Nein zum Ausverkauf! Entreißt der Gewerkschaft United Auto Workers die Kontrolle über den Streik bei General Motors!

Letzten Mittwoch, am 16. Oktober, hat die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) einen vorläufigen Tarifvertrag präsentiert, mit dem der Kampf von 48.000 Autorarbeitern bei General Motors in eine neue Phase eintritt. Um ihn weiterführen zu können, müssen die Arbeiter gegen die UAW mobil machen. Die Gewerkschaft arbeitet eng mit den Autokonzernen zusammen, um einen Vertrag durchzusetzen, der für die kommenden Generationen einen neuen Maßstab an Ausbeutung setzen wird.

Investoren an der Wall Street, die hinter General Motors stehen, haben ihre Haltung gegenüber dem Deal bereits deutlich gemacht. „Wir nehmen weiterhin an, dass eine Ratifizierung des Vertrages ein durchaus solides Ergebnis für GM darstellt“, so der Analyst Joseph Spak. „Die finanziellen Auswirkungen des Vertrags sehen nicht allzu gravierend aus.“

Berichte darüber, dass US-Präsident Trump am selben Mittwoch mit der GM-Chefin (CEO) Mary Barra und dem UAW-Präsidenten Gary Jones telefoniert hat, verdeutlichen die extreme Nervosität in der herrschenden Klasse über den Ausgang des Streiks. Eine Niederlage der GM-Arbeiter würde nicht nur das Lohnniveau der gesamten amerikanischen Arbeiterklasse vorgeben, sondern auch eine große Niederlage für die gesamte Arbeiterklasse bedeuten.

Erst vor einer Woche behauptete die UAW, dass GM seit dem ersten Verhandlungstag nichts Gutes im Schilde geführt hätte. Und dennoch: Die UAW hat den Autoarbeitern nach mehr als 32 Streiktagen einen Vertrag vorgelegt, der in nahezu mit allen, von GM ursprünglich im September vorgeschlagenen Punkten übereinstimmt.

Auf einer Pressekonferenz im Renaissance Center in Detroit, Sitz der Konzernzentrale von GM, log der Gewerkschaftssprecher Brian Rothenberg, dass sich die Balken bogen. Zunächst erklärte er, dass der Deal „nicht nur die dauerhafte Zeitarbeit in der Branche, sondern in der gesamten Nation beenden“ wird. Anschließend verschwieg er jedoch bewusst, dass die UAW die Ausweitung der Beschäftigung rechtloser Niedriglöhner bereits genehmigt hat.

Rothenberg blieb allerdings nichts anderes übrig als zuzugeben, dass die großflächig propagierten „Versprechen“ seitens GM, nämlich Milliardeninvestitionen in den US-Standorten sowie die „Einstellung von 9.000 Arbeitern bzw. die Verlängerung von Arbeitsverträgen“ außen vor gelassen wurde. Das war alles nur leeres Geschwätz.

Die Arbeiter lehnen den Vertrag mit überwältigender Mehrheit ab. Besonders in den sozialen Medien wurde die Opposition gegenüber dem Deal deutlich, was gleichzeitig auf die wachsende Ablehnung der UAW hinweist.

Aus Angst vor Unruhen hat die UAW beschlossen, dass die Autoarbeiter während der laufenden Abstimmung auf ihren Streikposten bleiben können. Allerdings werden die Arbeiter dazu gezwungen, innerhalb einer verkürzten Frist über den Vertrag abzustimmen. Es wird ihnen keine Zeit eingeräumt, die Details genau zu studieren und untereinander zu diskutieren. Der Tarifvertrag wurde nicht einmal den Mitgliedern des UAW GM National Council (nationaler Ausschuss der UAW-Führer an den GM-Standorten) vollständig ausgehändigt, offenbar aus Sorge, dass Inhalte an die Gewerkschaftsmitglieder durchsickern.

Bis zur vollständigen Veröffentlichung des Deals bleiben dessen ärgste Teile wohl unter Verschluss. Allerdings zeigen die bereits von der UAW verkündeten „Highlights“ den massiven Ausverkauf der Autoarbeiter:

* Die zunächst als vorübergehend angekündigten Schließungen von der drei der vier GM-Werke bleibt bestehen. Dazu zählt auch das historische Werk in Lordstown (US-Bundestaat Ohio), in dem einst 4.500 Arbeiter beschäftigt waren. Schätzungen zufolge könnten dadurch bis zu 25.000 Arbeitsplätze rund um Youngstown (ebenfalls in Ohio) zerstört werden. Das Gebiet ist bereits jetzt durch Deindustrialisierung, Armut und eine grassierende Opioid-Epidemie gezeichnet. Das GM-Werk in Detroit-Hamtramck wird zu einem bisher nicht festgelegten Zeitpunkt für die Herstellung eines neuen elektrischen Pick-Ups umgerüstet. Dafür ist jedoch nur ein Bruchteil der ursprünglich im Werk beschäftigten Belegschaft vorgesehen.

* Die Autoarbeiter erhalten während der vierjährigen Laufzeit des Tarifvertrags nur zwei Lohnerhöhungen um drei Prozent, was kaum genug ist, um die Inflation auszugleichen.

* Mehr als 2.000 besser bezahlte Arbeiter, sogenannte „Altlasten“, werden bis Februar nächsten Jahres durch ein spezielles Programm zum Arbeitskräfteabgang aus den Werken gescheucht.

* Der Deal gewährt GM einen Blankoscheck über die Anzahl der Zeitarbeiter, die in den Werken angestellt werden können. Einzige Voraussetzung ist, dass jede Entscheidung von den UAW „genehmigt“ wird.

* Zeitarbeitskräfte sollen nach drei „aufeinanderfolgenden“ Jahren der Anstellung als Vollzeitkräfte übernommen werden. Der Wortlaut lässt jedoch darauf schließen, dass Arbeiter, die erst entlassen und dann wiedereingestellt werden, erneut nur zeitlich befristete Verträge erhalten.

* Der berüchtigte Anhang K, eine Klausel aus dem Vertrag von 2015, durch den die geheime „Absichtserklärung“ möglich wurde, Vollzeitarbeitskräfte in Lordstown und Lake Orion durch Leiharbeiter zu ersetzen, wurde „erweitert“. Die Erweiterung dient der Identifizierung von „Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu erhalten und neue an den von der UAW vertretenen GM-Standorten zu schaffen.“ Übersetzt heißt das, den Einsatz von Leiharbeitern an weniger rentablen Standorten auszuweiten.

* Die Vereinbarung sieht weiterhin die Einrichtung eines neuen gemeinsamen Personalmanagements in Form des sog. „National Committee on Advanced Technology“ (Nationales Komitee für fortschrittliche Verfahrenstechnik) vor, um „die Auswirkungen von Zukunftstechnologien“ auf GM-Arbeiter zu diskutieren.

* Das gemeinsame Personalentwicklungszentrum von UAW und GM, in bundesweiten Korruptionsermittlungen als Zentrum von Bestechung und Schiebung entlarvt, wird lediglich einen anderen Namen erhalten. Der derzeitige Sitz wird geschlossen, das Gebäude verkauft. Die gemeinsamen Programme werden aufrechterhalten und in einer neuen, von GM finanzierten Einrichtung weitergeführt.

Die aufrichtige, aber falsche Hoffnung vieler Autoarbeiter, dass der kombinierte Druck aus den Korruptionsermittlungen und dem wachsenden Kampfgeist der breiten Masse an Arbeitern die UAW zum Kampf zwingen würde, hat sich als Illusion erwiesen.

Von Anfang an verfolgte die UAW eine klare Strategie: Um die Niederlage der Arbeiter herbeizuführen, sollten diese an ihren Streikposten zermürbt werden. Dafür sorgte insbesondere die Isolation von den Ford- und Fiat-Chrysler-Arbeitern, eine totale Informationsblockade und erbärmliches Streikgeld von 250 Dollar pro Woche.

Die UAW tat außerdem alles, um die GM-Arbeiter weltweit von ihren Brüdern und Schwestern der Arbeiterklasse abzuschneiden, indem sie einen giftigen Nationalismus im Geiste von „Amerika zuerst“ förderte.

Nachdem eine Gruppe mexikanischer Autoarbeiter entlassen wurde, weil sie eine Produktionssteigerung während des Streiks mutig ablehnten und amerikanische Autoarbeiter zur Unterstützung aufriefen, reagierte die UAW mit der Forderung nach einer Neuzuteilung von Produkten aus mexikanischen Werken in die USA. Derartige Peitschenhiebe gegen Arbeiter verschiedener Länder ermöglicht es globalen Konzernen wie GM, Arbeiter gegeneinander auszuspielen.

Die UAW versucht den Streik exakt zu jenem Zeitpunkt zu zerschlagen, an dem er sich mit dem Arbeitskampf anderer Arbeiter zu überschneiden beginnt. Eine solche Entwicklung würde einen gemeinsamen Kampf der gesamten Arbeiterklasse ermöglichen. Die vorläufige Einigung über den Deal wurde einen Tag vor Streikbeginn von über 20.000 Lehrern der öffentlichen Schulen in Chicago bekannt gegeben. Am vergangenen Wochenende schlossen sich die Kupferbergwerker im Südwesten der USA und auch die Arbeiter des US- Nutzfahrzeughersteller Mack Truck an der Ostküste den streikenden GM-Arbeitern an.

Die Gewerkschaften nehmen bei allen diesen Kämpfen dieselbe Rolle ein. Beispielsweise rief die Chicago Teachers Union erst dann zum Streik auf, als dieser als „unvermeidlich“ galt, und versucht nun offenkundig, den Streik zeitlich einzugrenzen. Die Chicago Teachers Union boykottierte bereits den letzten Streik im Jahr 2012 und ebnete dem damaligen Bürgermeister Rahm Emanuel den Weg, dutzende Schulen zu schließen. Emanuel war einst als Barack Obamas Stabschef im Weißen Haus.

Die Gewerkschaften zeigen durch ihr Vorgehen, dass sie nicht reformierbar sind. Sie haben sich als korrumpierte Handlanger der Unternehmensführungen offenbart, die den Interessen der Arbeiter, die sie angeblich vertreten, feindlich gegenüberstehen.

GM-Mitarbeiter müssen aus diesen Erfahrungen nun die entsprechenden Lehren ziehen und der UAW ihre Macht entreißen.

Der Tarifvertrag muss abgelehnt werden, doch das allein reicht nicht aus. Die UAW wird auf eine Ablehnung mit einem Anschwellen ihrer Lügen- und Einschüchterungskampagne reagieren. Genauso, wie sie es bereits im Jahr 2016 nach der Ablehnung des Chrysler-Deals tat.

Die dringlichste Aufgabe für die Autoarbeiter ist es nun, Fabrikkomitees zu bilden, die die Kontrolle über den Kampf übernehmen. Diese Komitees sollten die folgenden Forderungen stellen:

* Keine Abstimmung ohne ein genaues Studium des Vertrages! Die Arbeiter müssen einen umfassenden Zugang zu dem Vertrag verlangen, nicht nur zu den betrügerischen „Highlights“. Um das Dokument vor der Abstimmung genau zu studieren, bedarf es mindestens einer Woche. Die Autoarbeiter müssen außerdem umfassende, demokratische Diskussionen über den Vertrag führen; ohne dabei von der Gewerkschaft kontrolliert zu werden.

* Für die Überwachung des Abstimmungsprozesses! Die Autoarbeiter sollten darauf bestehen, dass ihre Komitees die Abstimmung überwachen. Nur so ist sichergestellt, dass es zu keinen Wahlfälschungen oder Manipulationen kommt. Es ist anzunehmen, dass dies bei der Ratifizierung des Ford-Vertrags im Jahr 2015 der Fall war.

* Ausweitung des Streiks auf die Ford- und Fiat-Chrysler-Werke! Vereint euch mit der Arbeiterklasse anderer Länder! Fabrikkomitees müssen auf dem Grundsatz des Internationalismus beruhen, dass die Arbeiter überall auf der Welt dieselben grundlegenden Interessen haben.

* Die Fabrikkomitees sollten ihre eigenen Streikforderungen stellen: Lohnerhöhung um 40 %, automatische Anpassung der Löhne an die Inflation für alle Beschäftigten und Pensionäre, die Abschaffung des zweigleisigen Lohn- und Sozialleistungssystems, die sofortige Umwandlung aller Zeitverträge in reguläre Arbeitsverträge mit vollen Löhnen und Sozialleistungen, die Wiedereröffnung aller geschlossenen Werke und die Wiedereinstellung aller Entlassenen.

* Die Autoarbeiter müssen die mutigen GM-Arbeiter aus dem mexikanischen Silao verteidigen und die Wiedereinstellung derjenigen fordern, die aufgrund ihrer Unterstützung des US-Streiks entlassen wurden.

Die Angriffe von General Motors in den USA sind Teil einer globalen Strategie der herrschenden Klasse. Die Automobilkonzerne bereiten nicht nur ein Arbeitsplatzmassaker vor, sie fangen bereits damit an und unterstützen damit die herrschenden Eliten, eine weitere Umverteilung des Reichtums von der Arbeiterklasse zu den Reichen zu organisieren.

Der Kampf gegen GM ist ein Kampf gegen den Kapitalismus. Der GM-Streik kann und muss in eine mächtige politische Bewegung der Arbeiterklasse verwandelt werden, die mit einem sozialistischen Programm bewaffnet ist. Dazu zählt auch die Umwandlung der globalen Automobilindustrie und der großen Banken in öffentliche Unternehmen als gemeinschaftlicher Besitz unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse.

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