Bidens Wahlkampfwerbung gegen Trump: Nicht die herrschende Klasse, sondern China ist schuld an Corona-Pandemie

In den letzten Tagen haben der mutmaßliche Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, und seine Unterstützer Wahlkampfspots veröffentlicht, in denen China für die Corona-Krise verantwortlich gemacht wird. Diese Spots gehen in dieser Frage sogar noch weiter als Präsident Trump und attackieren diesen für sein „Einknicken“ vor dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Außerdem soll Trump die angebliche Verantwortung der chinesischen Regierung für die Ausbreitung des Virus auf die USA und andere Staaten vertuschen.

Laut diesem konstruierten Narrativ ist China der Hauptverantwortliche für die soziale und wirtschaftliche Katastrophe, die das Coronavirus ausgelöst hat. In Wirklichkeit ist die amerikanische Oligarchie dafür verantwortlich. Sie hat keine Vorbereitungen gegen die Pandemie getroffen und sie benutzt, um sich selbst Billionen Dollar aushändigen zu lassen.

Mit diesen Werbespots stellt sich Biden hinter die Hetzkampagne gegen China, mit der Trump von der Gleichgültigkeit seiner Regierung gegenüber der Gesundheit und dem Leben amerikanischer Arbeiter ablenken und die wachsende soziale Wut auf einen äußeren Feind lenken will. Biden versucht lediglich, die chauvinistische und kriegstreibende Agitation gegen Trump selbst zu richten.

Letzten Freitag wurde in den umkämpften Bundesstaaten ein Werbespot veröffentlicht, in dem es heißt: „Während ich spreche, zensiert China Forschungen zu Covid-19, sodass es für alle anderen schwerer wird, das Virus zu besiegen. Präsident Trump tut nicht genug dagegen. Die unbequeme Wahrheit ist, dass Donald Trump Amerika anfällig gemacht hat für diese Pandemie und Amerika ihr ausgesetzt hat. Er hat die Warnungen von Gesundheitsexperten und Geheimdiensten ignoriert und stattdessen der chinesischen Führung vertraut. Jetzt zahlen wir alle den Preis dafür...“

Biden erklärt weiter: „Wenn ich Präsident bin, werde ich die CDC-Beamten [US-Seuchenschutzbehörde] wieder nach China schicken und darauf beharren, dass sich die Chinesen an ihre Verpflichtungen halten, statt Peking die Gesundheit und Sicherheit der amerikanischen Bevölkerung anzuvertrauen. Und ich werde eine internationale unabhängige Untersuchung der Umstände des Coronavirus-Ausbruchs und der Reaktion Chinas darauf fordern.“ Das Ganze wird begleitet von einem Videoclip eines asiatischen Medizintechnikers bei der Arbeit, was an anti-asiatischen Rassismus appellieren soll.

Am Samstag folgte ein noch hysterischerer Werbespot, der von American Bridge gesponsert wurde, einem wichtigen Political Action Committee (einer Wahllobby) der Demokraten. Darin ist ein Video vom 25. Februar zu sehen, auf dem Biden China gegenüber erklärt: „Wir müssen in Ihrem Land sein. Sie müssen offen und ehrlich sein.“

Dann erklärt der Erzähler: „Doch Trump ist vor den Chinesen eingeknickt. Er hat sie beim Wort genommen.“

Weiter heißt es: „Trump hat niemals ein Team der CDC nach China geschickt. Und das Reiseverbot, mit dem er so angibt? Nachdem Trump es unterzeichnet hatte, sind 40.000 Reisende aus China nach Amerika gekommen, es ist also nicht gerade luftdicht.“ Zuletzt ist ein Bild von Trump bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Xi zu sehen.

Welche Botschaft sollen diese Spots verbreiten? Dass Dutzende Millionen Amerikaner arbeitslos und bereits zehntausende gestorben sind, weil Trump eine Marionette des Regimes der Kommunistischen Partei Chinas ist. Biden hingegen wird sich den Chinesen ernsthaft entgegenstellen, notfalls vermutlich mit militärischen Mitteln.

Dieses verzerrte und vergiftete Narrativ ignoriert die wirklichen Gründe für Trumps Vernachlässigung der Bedrohung durch das Coronavirus im Februar und Anfang März. Damals verharmloste Trump das Virus, weil er und das gesamte politische, wirtschaftliche und mediale Establishment sich auf die Gefahr für die Finanzmärkte und die Vermögen der Wirtschafts- und Finanzelite durch den Ausbruch konzentrierten.

Die herrschende Klasse hat geplant, wie sie die ausufernde Krise im Gesundheitswesen ausnutzen kann, um ein beispielloses Rettungspaket für die Wall Street und das Großkapital durchzusetzen.

Biden hat keine prinzipiellen Einwände gegen Trumps Weigerung, ernsthafte Anstrengungen zum Schutz von Menschenleben und zur Beendigung der Pandemie zu unternehmen. Letzten Monat haben er und seine demokratischen Parteigenossen das Rettungspaket nahezu einstimmig unterstützt. Biden selbst hat später die Bestrebungen unterstützt, die Wirtschaft wieder hochzufahren und Arbeiter ohne echten Schutz vor dem Virus wieder in die Betriebe zu zwingen, obwohl die Zahlen der Infizierten und der Toten weiterhin auf Rekordniveau steigen.

Biden war Vizepräsident einer Regierung, die acht Jahre lang keine ernsthaften Vorbereitungen auf eine Pandemie getroffen hat. Dabei wurde sie mehrfach von Medizinern und Experten für öffentliche Gesundheit gewarnt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis ein Virus auftaucht, das sich weltweit ausbreiten und Millionen Todesopfer fordern könnte.

Stattdessen hat er dabei geholfen, der Wall Street nach dem Finanzcrash von 2008 Billionen Dollar zukommen zu lassen, und die Militärausgaben erhöht, um Kriege in Afghanistan, dem Irak, Libyen, Syrien und dem Jemen zu führen.

Nachdem Biden die Wiedereröffnung der Betriebe befürwortet hatte, wurde er letzte Woche von Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und Elizabeth Warren unterwürfig unterstützt. Die Rolle von Sanders und Konsorten, denen sich am Dienstag auch Barack Obama anschloss, besteht darin, Biden einen „progressiven“ Anstrich zu verpassen und die Illusion zu schüren, er könne zu einem Linksruck gezwungen werden.

Doch die anti-chinesischen Spots haben diese Behauptungen bereits als Betrug entlarvt. Tatsächlich ist die Unterstützung der nominellen „Linken“ in der Demokratischen Partei für Biden Teil einer koordinierten Kampagne mit dem Ziel, eine Koalition der „nationalen Einheit“ aufzubauen. Diese soll von Biden angeführt werden und das ganze Spektrum der offiziellen bürgerlichen Politik mit einbeziehen.

Die akute soziale, wirtschaftliche und politische Krise des amerikanischen Imperialismus wurde zwar durch den Ausbruch des Virus vorangetrieben, hatte sich aber schon vorher mit enormer Geschwindigkeit entwickelt. Vor diesem Hintergrund betrachten breite Teile des politischen und wirtschaftlichen Establishments Trump als zu diskreditiert und zu labil, um eine schwere soziale Explosion innerhalb der USA zu bewältigen, und als zu inkompetent und unzuverlässig, um die internationalen Interessen des US-Imperialismus zu verteidigen.

Das vorherrschende Thema der Unterstützungserklärungen von Sanders, Warren und Obama war, dass angesichts der Corona-Krise „Einheit“ notwendig sei. Warren erklärte in ihrer Stellungnahme: „In dieser Zeit der Krise ist es wichtiger als je zuvor, dass der nächste Präsident das Vertrauen der Amerikaner in eine gute, effektive Regierung wiederherstellt.“

Obama erklärte: „Gerade jetzt müssen sich alle Amerikaner, die guten Willens sind, zu einem großen Erwachen vereinigen [...] Amerikaner jeder Couleur müssen in der Politik und im öffentlichen Leben aktiv werden wie nie zuvor.“

Der führende Kolumnist der New York Times, Thomas Friedman, schilderte am 7. April in einem Kommentar mit dem Titel „USA werden Kabinett der nationalen Einheit unter Biden brauchen“ das Drehbuch. Er rief Biden auf, im Vorfeld der Wahl ein zukünftiges Kabinett zusammenzustellen, das von „linken Demokraten wie Bernie Sanders bis zu rechten Republikanern wie Mitt Romney reicht“. Er warnte: „Die gesellschaftliche Belastung wird enorm sein, wenn die Leute ihre verlorenen Ersparnisse, Unternehmen und Arbeitsplätze vollständig realisieren, während die Zahl der Insolvenzen steigt und weniger Arbeiter eingestellt als entlassen werden [...] Wenn diese Fragen nicht von beiden Parteien gemeinsam bewältigt werden, dann werden sie unser Land zerreißen.“

Die Washington Post ging am 16. April in einem Leitartikel mit dem Titel „Die Anti-Trump-Koalition entsteht. Linke und Rechte müssen sich vereinen“ weiter auf das Thema ein. Der Leitartikel schloss mit den beiden zentralen Themen einer Einheitsregierung unter Biden: Militarismus und Austerität.

Darin hieß es: „Wem etwas an einer starken nationalen Verteidigung liegt, sollte sich darum Sorgen machen, dass er [Trump] die Beziehungen zu engen Verbündeten zerstört und sich ausländischen Diktatoren angenähert hat, die den USA schaden wollen. Wer sich jemals Gedanken um die Staatsschulden gemacht hat, sollte über sein mangelndes Interesse an der Sanierung der Regierungsfinanzen erschüttert sein.“

Rechte Republikaner wie George Conway (der Mann von Trumps Beraterin Kellyanne Conway) Steve Schmidt (John McCains Wahlkampfmanager 2008), Michael Gerson (Redenschreiber für George W. Bush) und Max Boot (neokonservatives Mitglied der Denkfabrik Project for an American Century und Befürworter des Überfalls auf den Irak 2003) veröffentlichten letzte Woche ähnliche Kolumnen.

Bloomberg veröffentlichte letzte Woche einen Kommentar mit dem Titel „Diese Pandemie wird zu sozialen Revolutionen führen“, in dem deutlich gemacht wird, welche Befürchtungen hinter dem Projekt einer rechten parteiübergreifenden Regierung unter Biden stecken.

Der Autor Andreas Kluth entlarvt die offiziellen Parolen von „Einheit“ im Angesicht der Pandemie und schreibt: „Vor allem verschlimmert Covid-19 die bestehende Ungleichheit, wo immer es hinkommt. Es wird nicht lange dauern, bis es zu sozialen Unruhen, Aufständen und Revolutionen kommt.“ Er weist auf die weltweit zunehmende Zahl von Massenstreiks und Protesten seit 2017 hin und schreibt: „Mit der Zeit könnten sich diese Leidenschaften zu neuen populistischen und radikalen Bewegungen entwickeln, die jedes Ancien Regime beiseite fegen, das sie als den Feind betrachten.“

Dass der halb-senile und fast 80-jährige Biden eine revolutionäre Gefahr durch die Arbeiterklasse abwehren soll, ist selbst ein Ausdruck der Tiefe der politischen Krise der herrschenden Klasse. Doch die Arbeiterklasse sollte gewarnt sein: Die Kapitalistenklasse trifft Vorbereitungen auf ihre Konterrevolution.

Die Arbeiterklasse muss ihre eigenen bewussten Vorbereitungen treffen. Dies erfordert vor allem einen entschiedenen Bruch mit der Demokratischen Partei und den Aufbau einer politisch unabhängigen, revolutionären sozialistischen Massenbewegung. Dieses Programm vertreten die Kandidaten der Socialist Equality Party Joseph Kishore (Präsident) und Norissa Santa Cruz (Vizepräsidentin).

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