Seit letzter Woche verbreiten die Democratic Socialists of America (DSA) einen „Aufruf“, in dem sich nahezu die gesamte Führung dazu „verpflichtet“, Wahlkampf für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden zu machen.
In dem Aufruf heißt es: „Zwar gibt es auf dem Stimmzettel keine wirkliche Wahlmöglichkeit, die mit den Zielen unserer Bewegung übereinstimmt… Allerdings wäre eine Niederlage Trumps für die Arbeiterklasse und unsere Bewegung eindeutig besser als seine Wiederwahl.“ Um Trumps Niederlage und gleichzeitig Bidens Sieg zu sichern, verpflichten sich die Unterzeichner, „in den nächsten vier Wochen unsere Zeit für freiwillige Wahlkampfarbeit per Telefon, Internet, vor Ort und andere Aktivitäten aufzuwenden, um Trump zu schlagen“.
Zu den Unterzeichnern des Dokuments gehören u.a. viele Mitglieder des National Political Committee (NPC) der DSA, darunter Hannah Allison, Maikiko James, Kevin Richardson, Abdullah Younus und Megan Svoboda, sowie nationale Führer der Democratic Socialist Labor Commission, des National Electoral Committee, des AFROSOC Executive Committee und des DSA International Committee Steering Committee.
Das Dokument ist ein unmittelbarer Aufruf der Führung der DSA an ihre Mitglieder, aktiv Wahlkampf für Biden zu betreiben. Dass dieser von den Autoren bewusst nicht ein einziges Mal namentlich genannt wird, zeigt deutlich, wie feige und ängstlich sie der Wahl gegenüberstehen, und welche Verachtung sie gegenüber ihren Mitgliedern hegen. Die praktische Schlussfolgerung ist jedoch klar: Die DSA-Führung mobilisiert ihre Anhänger, um Wählerstimmen für Biden zu aktivieren.
Im Jahr 2019 hatten sich die Mitglieder der DSA auf ihrem Kongress ausdrücklich dafür ausgesprochen, für keinen anderen Kandidaten der Demokratischen Partei als für Bernie Sanders Wahlkampf zu machen.
Dass die Führung der DSA nun trotzdem für Bidens Wahlkampf mobilisiert, kommt nicht überraschend. Bemerkenswert ist allerdings, dass sie damit offen und vollkommen unverhohlen die Resolution ihres eigenen Kongresses missachtet.
In der Vorwahl der Demokraten von 2020 hatten sich die DSA stark für Sanders engagiert und dabei so getan, als ob seine Kandidatur dazu beitragen würde, die Demokratische Partei zu verändern und eine sozialistische Gesellschaft zu verwirklichen. Nachdem Sanders im März seinen Wahlkampf eingestellt hatte, wurde er sehr schnell zu einem der wichtigsten Unterstützer Bidens. Seither versucht er, seinen Anhängern diesen langjährigen Lakai der Wall Street und des US-Imperialismus schmackhaft zu machen.
Das hat die DSA in eine beträchtliche politische Krise gestürzt. Sie wollten sich eigentlich als vom „Parteiestablishment der Demokraten“ unabhängig inszenieren, während sie in Wirklichkeit als Fraktion derselben Partei agieren.
Die aussagekräftigste Reaktion der Organisation auf die beispiellose politische Krise in den USA ist ihr Schweigen. Die DSA haben bisher kein Wort über das Komplott rechter Milizen verloren, die mehrere bundesstaatliche Regierungen stürzen und Gretchen Whitmer, die Gouverneurin Michigans, ermorden wollten. Sie haben weder auf ihrer Website, noch in ihrer offiziellen Publikation Democratic Left Erklärungen oder Artikel darüber veröffentlicht, dass Präsident Trump angekündigt hat, das Ergebnis der Wahl nicht zu akzeptieren. Ebenso wenig äußerten sie sich zur vollständige Kapitulation der Demokratischen Partei vor Trumps Bestreben, nur wenige Wochen vor der Wahl die Kandidatur von Amy Coney Barrett für den Obersten Gerichtshof durchzupeitschen.
Tatsächlich haben die DSA seit dem 25. August keine einzige Stellungnahme auf ihrer Website veröffentlicht. Zweifellos fragen sich viele ihrer Mitglieder, warum diese vorgeblich „sozialistische“ Organisation nichts zu der katastrophalsten wirtschaftlichen und sozialen Situation seit der Großen Depression zu sagen hat, und warum sie zu der bedeutendsten politischen Krise in der Geschichte Amerikas stillschweigt.
Das Magazin Jacobin, das inoffizielle Sprachrohr der DSA (das mehrere leitende Mitglieder der DSA führen), unterstützt Bidens Wahlkampf mit zahllosen Artikeln und deckt die kriminelle und feige Rolle der Demokraten.
Erst letzten Monat veröffentlichte das Magazin einen Artikel, in dem die mörderische Politik der „Herdenimmunität“ propagiert wird. Kurz nach dessen Veröffentlichung traf sich Martin Kulldorf von der Harvard University – die zentrale Figur, die für den Artikel von Jacobin interviewt wurde – mit denjenigen Vertretern der Trump-Regierung, die für die Reaktion des Weißen Hauses auf die Pandemie verantwortlich sind. Kulldorf ist einer der wichtigsten Verantwortlichen für die Great Barrington Declaration, die vom Weißen Haus unterstützt wird. In dem Manifest wird dazu aufgerufen, auf alle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu verzichten.
Je heftiger die soziale und politische Krise in den USA wird, desto offener rücken die DSA nach rechts. Diese Entwicklung beruht darauf, dass sich die Organisation der Demokratischen Partei unterordnet und damit der Wall Street und den Bedürfnissen des US-Imperialismus.
Tausende von Arbeitern und Jugendlichen schlossen sich den DSA und ihnen nahestehenden Organisationen an, weil sie sie fälschlicherweise für „sozialistisch“ hielten. Doch weder Jacobin noch die DSA haben irgendetwas mit Sozialismus zu tun. Vielmehr sprechen sie für und orientieren sich an Teilen des Kleinbürgertums, die innerhalb des bestehenden politischen Rahmens Posten und einen „Platz am Tisch“ suchen.
Zu diesem Zweck bereiten sich die DSA auf einen möglichen Wahlsieg Bidens vor. Die DSA und die Redaktion von Jacobin wissen genau, dass sich unter Präsident Biden nichts Grundlegendes an der Politik der USA oder der Reaktion der herrschenden Klasse auf die Pandemie ändern wird. Deshalb ist es ihre Aufgabe, den Weg für die Übernahme der Politik der Herdenimmunität durch Biden vorzubereiten, indem sie versuchen, ihr einen linken Anstrich zu verpassen.
Die „Vertreter“ der DSA im Kongress wie Alexandria Ocasio Cortez, folgen dieser Linie und bewerben sich für mögliche Ämter in Bidens Kabinett oder andere einflussreiche Positionen. Ocasio-Cortez verbreitete vor Kurzem in den sozialen Netzwerken die Lüge, durch die Wahl Bidens würde „unsere Demokratie etwas länger leben“. Sanders befindet sich momentan sowohl virtuell als auch physisch auf Tour durch die USA, auf der er die absurde Behauptung verbreitet, Biden werde der „progressivste Präsident“ seit Franklin D. Roosevelt sein.
Die Demokraten haben alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Bedeutung davon herunterzuspielen, dass Donald Trump zu rechtsextremer Gewalt aufstachelt. Ihre größte Furcht ist, dass sich eine Massenbewegung der Arbeiter gegen Trumps Verschwörung entwickelt. Diese könnte zu einer allgemeinen Bewegung gegen die rechte Politik der herrschenden Klasse sowohl unter Trump als auch unter den Demokraten anschwellen.
Würde Biden an die Macht kommen, dann wäre seine Politik von der Wall Street und dem Militär diktiert. Einen „neuen New Deal“ oder irgendwelche Sozialreformen wird es nicht geben. Stattdessen steht ein rücksichtsloser Sparkurs bevor. Eine Biden-Regierung würde mit den Republikanern Frieden schließen, die besten Bedingungen für die weitere Entwicklung der extremen Rechten schaffen und den Angriff auf die Arbeiterklasse verschärfen, um die Kosten für die Rettung der Superreichen wieder hereinzuholen.
Die DSA und Jacobin versuchen, einen Bruch mit der Demokratischen Partei zu verhindern und Arbeiter und Jugendliche davon zu überzeugen, dass es keine andere Wahl gibt – völlig egal wie sehr ihnen das vielleicht widerstrebt. Allerdings gibt es sehr wohl eine Alternative: die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen beide Parteien des Großkapitals im Kampf für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft.