Am Montag, dem 4. Januar, wird die britische Justiz ihr Urteil über Julian Assange fällen. Sie wird darüber entscheiden, ob der WikiLeaks-Gründer und Journalist in die USA ausgeliefert werden soll. Dort droht ihm eine lebenslange Haftstrafe nach dem Espionage Act, weil er Kriegsverbrechen, Putschpläne, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen, sowie staatliche Korruption und Spionage aufgedeckt hat.
Es gilt als so gut wie sicher, dass das Gericht für seine Auslieferung stimmen wird. Die Anhörung war eine pseudo-juristische Farce, bei der Assanges demokratische Grundrechte mit Füßen getreten wurden. Die vorsitzende Bezirksrichterin Vanessa Baraitser hat Assange während des gesamten Verfahrens mit unverhohlener Feindseligkeit behandelt. Ihre Vorgesetzte, Lady Emma Arbuthnot, ist mit einem Regierungsvertreter verheiratet, der in den WikiLeaks-Enthüllungen mit Namen genannt wird.
Unabhängig von der Entscheidung wird es eine Berufung geben, die zu weiteren monate- oder jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen führen wird. Unterdessen wird Assange unter schwerer Lebensgefahr im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert bleiben.
Dennoch markiert die Anhörung am Montag eine wichtige neue Etappe im jahrzehntelangen Rachefeldzug gegen den bedeutendsten Journalisten des 21. Jahrhunderts.
Assanges Anwälte haben das Komplott der US-Regierung gegen Assange in Fetzen gerissen. Sie haben gezeigt, dass die US-Staatsanwälte die Fakten grundlegend falsch dargestellt haben, dass das US-Justizministerium nicht in gutem Glauben handelt, und dass hier eine Auslieferung wegen eines politischen Delikts betrieben wird – was nach dem britisch-amerikanischen Auslieferungsabkommen verboten ist.
Sie haben aufgezeigt, dass der Antrag gegen das Auslieferungsverbot einer Person verstößt, der eine Bestrafung oder Diskriminierung wegen ihrer politischen Ansichten droht, oder deren Auslieferung aus medizinischen Gründen „ungerecht und unterdrückerisch“ wäre. Das Auslieferungsverfahren könnte gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (das Recht auf freie Meinungsäußerung) verstoßen, wie auch gegen Artikel 7 (den Schutz vor rückwirkender Kriminalisierung), Artikel 6 (das Recht auf ein faires Verfahren) und Artikel 3 (das Recht gegen unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe).
Assanges Anwälte haben die Argumente der Staatsanwaltschaft Punkt für Punkt widerlegt, und damit hat sich gezeigt, dass gesellschaftliche Interessen hinter dem Rachefeldzug stehen. Die USA und ihre Verbündeten wollen ein Exempel an ihm statuieren, um im Namen ihrer räuberischen herrschenden Klassen jeden Widerstand gegen Krieg und Diktatur einzuschüchtern. Sein Auslieferungsverfahren ist ein Schauprozess mit dem Ziel, ein vorher festgelegtes Urteil über einen Klassenkriegs-Gefangenen zu fällen.
Es gibt nur eine Möglichkeit, diese gesellschaftlichen Kräfte zu stoppen: Nur eine globale Massenbewegung kann die Freilassung des WikiLeaks-Gründers erzwingen.
Assange genießt in der Bevölkerung große Unterstützung. Der Schlag, den WikiLeaks dem US-Imperialismus und seinen Verbündeten, auch Großbritannien, versetzt hat, hat Millionen begeistert. Der Fall Assange gilt zudem als Präzedenzfall für weitere Angriffe auf den Journalismus und die demokratischen Grundrechte.
Mehr als 1.600 Journalisten in 99 Ländern haben Assanges Freilassung in einem offenen Brief gefordert. Schon einen Monat vor der Veröffentlichung dieses Briefs im Dezember 2019 hatten Fachmediziner die Gruppe „Doctors for Assange“ gegründet, um ihrer Empörung über Assanges Misshandlung Ausdruck zu verleihen. Anfang 2020 wurden außerdem die Gruppen der Rechtsanwälte und der Künstler, "Lawyers for Assange" und "Artists for Assange", gegründet.
Die einzige gesellschaftliche Kraft jedoch, die Assanges Freilassung erreichen und seine demokratischen Rechte verteidigen kann, ist die internationale Arbeiterklasse. Und diese Kraft muss jetzt zu seiner Unterstützung aufgerufen werden!
Diese dringend notwendige Kampagne in der Arbeiterklasse erfordert die Abrechnung mit allen politischen Kräften, die zur Isolation von Assange beigetragen haben, auch mit den Medien, den angeblich „liberalen“, kleinbürgerlichen Bürgerrechtsorganisationen, den Pseudolinken und der Gewerkschafts- und Labour-Bürokratie.
Anfangs hatten Zeitungen und Magazine wie der Spiegel, der Guardian, die New York Times, Le Monde und El Pais mit WikiLeaks zusammengearbeitet und die Enthüllungen veröffentlicht. Aber von Anfang an versuchten sie zweierlei: Selbst von den Enthüllungen zu profitieren und gleichzeitig die politischen Folgen unter Kontrolle zu halten.
Als Assange sich jedoch weigerte, der Öffentlichkeit ihr Recht auf Aufklärung vorzuenthalten, und diese Zeitungsherausgeber gleichzeitig verstanden, dass sie ihre guten Beziehungen zu den jeweiligen herrschenden Klassen riskierten, fielen sie WikiLeaks in den Rücken. Also starteten WikiLeaks ehemalige „Medienpartner“ eine systematische Hetzkampagne gegen Assange. Sie übernahmen das abgekartete Spiel der schwedischen Ermittlungen und beschuldigten ihn wegen fingierter sexueller Übergriffe. Auch verbreiteten sie die erfundenen Geschichten über geheime Absprachen mit dem russischen Staat.
An dieser Hexenjagd beteiligten sich auch pseudolinke Organisationen wie die Socialist Workers Party in Großbritannien und die International Socialist Organisation in den USA. Denn die WikiLeaks-Enthüllungen bedrohten ihre Unterstützung für imperialistische Interventionen unter dem betrügerischen Banner der „Menschenrechte“. Ihre Anhänger aus dem gehobenen Kleinbürgertum, die von Identitätspolitik besessen sind, fielen bereitwillig in den Chor der erfundenen Vergewaltigungsvorwürfe der schwedischen Regierung ein.
Die „Linke“ in der Labour Party und die Gewerkschaftsbürokratie wahrten die ganze Zeit über ein komplizenhaftes Schweigen. Erst im April 2019 sprach sich der damalige Labour-Parteivorsitzende Jeremy Corbyn öffentlich gegen die Auslieferung Assanges an die USA aus, erklärte aber weniger als 48 Stunden später, es sei „Sache der Gerichte“, über Assanges Schicksal zu entscheiden. Während der Parlamentswahlen von Dezember 2019 schwieg Corbyn zum Fall Assange. Erst nachdem er als Vorsitzender der Labour-Partei abgelöst wurde, hat Corbyn von Zeit zu Zeit die britischen Richter und Premierminister Boris Johnson aufgefordert, Assanges Auslieferung zu verhindern.
Die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site treten uneingeschränkt für Assanges Freiheit ein. Wir verstehen die Entwicklung der pseudolinken Organisationen als Teil des Rechtsrucks der gesamten bürgerlichen Politik. Außerdem beweist sie die Tatsache, dass kein Flügel der herrschenden Klasse bereit ist, die demokratischen Rechte prinzipiell zu verteidigen. Wir haben von Anfang an betont, dass der Kampf zur Verteidigung Assanges ein politischer Kampf ist: Es ist notwendig, unter Arbeitern und Jugendlichen weltweit das Bewusstsein über die Fragen zu schärfen, die seine Verfolgung aufwirft, und die Arbeiterklasse im Kampf gegen den weltweiten Kurs auf Diktatur und Krieg zu organisieren.
Die offizielle Aktivistengruppe Don't Extradite Assange (DEA), die Ende 2019 gegründet wurde, verhindert durch ihr Vorgehen, dass diese Schlüsse gezogen werden, und schürt stattdessen neue Illusionen in den kapitalistischen Staat. Im Mittelpunkt steht dabei ihre Behauptung, um Assange zu befreien, müssten sich „Linke“ und „Rechte“ zusammenschließen.
Anfangs äußerte sich dies in der Form, dass die DEA den Pro-Forma-Protesten einiger Labour-„Linker“ und verspäteten zynischen Entschuldigungen des Guardian Kredit verschafften. Dabei ist gerade der Guardian in dieser Frage so vollständig entlarvt, dass er vor Kurzem einen Leitartikel veröffentlichte, der sich gegen Assanges Auslieferung ausprach und erklärte: „Frühere Fälle im Zusammenhang mit Assange sollten nicht benutzt werden, um den Sachverhalt zu verwirren [!]. Schweden hat die Ermittlungen wegen Vergewaltigungsvorwürfen eingestellt, die er selbst geleugnet hat.“ Der Guardian setzt sein Vertrauen in den künftigen US-Präsidenten Joe Biden, der Assange schändlich als „Hightech-Terroristen“ bezeichnet hat.
In den letzten Wochen hat die reaktionäre Logik der Politik der DEA ihren obszönen Höhepunkt erreicht: Die Organisation richtete einen freundlichen Appell an US-Präsident Donald Trump, Assange die Freiheit zu schenken. Hintergrund der Petition mit dem Titel „Präsident Trump, begnadigen Sie Assange!“ war die Flut an Begnadigungen, die Trump in den letzten Wochen ausgesprochen hatte. Im Twitter-Feed der DEA tauchten reaktionäre und abstoßende Gestalten wie die Neofaschistin Cassandra Fairbanks, die christliche Fundamentalistin und ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin, die republikanische Abgeordnete und QAnon-Anhängerin Marjorie Taylor Green und der rechtsextreme Provokateur und Breitbart-Autor James O'Keefe auf.
Es ist legitim eine Begnadigung zu fordern, Assange verdient das und mehr. Doch ein Appell an Trump, der darauf abziehlt, demokratische Rechte zu verteidigen, kann nur die Form einer Massenbewegung der Arbeiterklasse annehmen, die sich ihrem Wesen nach sowohl gegen Trump und die Republikaner als auch gegen die Demokraten richtet.
Der Aufruf der DEA ist stattdessen ein Appell an das nicht vorhandene demokratische Bewusstsein des faschistischen Gangsters im Weißen Haus und seines Gefolges. Über der Petition ist ein Bild von Trump mit einer Sprechblase zu sehen, in der es heißt: „Der 1. Zusatzartikel ist von entscheidender Bedeutung für unser Land. Wir brauchen eine freie Presse und einen freien Austausch von Ideen. Bürger und die Medien müssen frei Kritik üben dürfen.“
In Wirklichkeit hat Trump letzten Monat Mitglieder der Söldnerfirma Blackwater begnadigt, die im Jahr 2007 auf dem Nisour-Platz in Bagdad 14 Iraker massakriert hatten – eines der ungeheuerlichsten Verbrechen in dem brutalen Krieg, für dessen Enthüllung Assange und WikiLeaks so viel getan haben. Diejenigen, die an den Präsidenten appellieren, ignorieren außerdem dessen anhaltende Putschpläne. Dabei besteht die Gefahr, dass Trump unter dem Vorwand, eine katastrophale militärische Konfrontation mit dem Iran zu starten, das Kriegsrecht ausrufen könnte.
Die Orientierung auf Trump ist der deutlichste Beweis dafür, dass jede Perspektive für die Verteidigung von Assange und der demokratischen Rechte, die sich auf den kapitalistischen Staat und seine Vertreter stützt, bankrott ist. Seit WikiLeaks die Kriegstagebücher aus dem Irak und Afghanistan, die Akten über Guantanamo und die diplomatischen Telegramme der USA veröffentlicht hat, war Assanges Schicksal mit dem Kampf gegen Imperialismus und seine politischen Vertreter verbunden. Dieser Kampf erfordert den Aufbau einer sozialistischen, antiimperialistischen Massenbewegung der internationalen Arbeiterklasse. Wir rufen alle, die mit dieser Perspektive übereinstimmen, dazu auf, uns noch heute zu kontaktieren.