Entscheidung der Richterin: Assange bleibt von seinen Anwälten getrennt

Am Donnerstag endete bereits die erste Woche des Auslieferungsverfahrens USA vs. Julian Assange im Amtsgericht Belmarsh. Richterin Vanessa Baraitser wies einen Antrag der Verteidigung zurück, Assange neben seinen Verteidigern sitzen zu lassen.

Baraitser erklärte, Assange müsse weiterhin in dem Anklagekäfig hinter kugelsicheren Glasscheiben sitzen, wenn im Mai die Beweisphase beginnt. In den USA droht Assange eine Anklage in mehreren Punkten nach dem Espionage Act, weil er US-Kriegsverbrechen enthüllt hat. Es wird sogar befürchtet, dass die Trump-Regierung ein Todesurteil anstrebt.

In der Nacht auf den Donnerstag hatten Assanges Anwälte in einer Eingabe an Baraitser dargelegt, auf welche Weise das Recht ihres Klienten auf einen fairen Prozess missachtet wird. Davor hatte Assange mutig vor Gericht protestiert.

In der Eingabe werden folgende Kritikpunkte an der jetzigen Situation aufgezählt: „i) Die räumliche Anordnung im Gerichtssaal und die Distanz zwischen Assange und seinen Verteidigern; ii) die starke Belegung des Gerichts, so dass sich die Verteidigung nicht frei bewegen kann, um Anweisungen zu erhalten oder Ratschläge zu geben; iii) die schlechte Akustik und Verstärkung der Geräuschkulisse besonders hinter Glas und nahe der hörbaren Proteste; iv) die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Anklagebank im Woolwich Crown Court, die es unmöglich machen, Notizen und vertrauliche Instruktionen auszutauschen; v) der eingeschränkte Zugang zu Treffen mit den Anwälten außerhalb der Sitzungszeiten, und vi) Assanges prekäre psychische Verletzlichkeit, seine anhaltende Medikation und die erhöhte emotionale Belastung durch das Verfahren. Das Gericht ist sich darüber bewusst.“

Baraitser reagierte darauf offen bösartig. Sie wies alle Bedenken zurück und erklärte Assange und seinen Anwälten: „Sie hatten bisher überhaupt keine Schwierigkeiten.“

Assanges Kronanwalt (QC) Mark Summers ging in seiner Erklärung zu der Eingabe auf die Ansichten führender juristischer Autoritäten ein, u.a. des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hatte bei einem früheren Fall in Russland erklärt, dass solche Glaskästen ein Verstoß gegen das grundlegende Recht der Angeklagten auf ein rechtsstaatliches Verfahren seien.

Solche Anklagekäfige hinter Panzerglas, die die Angeklagten vom Rest des Gerichts isolieren, gibt es in England erst seit relativ kurzer Zeit. Sie wurden zwar schon in den 1970ern eingeführt, in ihrer derzeitigen Form als separate, verglaste Räume, gibt es sie jedoch erst seit Anfang der 2000er Jahre. In vielen anderen Justizsystemen, auch in den USA, sitzen selbst Personen, die wegen Gewaltverbrechen angeklagt sind, neben ihren Verteidigern. Das ist kein unwichtiger Bestandteil der Unschuldsvermutung.

Einen Tag zuvor hatte Baraitser behauptet, sie habe keine Befugnis, Assange zu erlauben, neben seinen Anwälten zu sitzen. Aber Summers nannte mehrere gegenteilige Präzedenzfälle und machte deutlich, dass ein Distriktrichter am Amtsgericht sehr wohl die „Befugnis durch das Common Law besitzt, den Ablauf des unter ihm stattfindenden Verfahrens zu bestimmen“.

Baraitser hatte außerdem behauptet, sie müsse erst die Risiken abschätzen, ehe sie Assange erlauben könne, im Hauptbereich des Gerichtssaals zu sitzen. Seine Anwälte erklärten in ihrer Eingabe an Baraitser: „Dieses Gericht ist weder aufgefordert noch verpflichtet, eine ,Risikobewertung‘ zu Assanges Anwesenheit im Hauptbereich des Gerichtssaals durchzuführen.“

Summers erklärte gegenüber Baraitser: „In Terrorismusfällen, in denen Rechtsanwälte beteiligt waren, haben Gefangene der Kategorie AA wochenlang mitten in diesem Gerichtssaal ausgesagt.“ Assange ist Gefangener der Kategorie B, eine Bezeichnung für Angeklagte, von denen nur ein geringes Risiko ausgeht.

Baraitser hatte außerdem behauptet, die Gewahrsamskette würde unterbrochen, wenn Assange im Hauptbereich des Gerichtssaals sitzen würde. Sie fragte Assanges Verteidiger sogar, ob sie einen Antrag auf Kaution stellen wollten. Summers wies diese bewusste Verwirrungstaktik zurück und nannte Präzedenzfälle, aus denen hervorgeht, dass sich „Gewahrsam“ auf jeden Ort im Gerichtsgebäude bezieht, weil der Angeklagte überall im Gefängnis unter strikter Kontrolle steht: „Sobald er einmal in Gewahrsam ist, gibt es keinen Unterschied zwischen der abgetrennten Anklagebox und dem Belmarsh-Woolwich-Tunnel oder einem Gefangenentransport.“

Die Eingabe von Assanges Anwälten macht unzweideutig klar: Assanges Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren wird verletzt, und das Recht auf einen fairen Prozess wird ihm vorenthalten. Doch Baraitser wies sämtliche Punkte von Summers zurück. Sie gab zwar zu, dass sie die Befugnis habe, über das Gerichtsverfahren zu bestimmen, verweigerte Assange jedoch trotzdem das Recht, bei seinen Anwälten zu sitzen. Sie rasselte eine vorbereitete Antwort auf die Eingabe der Verteidigung herunter und erklärte zuletzt: „Mir ist kein besonderer Aspekt Ihres Zustandes bewusst, der es erfordert, dass Sie die Anklagebox verlassen und neben Ihren Anwälten sitzen müssten.“

Das war eine glatte Lüge. Nur drei Tage zuvor hatten Assanges Anwälte vor Gericht aus den medizinischen Gutachten von Professor Kopelman und Dr. Sondra Crosby zitiert, laut denen Assange an schwerer Depression und einem labilen Gesundheitszustand leidet, der sogar lebensbedrohend ist. Nur einen Tag zuvor hatte Baraitser vor Gericht erklärt, Assange stehe unter Medikamenten und habe Konzentrationsprobleme.

Am Donnerstagmorgen wurde weiter über die Definition von politischen Vergehen und dem Verbot einer Auslieferung aus politischen Gründen argumentiert, welches das britisch-amerikanische Auslieferungsabkommen vorsieht.

Die Verteidigung argumentierte, dass Spionage allgemein als „rein politisches Vergehen“ gelte. Deshalb verbietet sich jede Auslieferung wegen dieses Vorwurfs.

Staatsanwalt James Lewis QC sagte als Reaktion darauf, es gebe im englischen Recht keine „klaren Vorgaben“, was ein „rein“ politisches Vergehen sei. Um festzustellen, ob ein Vergehen politisch sei, müsse man „immer den Zweck des Verbrechens betrachten“.

Man müsse untersuchen, ob das Vergehen darauf abziele, „die Regierung zu stürzen oder zu verändern oder sie dazu zu bringen, ihre Politik zu ändern“. Laut der Staatsanwaltschaft kommen die Anklagepunkte gegen Assange „nicht eine Million Meilen in die Nähe dieser Definition“.

Lewis bezeichnete die Frage, ob das angebliche Verhalten, dessen Assange angeklagt wird, ein politisches Vergehen sei, als irrelevant. Er wiederholte die Argumente der Staatsanwaltschaft zu Beginn des Verfahrens und erklärte, da das Auslieferungsgesetz von 2003 die Ausnahme für politische Vergehen in den Auslieferungsgesetzen von 1989 und 1870 abgeschafft habe, könne Assange diesen Schutz nicht für sich beanspruchen.

Assanges Anwalt Edward Fitzgerald QC ging direkt auf die Absurdität dieser juristischen Haarspalterei ein: „Wer einen Moment innehält, wird erkennen, dass wir uns in einer ziemlichen seltsamen Alice-im-Wunderland-Situation befinden“, und die Staatsanwaltschaft führe hier wirklich „bizarre Argumente“ an. Während sie behaupte, das Gesetz von 2003 sei das letzte Wort in dieser Angelegenheit, habe sich schon mehrfach herausgestellt, wie Fitzgerald überzeugend darlegte, dass dieses Gesetz „alles andere als allumfassend ist ... Das Parlament kann nie alle Umstände voraussehen, die sich künftig ergeben werden.“

Fitzgerald fuhr fort, Gerichtsurteile böten bestimmte Rechtsmittel, die nicht zwangsläufig im Wortlaut des Gesetzestextes enthalten sein müssten. Bestimmte Prinzipien, wie das Völkerrecht, seien darin enthalten und würden vorausgesetzt.

Über die Definition, was ein politisches Verbrechen sei, erklärte Fitzgerald, dass allein die Vorwürfe gegen Assange nach den Maßstäben der Staatsanwaltschaft ausdrücklich politisch seien.

Baraitser widersprach Fitzgerald und fragte, warum denn Assanges Taten angeblich darauf abzielten, die Regierungspolitik zu ändern, und nicht einfach Informationen der Regierung zu enthüllen. Fitzgerald antwortete darauf: „Diese beiden Dinge sind eng miteinander verbunden ... Man hat die Spielregeln offengelegt und nachgewiesen, dass die begangenen Kriegsverbrechen gegen die eigenen Regeln verstoßen.“

Er erklärte, dies entspreche „genau der Definition, ‚eine Regierung dazu zu bringen, ihre Politik zu ändern‘ ... Welchen anderen Zweck hätte das sonst haben sollen? ... WikiLeaks hat nicht nur versucht, Veränderungen zu bewirken, sondern dies auch geschafft. Das war einer der Hauptgründe, warum die Politik geändert wurde. Das stand hinter dem Rückzug [aus dem Irak].“

Das Auslieferungsverfahren wird am 18. Mai fortgesetzt. Am 25. März wird am Amtsgericht von Westminster um 10 Uhr morgens eine kurze Verwaltungsanhörung stattfinden. Für den 7. April wurde, ebenfalls um 10 Uhr, eine Fallmanagement-Anhörung am Woolwich Crown Court anberaumt.

Nach der Anhörung erklärte WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson vor der Presse: „Die Verhandlung endete mit einer großen und empörenden Enttäuschung. Die Richterin hat trotz überwältigender Argumente für Julian beschlossen, diesem nicht zu erlauben, aus seinem Glaskäfig herauszukommen und bei den Verteidigern zu sitzen, wenn die Anhörungen im Mai weitergehen. Ich nenne das einen Skandal, denn seine Anwälte haben Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg vorgelegt, bei denen unter ähnlichen Umständen entschieden wurde, dass es völlig gegen die Prinzipien eines fairen Prozesses verstößt, eine Person in einem Glaskäfig zu halten.

Es ist ein Skandal, dass die Richterin nur eine vorbereitete Erklärung verliest, nachdem die Anwälte dieses wirklich friedfertigen Intellektuellen eine Stunde lang für sein Recht argumentiert haben, bei seinen Anwälten im Gerichtssaal sitzen zu dürfen.

Nach diesen vier Tagen haben wir also wieder einmal deutliche Anzeichen dafür, dass es bei diesem Prozess nicht fair zugeht. Julian kann in diesem Gericht nicht auf Fairness hoffen, und ich bin wirklich wütend. Es wurden Beispiele dafür angeführt, dass es auf der ganzen Welt allgemein üblich ist und der Würde und der Fairness entspricht, dass ein Angeklagter neben seinem Anwalt sitzt.

Selbst in Amerika sitzen angeklagte Mörder vor Gericht ohne Fesseln neben ihren Anwälten. In diesem Fall wird ein Herausgeber und Journalist, der gegen seine Auslieferung kämpft, in einen Glaskäfig gesteckt. Unter diesen Bedingungen und mit der offensichtlichen Voreingenommenheit der Richterin ist ein fairer Prozess für ihn unmöglich.

Diese Woche ist sehr trostlos zu Ende gegangen, und sie gibt uns keine Hoffnung, dass in diesem Gericht Fairness walten wird.“

Jennifer Robinson, führendes Mitglied von Assanges Verteidigerteam, erklärte den Medien: „Wie Sie heute Nachmittag gehört haben, hat Assange beträchtliche Schwierigkeiten, an diesem Verfahren teilzunehmen. Er darf seinen Anwälten nicht auf vertrauliche und sichere Weise Notizen zukommen lassen, er darf keine Klarstellungen von seinen Anwälten einholen oder während des Verfahrens Anweisungen geben. Die Richterin hat ihm verboten, die Anklagebox zu verlassen und ordentlich an der Verhandlung teilzunehmen. Das weckt natürlich ernsthafte Bedenken in Bezug auf sein Recht auf einen fairen Prozess und seine Fähigkeit, angemessen teilzunehmen und sich zu verteidigen.

Diese Woche war wirklich wichtig bei der Darlegung der Argumente der Verteidigung. Man hört endlich, wie die USA in ihrer Anklage die Fakten verzerrt haben, um seine Auslieferung zu rechtfertigen. Und das natürlich in einem beispiellosen Fall: Es ist das erste Mal, dass das Auslieferungsgesetz gegen einen Herausgeber angewandt wird. Ein Auslieferungsantrag wurde gestellt, weil er Beweise für Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Korruption auf der ganzen Welt veröffentlicht hat.

Wir haben diese Woche gehört, dass WikiLeaks dieses Material veröffentlicht hat, nachdem Chelsea Manning es WikiLeaks übergeben hatte. Manning sagte in ihrem eigenen Prozess in den USA, sie habe es aus Gewissensgründen getan, wegen der Kriegsverbrechen, die sie selbst erlebt hatte, und die sie mit ihrem Material entlarven konnte.

Dieses Verfahren schafft einen schrecklichen Präzedenzfall für die Pressefreiheit. Angesichts dessen, was wir heute gehört haben, sind wir in Bezug auf den Prozess sehr besorgt. Und es ist wichtig, dass wir diese Entwicklungen bis Mai verfolgen.“

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