Berlin, London und Paris haben vorgestern in einer offiziellen Erklärung die Vorwände der USA für eine militärische Aggression gegen den Iran gebilligt. Kurz bevor Donald Trump auf der UN-Generalversammlung in New York den Iran als blutrünstiges Ungeheuer anprangerte, ließen es sich die Regierungen der drei größten europäischen imperialistischen Mächte nicht nehmen, die provokativen Anschuldigungen der USA als lautere Wahrheit hinzustellen.
Unter Berufung auf ihre „gemeinsamen Sicherheitsinteressen“ und darauf, „ein globales Nichtverbreitungsregime aufrecht zu erhalten und die Stabilität im Mittleren Osten zu bewahren“, unterstützen sie Washingtons Darstellung der jüngsten Bombenangriffe auf saudische Ölanlagen: „Wir verurteilen die Angriffe vom 14. September 2019 auf die Ölanlagen in Abqaiq and Khurais auf saudischem Territorium auf das Schärfste, und beteuern in diesem Zusammenhang nochmals unsere uneingeschränkte Solidarität mit dem Königreich Saudi-Arabien und seiner Bevölkerung.“
Die drei europäischen Mächte haben keinerlei Beweise für die Behauptungen der USA, dass der Iran die Bombenangriffe verübt und damit eine Kriegshandlung begangen habe. Sie behaupteten schlicht und einfach: „Für uns ist klar, dass Iran Verantwortung für diesen Angriff trägt. Es gibt keine andere plausible Erklärung. Wir unterstützen die laufenden Untersuchungen, um weitere Einzelheiten festzustellen.“
Immerhin waren es die USA, die das Atomabkommen mit dem Iran von 2015 aufkündigten und dem Land dieses Jahr mit Bombengriffen drohten. Die europäischen Staats- und Regierungschefs stellen die Situation auf den Kopf. Sie machen nicht das aggressive Vorgehen des US-Imperialismus für die Kriegsgefahr verantwortlich, sondern die Regierung in Teheran. Sie fordern den Iran auf, das Atomabkommen weiterhin in vollem Maße einzuhalten und „von Provokation und Eskalation Abstand zu nehmen“.
Vor dem Hintergrund, dass Washington Truppen nach Saudi-Arabien und Kriegsschiffe in den Persischen Golf entsendet, um einen Krieg gegen den Iran vorzubereiten, lässt diese Erklärung nichts an Klarheit zu wünschen übrig. Die führenden imperialistischen Mächte Europas rücken von der Kritik an Trump ab, die sie anfänglich wegen der Aufkündigung des Atomabkommens vorgebracht hatten. Mit der Befürwortung eines neuen US-Kriegs im Nahen Osten, der ebenso wie der Krieg gegen den Irak 2003 auf Lügen basiert, geben sie zu erkennen, dass sie diesmal einen solchen Krieg unterstützen und möglicherweise dabei mitmachen.
Washington seinerseits begrüßte die europäische Unterstützung. US-Außenminister Mike Pompeo twitterte: „Die USA danken ihren engen Freunden, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, für die klare Formulierung der alleinigen Verantwortung des Iran für den Kriegsakt gegen Saudi-Arabien und dessen Auswirkungen auf die Region und die Welt.“ In einem zweiten Tweet lobte Pompeo die europäische Erklärung in Orwellscher Manier: „Dies wird die Diplomatie und die Sache des Friedens stärken. Wir fordern alle Nationen auf, sich dieser Verurteilung der Handlungen des Iran anzuschließen.“
Die Stellungnahme Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens stärkt natürlich nicht den Frieden, sondern ermutigt die Trump-Regierung, ihre Drohungen und Provokationen zu verstärken und einen katastrophalen Krieg zu riskieren.
Wie zu erwarten, nutzte Trump seine Rede vor der UN-Generalversammlung gestern nicht nur, um gegen den Sozialismus zu wettern, sondern auch, um hysterische Drohungen gegen den Iran auszustoßen. „Eine der größten Bedrohungen für ihre Sicherheit friedliebender Nationen ist heute das repressive Regime im Iran“, erklärte er, und forderte Unterstützung für sein Vorgehen: „Alle Nationen haben die Pflicht zu handeln. Keine verantwortungsbewusste Regierung sollte die Blutgier des Iran subventionieren. Solange das bedrohliche Verhalten des Iran anhält, werden die Sanktionen nicht aufgehoben. Sie werden verschärft.“
Die Argumente des US-Präsidenten und die Erklärung der europäischen Mächte sind nichts als Lügen. Die imperialistischen Mächte haben im Nahen Osten und Zentralasien eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Das begann vor dreißig Jahren, nach der Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten, mit dem ersten Golfkrieg, der 1991 von den USA angezettelt wurde. Ihre Kriege im Irak, in Syrien, Afghanistan, Pakistan und im Jemen kosteten Millionen Menschenleben und legten ganze Länder in Schutt und Asche. Der Iran wurde von US-amerikanischen und europäischen Militärbasen eingekreist. Die größte Bedrohung für den Frieden geht von den Intrigen Washingtons und seinen Verbündeten aus.
Weder Washington noch die saudische Monarchie haben Beweise dafür vorgelegt, dass der Iran die Bombenanschläge in Abqaiq und Khurais verübt hat. Unterdessen sollen sich Huthi-Verbände im Jemen zu den Bombenanschlägen bekannt haben. Gegen den Jemen führt Saudi-Arabien mit Unterstützung der NATO einen brutalen Krieg, in dem seit 2015 über 90.000 Menschen gestorben sind. Unter den Toten sind Zehntausende von Zivilisten. Mindestens 84.701 Kinder sind aufgrund der Kriegsfolgen verhungert. Sollte sich die Meldung über die Verantwortung der Huthi-Rebellen als richtig erweisen, handelte es sich um einen Akt ihrer Selbstverteidigung gegen die Saudis.
Heute reagieren die europäischen Mächte auf das Kriegstreiben der USA völlig anders als vor sechzehn Jahren. Als die Bush-Regierung 2003 behauptete, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen und rüste Al-Qaida für nukleare Terroranschläge aus, stellten sich Frankreich und Deutschland gegen die Invasion der USA. Frankreich drohte damals sogar, beim UN-Sicherheitsrat Veto gegen US-Resolutionen einzulegen, die eine militärische Aggression gegen den Irak begründeten.
In einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat widersprach der damalige Außenminister Dominique de Villepin am 14. Februar 2003 den Lügen, mit denen Washington den Krieg rechtfertigte. Er sagte: „Vor zehn Tagen hat US-Außenminister Powell über die angeblichen Verbindungen zwischen Al-Qaida und dem Regime in Bagdad berichtet. Nach dem derzeitigen Stand unserer Ermittlungen und Erkenntnisse und derjenigen unserer Verbündeten ist es uns nicht möglich, eine solche Verbindung nachzuvollziehen. Auf der anderen Seite müssen wir auch die Auswirkungen der umstrittenen Militäraktion berücksichtigen …“
Heute beeilen sich die europäischen Mächte nicht nur, den Iran zu verurteilen, noch bevor irgendwelche „weiteren Einzelheiten“ über die Anschläge in Saudi-Arabien bekannt sind. Sie behaupten sogar, dass jedermann mit Trumps übereiltem Urteil übereinstimmen müsse, weil es angeblich „keine andere plausible Erklärung“ gebe.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die Erfahrungen der 16 Jahre seit Villepins Rede beweisen, dass der Versuch, im Kampf gegen Krieg auf Washingtons imperialistische Rivalen zu setzen, zum Scheitern verurteilt ist. Seither haben nicht nur die Vereinigten Staaten den Irak angegriffen, sondern auch die europäischen imperialistischen Mächte eine Wende um 180 Grad vollzogen. Grundlage ihrer Strategie sind ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen im Nahen Osten. Zudem wollten sie der wachsenden antiimperialistischen Stimmung auf internationaler Ebene keinen Vorschub leisten. Deshalb stellten die Regierungen in Paris und Berlin auch alsbald wieder gute Beziehungen zur Bush-Regierung her und beteiligten sich mit ihren eigenen Öl- und Gaskonzernen und mit eigenen Truppeneinsätzen an der Besetzung des Irak und Afghanistans.
Die einzige Kraft, die eine gesellschaftliche Grundlage für eine Bewegung gegen den Krieg bietet, ist die internationale Arbeiterklasse. Weltweit wächst unter Arbeitern die Desillusionierung über Krieg und eine explosive Wut über die soziale Ungleichheit, die der Kapitalismus hervorruft.
Was die Regierungen in Berlin und Paris betrifft, so haben sie sich hinter den britischen Premierminister Boris Johnson gestellt, als dieser am Dienstag das Iran-Atomabkommen von 2015 verurteilte und forderte, die Europäer müssten Trump beim Aushandeln eines neuen Atomabkommens unterstützen. Dabei stellte Johnson fest, dass ein Krieg der USA mit dem Iran „die Situation nicht unbedingt verbessern würde“.
„Es stimmt, was Präsident Trump sagte: Das war ein schlechter Deal“, sagte Johnson. „Er hat viele Mängel. Der Iran hat sich in der Region destruktiv verhalten und verhält sich noch heute so … „Ich glaube, es gibt jemanden, der einen besseren Deal erzielen kann, jemanden, der einem schwierigen Partner wie dem Iran beikommt, und das ist der Präsident der Vereinigten Staaten.“
Die größte Gefahr besteht darin, dass sich die internationale Arbeiterklasse der enormen Gefahr eines katastrophalen Konflikts nicht voll bewusst wird. Im Nahen Osten gibt es heute vom Jemen über Syrien bis nach Afghanistan schon zahlreiche Kriege. Trump prüft bereits konkrete Militärziele für US-Bombardierungen im Iran und steht kurz davor, einen Krieg in der ganzen Region zu entfesseln. Ein solcher Krieg könnte rasch zu einem Konflikt mit den Atommächten Russland und China eskalieren, was einen Atomkrieg in greifbare Nähe rückt.
Mit ihrer reaktionären Erklärung schließen sich die europäischen Imperialisten den Vereinigten Staaten an, die dabei sind, blindlings in die Katastrophe zu schlittern.