Britische Regierung erhöht Militärausgaben um 21,5 Milliarden Pfund

Der britische Premierminister Boris Johnson hat eine zusätzliche Erhöhung der Militärausgaben um 16,5 Milliarden Pfund (18,5 Milliarden Euro) in den nächsten vier Jahren angekündigt. Diese Summe entspricht einer jährlichen Erhöhung von zehn Prozent und wäre der höchste reale Anstieg seit 30 Jahren.

Zuvor hatten die Torys in ihrem Wahlprogramm außerdem angekündigt, die Verteidigungsausgaben pro Jahr um 0,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate zu erhöhen. Durch die beiden Maßnahmen wird der Verteidigungsetat Großbritanniens bis März 2025 um 21,5 Milliarden Pfund auf 63 Milliarden Pfund (etwa 70,5 Milliarden Euro) anwachsen.

Johnsons Ankündigung bestätigt eindrücklich, dass die herrschende Elite ihre Pläne forciert, geostrategische Ziele mit militärischen Konfrontationen durchzusetzen.

Von den zugesagten Milliarden sollen eine National Cyber Force und ein Weltraumkommando errichtet, eine Dienststelle für militärische künstliche Intelligenz gegründet und Kampfflugzeuge der nächsten Generation sowie ein Drohnenprogramm entwickelt werden. Ein Großteil des Geldes wird laut Johnson an die Royal Navy fließen, um „Großbritanniens Position als führende Seemacht Europas“ wiederherzustellen. Auch die Umsetzung der Pläne, 13 neue Fregatten anzuschaffen, und der Austausch der Begleitschiffe für die neuen britischen Flugzeugträger wird dadurch möglich.

Als Johnson die Erhöhung der Militärausgaben ankündigte, brüstete er sich mit „Technologien, die die Kriegsführung revolutionieren“ und damit Tod und Zerstörung über die Feinde Großbritanniens bringen werden. Künstliche Intelligenz würde „einem Soldaten in feindlichem Gebiet eine ganze Reihe von Optionen ermöglichen, von Luftangriffen über Angriffe mit Drohnen oder Cyberwaffen, die den Feind lähmen... Unsere Kriegsschiffe und Kampffahrzeuge können mit ,Strahlenwaffen‘ ausgerüstet werden und Ziele mit unerschöpflichen Lasern zerstören... Für das Militär wird der Satz ,Keine Munition mehr‘ der Vergangenheit angehören.“

Gegenüber dem Parlament fasste Johnson die militaristische Agenda hinter seiner Äußerung folgendermaßen zusammen: „Es ist ein wichtiger Teil der Bestrebungen der Regierung, unsere Streitkräfte wieder aufzubauen, um Großbritanniens Interessen und Werte durch die Stärkung unseres globalen Einflusses zu schützen, und unsere Fähigkeit wieder zu forcieren, gemeinsam mit den USA und anderen Verbündeten freie und offene Gesellschaften zu verteidigen.

Die internationale Lage ist gefährlicher geworden und die Konkurrenz größer als zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Kalten Krieg. Großbritannien muss seiner Geschichte treu bleiben und seinen Verbündeten beistehen. Zu diesem Zweck müssen wir unsere Kapazitäten in allen Bereichen ausbauen.“

Es ist bezeichnend, dass die Ankündigung Großbritanniens nur kurze Zeit nach der US-Präsidentschaftswahl erfolgt. Johnson versucht, seine Regierung aus der außenpolitischen Krise zu befreien, die sich aufgrund des Brexits entwickelt hat. Am 31. Dezember, also bereits in wenigen Wochen, läuft Großbritanniens „Übergangsperiode“ ab, und es besteht immer noch kein Handelsabkommen mit der Europäischen Union (EU). Der Sieg des Brexit-Gegners Joe Biden in den USA verschärft die Krise weiter.

Die Financial Times schreibt dazu: „Nur eine Woche bevor Johnson den neuen Deal vorstellte, hatte er dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden versprochen, dass Großbritannien weiterhin ein wertvoller militärischer Verbündeter bleiben wird.“ Laut Sky News hat der ehemalige Verteidigungs- und Außenminister Tobias Ellwood von den Torys erklärt: „Die kommende Biden-Regierung wird die Botschaft nicht übersehen...“

Laut dem Guardian wurden die Neuerungen des Militäretats „in atemberaubender Geschwindigkeit zusammengestellt“, da man im Amtssitz des Premierministers alles versuche, „um nach dem Eklat von letzter Woche, der zum Rücktritt von Chefberater Dominic Cummings und seinem Verbündeten Lee Cain geführt hat, die Kontrolle zurückzugewinnen“. Cummings und Cain waren führende Köpfe der Brexit-Kampagne.

Bei seiner Entscheidung berücksichtigte Johnson zudem die immer lauteren Forderungen der Scottish National Party nach der Unabhängigkeit Schottlands im Zuge des Brexits. Verteidigungsminister Ben Wallace erklärte am Mittwoch: „[Schottland] spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Verteidigung des Vereinigten Königreichs... Nur wenn das Vereinigte Königreich zusammenhält, ist es stark genug, um Streitkräfte in dieser Größenordnung zu unterhalten.“

Gleichzeitig ermöglicht die Erhöhung des Militäretats eine Fortsetzung des Bündnisses mit der Regierung Donald Trumps, falls dieser sich durch sein geplantes Komplott an der Macht halten kann. Trumps neuer Verteidigungsminister, der Faschist Christopher Miller, erklärte als Reaktion auf die Ankündigungen: „Großbritannien ist unser standhaftester und fähigster Verbündeter, und die Erhöhung der Militärausgaben verdeutlicht sein Engagement für die Nato und unsere gemeinsame Sicherheit. Durch sie wird das britische Militär weiterhin eines der besten der Welt sein.“

Johnson will die globale Stellung Großbritannien nach dem Brexit retten, indem er sich dem US-Imperialismus wie ein Sklave unterwirft. Im Mittelpunkt steht dabei die Verschärfung des aggressiven Kurses gegenüber Russland und China. Neben der Umwandlung Großbritanniens in ein Billiglohnland („das Singapur an der Themse“), ist Militarismus ein zentrales Element seiner „Global Britain“-Agenda.

Der Daily Telegraph, das Sprachrohr der Torys, erklärte am Freitag: „Johnson hat beschlossen, Großbritannien in die führende Militärmacht Europas zu verwandeln. Dies wird sich beträchtlich auf die globale Stellung des Landes nach dem Brexit auswirken... Mit einem Militär, das für die Kriegsführung der Zukunft ausgerüstet ist, wird Großbritannien weltweit ein begehrter Verbündeter sein.“

Die Aussage des Direktors und Vorstandschef der einflussreichen Denkfabrik Chatham House, Dr. Robin Niblett CMG, ist beispielhaft für die Haltung eines beträchtlichen Teils der britischen herrschenden Klasse. Er rief die Regierung Johnson dazu auf, eine Biden-Regierung bei der „Verteidigung der Demokratie“ und der Abwehr der „autoritären Alternative“ zu unterstützen. Als positive Beispiele nannte er das zynische Angebot, den Einwohnern Hongkongs die britische Staatsbürgerschaft anzubieten – eine Provokation gegen China – und die vorwiegend gegen Russland gerichteten „Magnitsky-Bestimmungen“ des UK Sanctions Act.

Niblett erklärte: „Diese Schritte können jetzt als Grundlage für eine modernere, ‚besondere Beziehung‘ zwischen Großbritannien und den USA für das 21. Jahrhundert dienen“.

Entlang der russischen Westgrenze sind bereits britische Truppen als Teil von Nato-Formationen stationiert, im Nahen Osten kämpfen sie gegen Russlands Verbündeten Syrien. Nächstes Jahr wird der neue, drei Milliarden Pfund teure Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth zusammen mit einer atomar bewaffneten Kampfgruppe seine Jungfernreise in den Fernen Osten antreten und sich an amerikanisch-japanischen Marineübungen gegen China beteiligen. Johnsons Ankündigung und die geplante neue „besondere Beziehung“ zwischen Großbritannien und den USA, dienen zur Vorbereitung auf neue, noch aggressivere Manöver. Johnson erklärte, der Träger werde „eine Kampfgruppe aus britischen Einheiten und ihren Verbündeten bei unserem ehrgeizigsten Einsatz seit zwei Jahrzehnten anführen. Die Schauplätze werden das Mittelmeer, der Indische Ozean und Ostasien sein.“

Die Rechnung für diese verbrecherischen Abenteuer wird die Arbeiterklasse mit ihrem Leben und ihrer Existenzgrundlage bezahlen. Neben den Toten infolge von Militäroperationen wird die Ausweitung des britischen Militarismus auch einen Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse bedeuten. Die Regierung weigert sich, eine lächerliche Erhöhung einer Sozialleistung in Höhe von 20 Pfund pro Woche bis zum nächsten April zu verlängern, obwohl dies nur neun Milliarden Pfund kosten würde. Noch bedeutender ist, dass nur wenige Stunden nach Johnsons Ankündigung bekannt wurde, dass Finanzminister Rishi Sunak im Rahmen der Ausgabenprüfung für nächstes Jahr eine dreijährige Nullrunde bei den Einkommen im öffentlichen Dienst plant. Es ist kein Zufall, dass die eingesparte Summe von schätzungsweise 23 Milliarden Pfund nur etwas höher ist als die Erhöhung der Militärausgaben (21,5 Milliarden Pfund).

Nur wenige Tage bevor Johnson die Erhöhung der Militärausgaben ankündigte, wurde bekannt, dass die Regierung die Entwicklungshilfe von 0,7 auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken will.

Am Mittwoch erklärte der Telegraph in einem Leitartikel mit dem Titel „Die Erhöhung der Militärausgaben wird die globale Stellung Großbritanniens nach dem Brexit stärken“: „Wenn wir als Nation mehr für unsere Verteidigung ausgeben wollen, dann muss an anderer Stelle gespart werden.“ Ein Sprecher des Institute for Fiscal Studies warnte, das Engagement werde „die Finanzierung von Gesundheitswesen, Renten und Sozialausgaben für eine alternde Bevölkerung noch schwerer machen“.

Die Labour Party begrüßte Johnsons „lang überfällige“ Ausweitung des britischen Militarismus und versuchte, die Tories von rechts zu überholen.

Labour-Parteichef Sir Keir Starmer erklärte im Parlament: „Wir begrüßen die zusätzlichen Mittel für unsere Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, und wir teilen die Ansicht, dass es wichtig ist, die ‚Ära der Zurückhaltung‘ zu beenden, wie der Premierminister sie nennt.“ Schattenverteidigungsminister John Healey warf den Torys vor, sie hätten in ihrer zehnjährigen Amtszeit „die Streitkräfte um ein Viertel verkleinert und die Verteidigungsausgaben um mehr als sieben Milliarden Pfund gekürzt“.

Die parteiübergreifende Begeisterung über die Ausweitung des britischen Militarismus ist ein Ausdruck der explosiven geopolitischen Spannungen, die sich unter dem Druck der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen entwickeln. Nur wenige Wochen zuvor hatte der oberste britische Militärkommandant, General Sir Nick Carter, die außergewöhnliche Warnung ausgesprochen, es bestehe die reale Gefahr eines dritten Weltkriegs. Er erklärte, die Welt sei „sehr unsicher und angespannt“ und „Eskalationen könnten zu Fehleinschätzungen führen“.

Weiter erklärte er: „Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass sich die Geschichte möglicherweise nicht nur wiederholt, sondern dass sie einen Rhythmus hat. Wenn man auf das letzte Jahrhundert zurückblickt, auf die Zeit vor den beiden Weltkriegen, ist meiner Meinung nach unbestreitbar, dass es zu Eskalationen kam, die zu Fehleinschätzungen und schließlich zum Krieg geführt haben.“

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