Merkels Antwort auf die Krise: Notstandsmaßnahmen für die Bevölkerung – unbeschränkte Kredite für Konzerne und Banken

Auf einer Pressekonferenz kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern Abend weitgehende Notstandsmaßnahmen an. Es handle sich um sehr „einschneidende Maßnahmen“, wie sie bisher in Deutschland seit Kriegende nicht getroffen wurden, sagte die Kanzlerin.

Merkel während der Pressekonferenz im Kanzleramt am Montag (AP Photo/Markus Schreiber, Pool).

Die Außengrenzen werden weitgehend geschlossen und die Grenzübergänge scharf kontrolliert. Urlaubsreisen im Ausland und im Inland sind untersagt, Hotelbuchungen für Touristen verboten. Geschäfte werden weitgehend geschlossen, abgesehen von Supermärkten, Apotheken, Tankstellen und Banken. Restaurants werden stark eingeschränkt, große Abstände der Tische festgeschrieben und Besucherzahlen beschränkt.

Alle Schulen, Universitäten, Sport- und Freizeiteinrichtungen werden geschlossen. Zusammenkünfte in Volkshochschulen, Musikschulen und anderen privaten Bildungs- und Freizeiteinrichtungen sind verboten. Auch religiöse Veranstaltungen sind verboten und Kirchen, sowie Moscheen und Synagogen geschlossen.

Diese Maßnahmen sind eine Reaktion auf die rapide Verbreitung des Coronavirus in Deutschland, die bereits viel früher hätte eingedämmt werden müssen. Die Zahl der Infizierten stieg am vergangenen Wochenende von 4800 auf 6900 und die der Toten auf 16. Das selbst ist ein Ergebnis der Tatsache, dass die Bundesregierung bisher grob fahrlässig auf die Ausbreitung der Pandemie und das dramatische Ansteigen der Infektionen in Italien und Spanien reagiert hat.

Die Einschränkung sozialer Kontakte ist notwendig, um die exponentielle Ausdehnung der Pandemie zu bremsen – darüber sind sich Experten einig. Doch während die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung drastisch eingeschränkt wird, unternimmt die Regierung so gut wie nichts, um die gefährliche Krankheit aktiv zu bekämpfen.

So fand sich in Merkels Rede kein Wort über die Durchführung flächendeckender Virustests. Dabei ist aus China und Südkorea längst bekannt, dass massenhafte Tests von entscheidender Bedeutung sind, um das Virus einzudämmen. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hat dies dringend empfohlen. Merkel hat auch keine Maßnahmen angekündigt, um zusätzliche Krankenhauskapazitäten aufzubauen.

Das Leben der Menschen hat für die Bundesregierung nicht oberste Priorität, sondern die Interessen der Wirtschaft. „Wir wollen die wirtschaftlichen Prozesse so weit wie möglich erhalten,“ erklärte Merkel gleich zu Beginn der Pressekonferenz. Während sie betonte, wie gefährlich enger sozialer Kontakt für die Verbreitung des Virus ist, fehlte ein Bereich, in dem jeden Tag Hunderttausende stundenlang auf engstem Raum zueinander in Kontakt stehen, völlig auf ihrer Verbotsliste – die Produktionsbetriebe.

Die Beschäftigten werden gezwungen, ihre Arbeit fortzusetzen – und zwar auch in Betrieben, deren Produktion nicht das geringste mit der öffentlichen Daseinsvorsorge zu tun hat. Man kann das nicht anders bezeichnen als politisch kriminell.

Die Schulen werden geschlossen, aber die Lehrer sind verpflichtet, im verseuchten Schulgebäude anwesend zu bleiben und Notfalldienstpläne auszuarbeiten. Nicht anders ist es in Kindergärten und Betreuungseinrichtungen.

Bereit am Freitag hatte die Bundesregierung ein Hilfspaket für Konzerne und Banken „in unbegrenzter Höhe“ angekündigt. Nachdem die Große Koalition und ihre rot-grünen Vorgänger die Sozialsysteme und das Gesundheitswesen jahrzehntelang kaputtgespart haben, sollen nun mindestens 500 Milliarden Euro, locker gemacht werden, um Konzerne und Banken vor den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu schützen. Das ist mehr als ein gesamter Jahreshaushalt des Bundes oder das legendäre Bankenrettungspaket von 2008.

„Es ist genug Geld da, und wir setzen es ein“, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der zu den Hohepriestern der „Schwarzen Null“ gehörte, wenn es um höhere Renten oder Hartz-IV-Gelder ging.

Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) behaupten zwar immer, es gehe um die Rettung von „Beschäftigten und Unternehmen“, und stellen die Arbeitsplätze in den Vordergrund. Doch das ist reine Augenwischerei. Schon beim Bankenrettungspaket 2008 wurde von sozialer Abfederung der Beschäftigten gesprochen. Was kam, waren massive Sparprogramme und Sozialkürzungen für die Arbeiter, während sich die Finanzoligarchie hemmungslos bereicherte.

Das Programm sieht, neben einem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld und der Übernahme der Sozialausgaben durch den Bund, umfassende Liquiditätshilfen und Steuerstundungen für Unternehmen und Banken vor.

Deutlicher könnte der Klassencharakter der Politik der Großen Koalition kaum dargestellt werden. Während Corona-Tests verweigert und Arbeiter trotz unmittelbarer Ansteckungsgefahr gezwungen werden, in die Fabriken zu gehen, öffnet die Bundesregierung die Staatskasse für den unbeschränkten Zugriff der Finanzoligarchie.

Vor allem Großkonzerne werden begünstigt. Standen Kredithilfen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bisher kleinen und mittleren Unternehmen bis zu einem Jahresumsatz von 500 Millionen Euro zur Verfügung, wird diese Grenze jetzt auf zwei Milliarden Euro erhöht. Und in schon bestehenden Programmen für große Unternehmen steigt die Umsatzgrenze auf fünf Milliarden Euro. Die Risikoübernahme durch die KfW wird zudem auf bis zu 80 Prozent des Kreditvolumens erhöht.

„Regierung stellt Blankoscheck aus“, titelte die F.A.Z. „Es wird nicht gekleckert, es wird geklotzt“, sagte Finanzminister Olaf Scholz und fügte hinzu: „Das ist jetzt die Bazooka!“

Obwohl das gigantische Finanzpaket weitgehende politische Konsequenzen hat und dramatische Sparmaßnahmen auslösen wird, wurde es weder im Bundestag noch in der Länderkammer ernsthaft diskutiert. An einem einzigen Tag wurde es vom Kabinett verabschiedet, vom Bundestag und der Länderkammer einstimmig beschlossen und vom Bundespräsidenten unterschrieben. Nie zuvor ist ein derart umfassendes Finanzpaket in einem solchen Schnellverfahren durch die Verfassungsgremien gepeitscht worden. Die Abgeordneten hatten noch nicht mal die Zeit, es zu lesen, geschweige denn in den Ausschüssen zu beraten.

Die Vertreter der Wirtschaftsverbände waren begeistert. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sprach von einem geeigneten Mittel. Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander, sagte: „Wir sind sehr zufrieden“. Erst vergangene Woche hatte sein Verband exakt das gefordert, was die Regierung nun beschlossen hat.

Auch die Gewerkschaften und die Linkspartei stimmten in den Jubelchor ein. „So viel Einigkeit war lange nicht mehr zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern“, kommentierte die Tagesschau. „Rundweg zufrieden zeigten sich die Spitzenvertreter beider Seiten mit dem, was der Bundestag beschlossen und die Bundesregierung angekündigt hat zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise.“

Die unterschiedlichen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern spielten jetzt nicht die große Rolle – sondern die gemeinsame Verantwortung, dass es weiterlaufe in der Wirtschaft, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Es gelte zu zeigen, „dass wir auch in einer solchen Krisensituation handlungsfähig sind“.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte im Deutschlandfunk, es müsse alles getan werden, damit die Wirtschaft angesichts der Ausbreitung des Virus am laufen gehalten werde. Angesichts der Krise sei es für die Opposition nicht die Zeit, mit großer Kritik zu reagieren. „Also das, was ich von Frau Merkel und Herrn Söder höre: ‚Wir tun alles was notwendig und möglich ist‘ – das ist der vernünftige Ansatz“, sagte er.

Loading