reden, das ist alles, worüber ihr reden wollt“, womit er implizierte, dass Covid-19 übertrieben oder erfunden sei.
Tatsächlich war White in die Sendung eingeladen worden, um über den Streik der Hunts-Point-Arbeiter von New York City zu sprechen. Tausende Arbeiter streikten dort für eine Lohnerhöhung und forderten Schutzmaßnahmen gegen das Virus, das mindestens 10 ihrer Kollegen getötet und 400 krank gemacht hatte. Dores Kommentar ahmte bezeichnenderweise nahezu wortgleich einen Ausspruch von Donald Trump nach, der im Oktober in North Carolina gegenüber einer Menschenmenge gesagt hatte: „Corona, Corona, Corona, das ist alles, was man hört.“
Als Nächstes sagte Dore zu White, dass er „eine Karikatur“ aus der Boogaloo-Bewegung machen würde und gab etwas von sich, was nur als eine ausdrückliche Unterstützung der Boogaloo Boys interpretiert werden kann. Mit Blick auf seinen Boogaloo-Interviewpartner sagte Dore:
„Er sagte, die Boogaloo Boys seien eine Antwort auf die rassistischen Rechten. Sie sind keine rassistischen Rechten! Und sie sind gegen den Krieg und gegen die Polizei! Und du scheißt trotzdem noch auf diese Leute? Du argumentierst ohne jeden guten Willen. Das ist eine f...cking Schande, was du da machst!“
Während Dore gegenüber White einen extrem feindlichen Ton anschlug, führte er mit dem Boogaloo-Vertreter ein völlig unkritisches und herzliches Interview. Es handelte sich nicht um einen journalistischen Versuch, die Ansichten dieses Boogaloo Boy zu untersuchen, sondern um eine Werbesendung, die darauf abzielte, die Boogaloo-Bewegung als vernünftig und unterstützenswert für Linke darzustellen.
Dore begann das Interview, indem er einen Clip einspielte, der denselben Boogaloo-Vertreter bei einer Rede auf einer Pro-Trump-Kundgebung vom 17. Januar in Lansing (Michigan) zeigt. Diese Kundgebung war Bestandteil einer Reihe von Veranstaltungen, die von Trump und einem Teil seiner mächtigen Unterstützer aus der Wirtschaft koordiniert wurden. Sie war außerdem Teil eines gescheiterten Versuchs der extremen Rechten, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Jahr zu kippen und Trump die Errichtung einer Präsidialdiktatur zu ermöglichen.
Während der Rede in Lansing erklärte der Boogaloo-Vertreter – in militärischer Uniform und bewaffnet mit einem Sturmgewehr – dass „rechte Milizen“ die „Antikörper“ der Gesellschaft seien, und forderte die „Einheit“ aller Amerikaner. Er sagte, er spreche im Namen „aller Unternehmen, die von den staatlichen Lockdowns erschlagen werden“. Die vielen Hunderttausend Arbeiter, die für den Profit der amerikanischen Konzerne gestorben sind, erwähnte er mit keinem Wort.
Nachdem er dieses Video abgespielt hatte, sagte Dore: „Wir konnten nichts in dieser Rede finden, mit dem wir nicht einverstanden wären.“ Er habe beschlossen, den Redner aus Lansing zu seiner Show einzuladen: „Ich wollte mir seine Überzeugungen genauer ansehen.“
Der Boogaloo-Vertreter erklärte zu Beginn, er sei ein „langjähriger Fan“ von Dores Programm und ließ durchblicken, dass Dore andere faschistische Zuschauer anziehe. Der Boogaloo-Vertreter zeigte sich mit einer „Don‘t tread on me“-Flagge – einem Emblem der Rechtsextremen – sowie einem großen Sturmgewehr im Hintergrund. Das Gewehr wurde von Dore in der Version, die er später auf YouTube veröffentlichte, verpixelt. Der Gast erklärte, er unterstütze „ein System der extremen freien Marktwirtschaft“ und ermutigte Dores Zuhörer dazu, keine Steuern mehr zu zahlen und auf behördliche Konsequenzen mit Gewalt zu reagieren.
Dore verteidigte sein Interview, indem er auf die Behauptung des Interviewten verwies, die Proteste gegen Polizeigewalt im vergangenen Jahr unterstützt zu haben. Dore nannte den Boogaloo Boy wiederholt „pro-BLM“ (Black Lives Matter) und „anti-Cop“ und akzeptierte unhinterfragt seine Behauptung, „Schutz“ für Demonstranten geboten zu haben.
Hätte Dore das Interview von einem kritischen Standpunkt aus geführt, so hätte er erfahren, dass der Boogaloo-Interviewpartner über seine Ansichten rundheraus gelogen hat. Boogaloo Boys sind dafür bekannt, die Medien als eine Form der Pseudokritik zu „trollen“.
In Wirklichkeit hat eine antifaschistische Gruppe aus Michigan, die diesen Boogaloo-Vertreter über Monate hinweg kritisch verfolgte, bereits zuvor aufgedeckt, dass Dores Interviewpartner den Faschisten Kyle Rittenhouse öffentlich verteidigt hat. Mit Blick auf Rittenhouses Mord an zwei Teilnehmern einer Demonstration gegen Polizeigewalt in Kenosha (Wisconsin) im letzten August sagte der Boogaloo-Vertreter, dass andere Leute „lernen sollten, wie man das macht“. Der Mann lobte außerdem die Schießübungen faschistischer Milizen – genannt „Rittenhouse Drills“ – und verteidigte Steve Baca, den Faschisten, der im Juni in New Mexico Demonstranten gegen Polizeigewalt erschossen hat.
Dore verwandte einen Großteil des Interviews mit dem Boogaloo Boy für Nettigkeiten. Zu den Hawaiihemden, die das offizielle Erkennungsmerkmal der Boogaloo Boys bilden, sagte Dore: „Ich denke, die Hawaii-Hemden sind ein toller Touch, ganz ehrlich, ich mache keine Witze. Ich finde, es sieht toll aus.“ Dore kommentierte die äußere Erscheinung des Interviewten mit den begeisterten Worten: „Ich muss sagen, dass ich Bärte generell hasse, aber deiner steht dir total.“
Nach dem Interview mit dem Boogaloo Boy und nach Dores feindseliger Tirade gegen White, füllte sich der Kommentarbereich seiner Sendung mit antisemitischen Kommentaren von Faschisten, die White attackierten: „Jude!“, „Oyyy Veyyy“ („Oy Vey“ ist Jiddisch für „Oh weh“, „wehe mir“), „Er ist ein JUDE“, „Er ist Jude und rastet aus“ und „HIER HABEN WIR EINEN TYPISCHEN ISRAELI“.
Eine separate faschistische Website reagierte mit extremer Begeisterung auf Dores Verhalten. In einem Post mit dem Titel „Jimmy Dore ist kurz davor, die rote Pille in der JQ zu bekommen“ (d.h. ein Faschist in der Judenfrage zu werden), schrieben Kommentatoren unter anderem: „Er interviewt gerade einen Juden von der Socialist Equality Party (Trotzkisten) und wird richtig sauer“, „Der Jude fürchtet die Allianz von Rot und Braun“ und „Jimmy lernt, warum der einzige gute kommunistische Jude ein toter Jude ist“.
Der von Dore interviewte Boogaloo Boy wurde am Freitag auch von dem offenen Faschisten Alex Jones sehr wohlwollend interviewt. Jones war am 6. Januar einer der Redner auf einer Kundgebung im Lafayette Square Park, die Trumps Putschversuch unterstützte. „Das war ein tolles Interview, das du mit Jimmy Dore geführt hast“, sagte Jones.
Dore beendete das Interview, indem er seine politische Strategie zusammenfasste: „Soziale Bewegungen sollten immer im Dialog sein... Wir scheinen uns über einige der großen Probleme in unserem Land einig zu sein, du und ich.“ Er fügte hinzu: „In Amerika verlaufen die Fronten jetzt zwischen oben und unten, nicht zwischen links und rechts. Chris Hedges hat das in unserer Sendung gesagt... Es ist offensichtlich, dass es kein Kampf zwischen links und rechts mehr ist.“
Ob er sich dessen bewusst ist oder nicht, wurzeln Dores Aussagen über eine „Oben-Unten“-Perspektive anstelle von „links gegen rechts“ in der faschistischen Ideologie des frühen 20. Jahrhunderts. Ausgehend von der Parole „weder links noch rechts“ riefen die Faschisten zur Einheit des gesamten nationalen „Volkes“ auf – in direkter Opposition zum sozialistischen Kampf der eigentumslosen Arbeiterklasse („die Linken“) gegen die besitzenden Großkapitalisten („die Rechten“). Trotz seiner pseudopopulistischen Sprache war der Faschismus letztlich ein politisches Werkzeug der Kapitalistenklasse, um das wütende Kleinbürgertum gegen die sozialistische Arbeiterbewegung zu mobilisieren.
Die besserverdienende soziale Schicht, die Dore vertritt, steht den sozialen Interessen der Arbeiterklasse feindlich gegenüber und ist beeindruckt von der waffenschwenkenden Gruppe von Immobilienmaklern, Selbstständigen und Kleinunternehmern, die am 6. Januar auf Trumps Befehl hin das Kapitol stürmten. Unter dem Druck der jüngsten Ereignisse treten die schlimmsten Züge des kleinbürgerlichen Radikalismus – vor allem seiner amerikanischen Variante – in den Vordergrund: Nationalismus, Antikommunismus, Subjektivismus, Individualismus und tiefer Pessimismus. Was Dore betrifft, so speist sich seine eigene Bewegung nach rechts aus einem eher persönlichen Wesenszug: Dummheit.