Corona: Durchseuchungspolitik an hessischen Schulen

Die Zahl der Corona-Infizierten steigt stetig weiter, und täglich werden mehr Menschen ins Krankenhaus, in die Intensivstation und an die Lungenmaschine gebracht. Am Donnerstag registrierte das RKI in 24 Stunden erneut fast 22.000 Covid-19-Infektionen. In derselben Zeit wurden 649 neue Patienten in die Intensivstation gebracht. In nur einem Tag sind weitere 215 Corona-Patienten gestorben.

In dieser Woche wurde die Nachricht von einem möglichen Durchbruch beim Covid-19-Impfstoff bekannt, den die Pharmakonzerne Pfizer und BioNTech entwickelt haben. Auch andere klinische Studien bestätigen, dass es bald technisch möglich sein könnte, der Weltbevölkerung einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 zur Verfügung zu stellen. Ein mögliches Ende der Pandemie rückt also in greifbare Nähe. Und dennoch weigern sich die kapitalistischen Politiker, alles Erdenkliche zu tun, um die Bevölkerung zu schützen.

Sie setzen weiter darauf, dass es nötig sei, „mit dem Virus zu leben“, und halten an ihrer faktischen Durchseuchungspolitik fest. Dies gilt ganz besonders für das Bundesland Hessen und die Städte Offenbach und Frankfurt am Main. Beide Kreise weisen ungewöhnlich hohe Fallzahlen auf. Offenbach hat mit 317 Infizierten pro 100.000 Einwohner die höchste 7-Tages-Inzidenz von Hessen, und Frankfurt folgt mit einer Inzidenz von 273,2 an zweiter Stelle.

Nicht zufällig werden gerade in diesen zwei Städten die elementarsten WHO-Gebote für die Pandemiebekämpfung – Testen, Isolieren und Kontakteverfolgen – mit Missachtung gestraft. Um die Schulen, Kitas und Betriebe um jeden Preis offen zu halten, haben die verantwortlichen Politiker in Frankfurt und Offenbach beschlossen, an den Schulen nur noch die unmittelbar positiv getesteten Schüler in Quarantäne zu schicken. Wenn sich ein Schüler nachweislich infiziert hat, werden weder dessen Mitschüler noch seine Lehrer nach Hause geschickt oder auch nur getestet. Das haben beide Gesundheitsämter der Hessenschau auf Nachfrage bestätigt.

Der Fall einer Schülerin im Kreis Offenbach, über den die Hessenschau und ARD berichteten, bringt das ganze Ausmaß der kriminellen Nachlässigkeit ans Licht. Die Schülerin Mara, deren Klassenkameradin Corona-positiv getestet wurde, saß in der Klasse hinter der Erkrankten. Dennoch sollte sie weiter ungetestet zur Schule kommen. Ihre Mutter organisierte daraufhin selbständig einen Test – und siehe da, auch Mara war positiv. „Wäre ich in der Schule geblieben“, kommentierte das Mädchen, „hätte ich längere Zeit mit meinen Mitschülern und Freunden verbracht, die sich dann vielleicht angesteckt hätten.“

Um die Zahlen niedrig und die Schulen offen zu halten, bestehen die Verantwortlichen auf dieser verantwortungslosen Politik und greifen zur Rechtfertigung auf längst widerlegte Fake News.

„Es gibt überhaupt keinen Grund, Schulen zu schließen“, behauptet René Gottschalk, der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Zum Lockdown im März setzt er wahrheitswidrig hinzu: „Diese Entscheidung hatte schon im Frühjahr kaum einen Anteil daran, dass die Zahlen gesunken sind.“ „… und die Erde ist eine Scheibe“, möchte man hinzufügen.

Die Auffassung, dass Schulen keine Treiber der Pandemie seien, ist wissenschaftlich klar widerlegt. Erst vor kurzem hat erneut eine Gruppe führender österreichischer Wissenschaftler nachgewiesen, dass die Schließung der Schulen bei dem Lockdown im Frühjahr „ganz sicher ein signifikanter Beitrag“ und „eine der effektivsten Einzelmaßnahmen überhaupt“ gewesen sei. Pointiert schreiben sie: „Alle, die jetzt gegen Schulschließung reden, müssen dazusagen, dass sie damit für Triage spätestens ab 18. November sind.“

Nach den Schulen befragt, bestätigte auch der Charité-Virologe Christian Drosten am Dienstag im NDR-Podcast erneut, „was wir ja schon so oft wiederholt haben: dass die Schuljahrgänge genauso zum Übertragungsgeschehen beitragen wie alle andern“. Notwendig sei der Konsens, dass „wir gesamtgesellschaftlich die Kontakte reduzieren müssen“. Zu der hartnäckigen Behauptung, „Kinder sind nicht Treiber der Pandemie, und an den Schulen passiert weniger als in der übrigen Gesellschaft“, wiederholte Drosten: „Dem Virus ist es egal, wen es befällt, und da zählen auch Kinder dazu.“

Ausführlich erklärte er erneut, dass ein Infizierter eben schon mehrere Tage vor Symptom-Beginn infektiös, d.h. ansteckend ist, und dass es deshalb dringend erforderlich ist, Kontaktpersonen zu orten und zu testen, „denn sie riskieren besonders stark, sich zu neuen Fällen zu entwickeln und das Virus weiterzureichen“.

Drosten bestätigte auch, dass sich tatsächlich bereits erheblich mehr Menschen als bekannt infiziert haben könnten. Da die Regierungen von Bund und Ländern im Sommer bewusst darauf verzichtet haben, die entsprechenden Kapazitäten und Gesundheitsämter systematisch aufzurüsten, sind die Teststellen und Labore extrem überlastet, und viele Gesundheitsämter haben jetzt schon die systematische Kontaktverfolgung eingestellt.

„Wir wissen ja, dass die Laborkapazitäten und das Tracing beides zurzeit überlastet sind“, so Drosten. Jeder merke, dass es nicht so einfach sei, eine Testung zu bekommen. „Es könnte auch sein, dass wir eine Art Entkoppelung haben zwischen dem Infektionsgeschehen und dem Nachweisgeschehen. Das heißt, wir merken gar nicht so genau, was eigentlich in der Bevölkerung los ist.“

Inzwischen reagieren Eltern und Lehrer zunehmend unruhig und wütend über die menschenverachtende Schul- und Corona-Politik.

In der Facebook-Gruppe „Lehrer aller Fächer und Schulformen, vereinigt euch!“ schreibt Maras Mutter über ihre Erfahrung, dass die Schulen Kontaktpersonen zweiten Grades von vorneherein als „Corona-frei“ einstufen: „Nein!! Wir haben es erlebt, und viele andere auch. In der Schule angesteckt, fälschlicherweise als KP2 gewertet und später POSITIV auf Corona getestet. Meine Tochter hat sich auf dem Weg infiziert. Vollbesetzte Klassen sind ein enormes Risiko, und das Virus macht auch dort nicht Halt. Es sollte mehr Öffentlichkeit hergestellt werden … Auch für die Lehrerschaft gesprochen, die sich all dem fügen und immer wieder neu strukturieren und organisieren muss – welch ein Chaos für alle Beteiligten!“

Andere bestätigen, das sei „bei uns schon seit vier Wochen so“, auch in Frankfurt werde es genauso gehandhabt. Anja berichtet: „Das halbe Kollegium ist in Quarantäne, aber nichts passiert. Es wird vertreten, vertreten, vertreten. Volle Klassen, Masken über 7 Stunden, kein Abstand möglich. Es ist ein Trauerspiel....“.

Melanie schreibt: „die Schule um Biegen und Brechen offen halten – aber warum?“ – „Zahlen“, antwortet ihr Anja. „Mir wurde durch die Blume gesagt, dass die Zahlen gering gehalten werden sollen, um Schulschließungen zu vermeiden.“ Roland konstatiert: „Schulen auf Teufel komm raus im ‚Normalbetrieb‘ lassen, aber Coronaleugner-Demos zulassen und für die Kinder St. Martins-Umzüge verbieten – das passt nicht zusammen!“

Die World Socialist Web Site hat seit Monaten erklärt, dass die Öffnung der Schulen Teil des Konzepts ist, die kapitalistischen Betriebe am Laufen zu halten, und dass die Politiker, welche die Profite nicht gefährden wollen, dabei buchstäblich über Leichen gehen. Die IYSSE, die Jugendorganisation der Sozialistischen Gleichheitspartei, kämpft für einen europaweiten Schulstreik gegen die Durchseuchungspolitik und für den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees an Schulen und Betrieben, die sich unabhängig von den bürgerlichen Parteien und Gewerkschaften für einen wirkungsvollen Pandemieschutz stark machen.

Nachdem die Politiker die Schulen unter unsicheren Bedingungen geöffnet haben, weigern sie sich, diese trotz Masseninfektionen wieder zu schließen, um die Arbeitskraft der Eltern aufrechtzuerhalten. Im Wiesbadener Landtag, wo SPD und Linke in der Opposition sitzen, reagierten sie am Donnerstag in einer aktuellen Stunde auf den Unmut von Schülern und Lehrern lediglich mit der Forderung, die Schulklassen bis Weihnachten zu teilen.

Die Grünen, die in Hessen mit der CDU in der Landesregierung sitzen, übernahmen es derweil, die Schulöffnungen des CDU-Kultusministers Alexander Lorz vehement zu verteidigen. Der Grünen-Abgeordnete Daniel May bedankte sich ausdrücklich dafür, dass seit den Sommerferien die „schulische Realität“ hergestellt worden sei, und „dass wir den Bildungsauftrag verwirklichen können“. Er lobte die Maßnahmen der Regierung und forderte, die Schule so lange wie möglich offen zu halten. „Lieber Maske auf, statt Schule zu“, setzte er zynisch hinzu.

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