Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bekräftige zwischen den Feiertagen ihre Forderung nach einer massiven Ausweitung des deutsch-französischen Feldzuges in der Sahel-Region. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte sie, das deutsche Militär dürfe sich in dieser Region „nicht wegducken“.
Während die Bundeswehr bislang vor allem logistische Aufgaben übernimmt und die Truppen des malischen Regimes ausbildet, sei das französische Militär „mit einem viel robusteren Auftrag unterwegs“. Es sei jedoch zunehmend fraglich, „ob es bei dieser Arbeitsteilung bleiben kann“. Deutschland, so die Ministerin, müsse künftig in seinem „eigenen Interesse“ in der Region „für Stabilität sorgen“ und benötige dazu „ein robusteres Ausbildungsmandat“.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), stieß in dasselbe Horn und forderte „eine einheitliche Koordination und Führung“ der gesamten „zivilen und militärischen Hilfe für die prekären Sahel-Staaten“. Europa dürfe das Scheitern der pro-westlichen Regierungen „nicht ohnmächtig mit ansehen“. Eine engere Zusammenarbeit mit den französischen Truppen sei dazu „gewiss der richtige Ansatz“, so Bartels.
Die Bundewehr ist seit 2013 in Mali stationiert. Bis zu 1100 deutsche Soldaten haben im Rahmen der UN-Mission Minusma logistische Aufgaben übernommen und unterstützen die Operation Serval (seit 2014: Barkhane) der französischen Armee, die das unpopuläre Regime in Bamako mit 3500 Soldaten gegen oppositionelle Milizen verteidigt. Weitere 156 Bundeswehrsoldaten bilden im Rahmen der EU-Mission EUTM malische Soldaten aus.
Auch im benachbarten Niger, der insbesondere von Deutschland hochgerüstet wurde, unterhält die Bundeswehr einen Militärstützpunkt, der als „Drehscheibe“ für alle deutschen Militäroperationen in der Sahel-Region fungiert. Bundeswehr-Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte der Marine (KSM) befinden sich in dem Land seit Monaten ohne Mandat im Kampfeinsatz und bilden zugleich Sondereinheiten des nigrischen Militärs aus.
Minusma gilt mit 116 Blauhelmsoldaten, die zwischen 2013 und 2017 gefallen sind, als verlustreichste UN-Mission seit dem Koreakrieg.
Das französische Militär geht mit großer Brutalität gegen die Aufständischen vor und löst damit wachsenden Widerstand aus. Vor zwei Wochen hat es zum ersten Mal offiziell eine bewaffnete Drohne eingesetzt und dabei in der Region Mopti sieben Rebellen getötet. 33 weitere wurden „außer Gefecht gesetzt“, wie Präsident Macron bei einem Besuch in der Elfenbeinküste erklärte. Zuvor waren bei einem Hubschrauberunglück 13 französische Soldaten getötet worden.
Hauptgrund für die Verschärfung des Kriegs in Mali und der Sahelzone ist sein neokolonialer Charakter. Er eskaliert vor allem deshalb, weil er die Interessen der ehemaligen französischen Kolonialmacht und des europäischen Imperialismus gegen ihre internationalen Rivalen verteidigt. Die Region ist ein Brennpunkt wachsender Rivalitäten zwischen Europa, den USA, China, Russland und selbst Indien, die alle versuchen, in Afrika Fuß fassen. Sie enthält wichtige Rohstoffe wie Gold und Uran.
Außerdem bemühen sich Frankreich und Deutschland, Flüchtlinge aus Afrika an der Weiterreise Richtung Mittelmeer und Europa zu hindern, indem sie die Grenze abschotten und Konzentrationslager errichten. Allein in Mali und seinen Nachbarländern sitzen derzeit nach Schätzung der Vereinten Nationen eine Viertelmillion Flüchtlinge fest. Das Ergebnis dieser neokolonialen Kampagne sind unsägliches Leid und tausende Tote.
Der von Kramp-Karrenbauer und der Großen Koalition angestrebte Kampfeinsatz der Bundeswehr in Mali verfolgt das Ziel, den brutalen Krieg gegen islamistische Rebellen, die einheimische Bevölkerung und afrikanische Flüchtlinge zu verschärfen und den Interessen des deutschen Imperialismus in Afrika Nachdruck zu verleihen.
Erst im November hatte die Bundesregierung in Berlin eine Afrika-Konferenz durchgeführt, an der Staats- und Regierungschefs aus zwölf afrikanischen Ländern teilnahmen. Sie sollte deutschen Konzernen den Zugang nach Afrika bahnen.
„Wer Geschäfte machen will, kommt an Afrika nicht vorbei,“ kommentierten damals deutsche Medien. Und: „Es entspricht unserem ureigenen Interesse, wenn sich Deutschland, wenn sich Europa insgesamt viel stärker Afrika zuwendet und sich dort engagiert. Politisch wie wirtschaftlich.“
Um diese Ziele zu erreichen, ist die Große Koalition bereit, Menschen zu töten und das Leben von Soldaten zu opfern.
Auf die Frage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, „Wird unser Blutzoll höher, wenn wir mehr Verantwortung übernehmen?“, antwortete Kramp-Karrenbauer bejahend: „Jeder Einsatz ist gefährlich.“ Die Sicherheitssituation in Mali habe sich massiv verschlechtert. „Das stellt uns alle in Europa vor die Frage, wie wir mit dieser Region umgehen, in unserem eigenen Interesse.“
„In der Sahelzone“, so Kramp-Karrenbauer, „entsteht zur Zeit eine große Drehscheibe für Terrorismus, für organisierte Kriminalität, für Migration und Menschenhandel. Wir werden überlegen und entscheiden müssen, ob wir in unserem eigenen Interesse an Ort und Stelle für Stabilität sorgen wollen und ob die Bundeswehr hier nicht an der Seite unserer Verbündeten ein robusteres Ausbildungsmandat braucht.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Mali und die Sahel-Zone sind dabei nur eine Weltregion, in der die Bundeswehr verstärkt zum Einsatz kommen soll. In einem „Tagesbefehl zum Jahreswechsel“ bereitet die Verteidigungsministerin „unsere Soldatinnen und Soldaten“ auf eine massive Eskalation internationaler Einsätze vor.
„Verantwortungsvolle Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ bedeute, „unsere Partnerschaften und Bündnisse“ zu stärken, „die Lasten gemeinsam [zu] tragen“ und „das ganze Spektrum unserer Fähigkeiten in den Einsatz zu bringen“, schreibt sie. Es sei „eine gute Nachricht, dass der Verteidigungshaushalt das sechste Jahr in Folge steigen wird: Für das Jahr 2020 stehen uns mehr als 45 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind gut 1,8 Milliarden Euro mehr als 2019 für eine einsatzbereite Bundeswehr. Die weiteren Wegmarken sind klar: 1,5 % des BIP in 2024, 2,0 % des BIP bis spätestens 2031.“ Das sei die „Grundlage für eine moderne und leistungsstarke Truppe“.
Kramp-Karrenbauers Kurs wird von allen Bundestagsparteien mitgetragen und verteidigt.
Die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken bezeichnete ihren Mali-Vorstoß zwar als „undurchdacht“ und verlangte, dass sie ihre außenpolitischen Vorschläge, „gemeinsam mit dem Außenminister Heiko Maas in verantwortungsvoller Zusammenarbeit in der Koalition entwickelt“.
Doch der sozialdemokratische Außenminister zählt zu den Hauptbefürwortern verstärkter deutscher Militäreinsätze. Als der Bundestag den neuen Militärhaushalt verabschiedete, hatte er mit dem deutschen Engagement in Syrien, Libyen, der Ukraine und Afghanistan geprahlt: „Wer über die Verantwortung Deutschlands in der Welt spricht, der muss zur Kenntnis nehmen, dass in all diesen Krisen, mit denen wir es im Moment zu tun haben, Deutschland mittlerweile meistens die führende Rolle bei der Konfliktlösung übernommen hat.“
Auch die AfD, die Grünen und Linkspartei unterstützen verstärkte Einsätze der Bundeswehr, wenn es um die Wahrnehmung deutscher Großmachtinteressen geht. Große Opposition gibt es dagegen aus der Bevölkerung, die solche Einsätze mehrheitlich ablehnt.
Um diesen Widerstand zu bekämpfen und zu unterdrücken, versprach Kramp-Karrenbauer in ihrem „Tagesbefehl“, die Präsenz der Bundeswehr in der Gesellschaft weiter zu stärken, u.a. durch öffentliche Gelöbnisse vor dem Reichstagsgebäude und an vielen anderen Orten.