In den USA verwandeln sich Colleges und Universitäten gerade in Zentren der Corona-Pandemie. Dies heizt den Widerstand gegen die lebensbedrohende Politik der herrschenden Klasse weiter an.
An der University of Michigan haben am letzten Freitag über 1.000 Magister-Studenten ihren viertägigen Streik vorerst ausgesetzt. Bei einem Treffen am späten Freitagabend gab die Organisation der Hochschulabsolventen (GEO) bekannt, dass ihr Führungskomitee die Verlängerung des Streiks um eine weitere Woche befürwortet. Eine offizielle Entscheidung wird zum Anfang dieser Woche erwartet.
Die Unterstützung für eine Fortsetzung und Ausweitung des Kampfs ist unter den streikenden Studenten sehr groß. Am letzten Mittwoch, den 9. September, lehnten die studentischen Hilfskräfte einen ersten Vorschlag der Universitätsleitung mit über 700 zu 400 Stimmen ab. Der Vorschlag hätte keine einzige ihrer Forderungen erfüllt. Gleichzeitig werden den Studenten Repressalien angedroht, wenn sie ihren Streik fortsetzen.
Bei dem Treffen am Mittwoch hatte ein Teil der GEO-Führung sich für die Beendigung des Streiks ausgesprochen. Am Freitagabend trat zwar die ganze Führung einheitlich für eine Verlängerung des Streiks bis zum Ende dieser Woche auf, es ist jedoch unklar, ob diejenigen, die am Mittwoch für die Beendigung des Streiks plädierten, ihre Position geändert haben.
Die Unterstützung für den Streik ist seit der Abstimmung am Mittwoch auf dem Campus, im gesamten Stadtgebiet und darüber hinaus enorm gewachsen.
Ein Dozent aus Columbia erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „Die Hochschulabsolventen in Michigan werden in erstaunlicher Weise aktiv und setzen sich selbst einem großen Risiko aus (...) Sie fordern von ihrer Universität angemessene Unterstützung für diese Zeit der außergewöhnlichen Bedingungen, sichere Arbeitsplätze für alle und den Abzug aller Polizisten vom Campus – und sie sind bereit, für die Durchsetzung dieser Forderungen zu kämpfen.“
Universitätsangestellte, zum Beispiel diejenigen von Resstaffs (Residential Advisors und Diversity Peer Educators), haben begeisterte Solidaritätsschreiben veröffentlicht, und viele haben sich am Donnerstag und Freitag den Streikposten angeschlossen. Fast 500 Pädagogen haben ein Unterstützungsschreiben der Fakultät unterzeichnet, das über soziale Medien verbreitet wurde. Gymnasiasten aus der Region haben sich ebenfalls an die Studenten gewandt, um Hilfe bei der Organisation von Solidaritätsaktionen für die Streikenden zu erhalten. Das Personal der Universitätsmensa schlug am Freitag zunächst eine Arbeitsniederlegung zur Unterstützung des Streiks vor, zog sich aber wieder zurück, als die Uni mit Sanktionen drohte.
Wenn auch die Situation an der Universität von Michigan den Kampf am schärfsten zum Ausdruck bringt, so tobt er doch gleichzeitig an Hunderten weiterer Colleges und Universitäten. Überall in den USA verwandeln sie sich in Schlachtfelder, auf denen der Kampf gegen die Covid-19-Pandemie ausgefochten wird.
Einem Bericht vom 11. September in USA Today zufolge haben sich 19 der 25 schlimmsten Corona-Ausbrüche der USA im Umkreis eines Colleges ereignet, das im Präsenzunterricht wiedereröffnet wurde.
Die San Diego State University (SDSU) machte kürzlich landesweit Schlagzeilen wegen ihrer extrem fahrlässigen Wiedereröffnungspraxis, die zu mindestens 513 bekannten Corona-Fällen auf dem Campus geführt hat. Hunderte von Studenten der University of California (UC) haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie sich gegen die Bestrebungen zur Wiedereröffnung der UC San Diego aussprechen. Sie schreiben: „Die Universität wird als Unternehmen und nicht als Gemeinschaft geführt. Auf Kosten des Wohlergehens der Gemeinschaft wird Fördergeldern Priorität eingeräumt.“
An der Universität von Wisconsin in Madison wurden 2.230 auf dem Campus lebende Studenten in eine zweiwöchige Quarantäne geschickt, nachdem 846 Studenten als Covid-19-positiv registriert worden waren. Die Illinois State University hat den höchsten Prozentsatz an Fällen von allen Fakultäten in Illinois. Hier wurden 6,45 Prozent der Studenten positiv auf das Virus getestet. Schüler und Lehrer in Iowa organisierten in der vergangenen Woche einen eintägigen Streik.
In all diesen Kämpfen setzen sich Lehrer, Studenten, Dozenten und Mitarbeiter für ein Ende des rücksichtslosen Präsenzunterrichts ein. Sie fordern die Bereitstellung von Mitteln für sichere Bildung und für das digitale Lernen, sowie eine wissenschaftsbasierte Politik. In diesem Kampf stehen die Universitätsverwaltungen auf der andern Seite, wie auch die wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften und beide großen Parteien, die Demokraten wie die Republikaner.
Was diese Politik seit Ausbruch der Pandemie antreibt, das sind die sozialen Interessen der Wall Street, der Konzernmanager und der Kapitalistenklasse als Ganzes, während die breite Bevölkerungsmehrheit Gesundheit und Leben erhalten will.
Die Trump-Regierung hat bei dieser Politik eine Vorreiterrolle übernommen. Die aufgezeichneten Interviews, die Bob Woodward diese Woche veröffentlichte, zeigen, dass das Weiße Haus bewusst über die Bedrohung gelogen und versucht hat, die Gefahr zu verharmlosen.
Trump hat jedoch viele Helfer und Anstifter gehabt. An der Universität von Michigan wird der Verwaltungsrat von Beamten geführt, die enge Beziehungen zu bestimmten Konzernen und dem politischen Establishment pflegen, insbesondere der Demokratischen Partei. Die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, steht an der Spitze der Kampagne zur Wiedereröffnung von Fabriken, darunter auch der Autowerke, und schickt die Arbeiter gnadenlos zurück an die Arbeit, obwohl die Bedingungen lebensgefährlich sind.
Die American Federation of Teachers, die Lehrergewerkschaft, zu der auch die GEO gehört, hat den Streik bewusst isoliert. Während es im ganzen Land eine wachsende Welle öffentlicher Unterstützung für den Streik gab, hat die AFT-Präsidentin Randi Weingarten, ein Mitglied der Demokratischen Partei, die Existenz des Streiks bisher nicht einmal öffentlich anerkannt, geschweige denn unterstützt.
Die rücksichtslose und kriminelle Wiedereröffnungskampagne der Universitäten und Betriebe ist Teil einer umfassenden Politik der herrschenden Klasse, die sowohl von den Demokraten als auch von den Republikanern betrieben wird. Sie hat schon zu fast 200.000 Toten geführt. Die University of Washington schätzt mittlerweile, dass die Zahl der Todesfälle bis Ende des Jahres auf über 400.000 steigen könnte.
In einer Erklärung vom letzten Freitag schrieb der US-Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Joseph Kishore: „Die herrschende Klasse der Vereinigten Staaten verfolgt zusammen mit ihren Partnern auf der ganzen Welt eine uneingestandene Politik der ,Herdenimmunität‘. Das heißt, dass man dem Virus erlauben soll, sich ungehindert auszubreiten, komme was da wolle. Die Wirtschaft muss wieder laufen, die Arbeiter müssen wieder Gewinne erarbeiten, die Schulen müssen geöffnet werden.“
Weiter heißt es in der Erklärung: „Die Fragen, um die es geht – Schutz vor dem Coronavirus, finanzielle Sicherheit, Widerstand gegen Militarismus und Polizeigewalt – können innerhalb der Universität nicht gelöst werden.
Es sind Massenprobleme, die das Eingreifen der Arbeiterklasse im ganzen Land und tatsächlich auf der ganzen Welt erfordern. Es geht um den Kampf gegen ein ganzes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das die sozialen Bedürfnisse dem privaten Profit und der Anhäufung von Vermögen durch die Reichen unterordnet (...) Das ist die zentrale Frage: Der Kampf gegen die Pandemie ist ein Kampf gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus.“
Die SEP und ihre Jugend- und Studentenorganisation, die International Youth and Students for Social Equality, fordern die Studenten, Lehrer und Mitarbeiter der University of Michigan auf, sich der Arbeiterklasse zuzuwenden und ihren Kampf mit dem der gesamten Arbeiterklasse gegen das kapitalistische System zu verbinden.
Siehe auch:
Die Coronavirus-Verschwörung: Was wussten die US-Regierung, der Kongress und die Medien, und wann?
[12. September 2020]
Spanische Regierung fordert Schulöffnung trotz steigender Covid-19-Todesfälle
[12. September 2020]