Die weltweite Krise der Automobilindustrie verschärft sich. In Deutschland nimmt diese Entwicklung besonders krasse Formen an. In der vergangenen Woche jagte eine Hiobsbotschaft die nächste.
Die Wirtschaftswoche titelte „Deutsche Autoindustrie vor existentieller Krise“ und kündigte eine „brutale Revolution in der Auto- und Energiebranche“ an. Die Zeit berichtet über „das China-Problem der deutschen Autoindustrie“ und zitiert den Vorstandsvorsitzenden von Continental Elmar Degenhart mit den Worten: „Wir schlittern nicht in die Krise hinein, sondern befinden uns mittendrin“. Der Spiegel warnt vor dem „größten Umbruch“ in der Autoindustrie. Zum Dieselskandal und der „Elektro-Revolution“ komme nun auch noch ein Wirtschaftsabschwung. Viele tausend Arbeitsplätze seien bedroht.
Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA), die am Donnerstag in Frankfurt am Main begann, ist die Krise deutlich sichtbar. Ein Fünftel der Aussteller fehlen. Toyota, Renault und Fiat Chrysler sagten ihre Teilnahme ab. In Presseerklärungen wird darauf hingewiesen, dass die Branche im ersten Halbjahr 2019 rund fünf Prozent weniger Autos als im Vergleichszeitraum des Vorjahres verkauft hat. In den wichtigsten Exportmärkten China und USA ging der deutsche Autoabsatz seit Beginn des Jahres um mehr als 20 Prozent zurück.
Die IG Metall reagiert auf diese Entwicklung mit einem Appell an die Konzernchefs und die Bundesregierung die Zusammenarbeit zu intensivieren. Sie will Regierung und Unternehmer überzeugen, dass der „Strukturwandel“ – d.h. der Abbau von Arbeitsplätzen und die Steigerung der Arbeitshetze – nur mit ihr machbar ist. Dass nur sie mit ihrem Heer von 50.000 Betriebsräten und 80.000 Vertrauensleuten in den Betrieben für Ruhe sorgen und jeden Widerstand unterdrücken kann.
Parallel zur Frankfurter Automobilausstellung findet die so genannte „Woche der Industrie“ statt, in der eine Vielzahl von Treffen hochrangiger Regierungsvertreter, Industriebosse und Gewerkschaftsfunktionäre stattfinden. Am 24. September gipfelt diese Zusammenarbeit in einer Industriekonferenz in Berlin, auf der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) Dieter Kempf und IG Metallchef Jörg Hofmann auf dem Podium sitzen und Referate halten werden.
Wirtschaftsminister Altmaier hat bereits zum Jahresanfang die „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgestellt. Er hatte dabei deutlich gemacht, dass die Bundesregierung zwar nach wie vor die Eigenständigkeit der Wirtschaft und den „freien Wettbewerb“ anerkenne, aber stärker als bisher mit einer staatlichen Industriepolitik deutsche Wirtschaftsinteressen durchsetzen wolle. Während einige Industrieverbände anfangs zurückhaltend reagierten und eine „Einschränkung der unternehmerischen Freiheit“ befürchteten, reagierte die IG Metall von Anfang an begeistert und intensivierte die Zusammenarbeit mit der Regierung.
Nun sollen die Gespräche im Rahmen der „Woche der Industrie“ genutzt werden, um die „Umstrukturierung der Autoindustrie“ und damit den Abbau mehrerer hunderttausend Arbeitsplätze, Einführung von Kurzarbeit, Lohnsenkung und Sozialabbau zu vereinbaren. Die IG Metall strebt eine Art „Auto-Pakt“ mit den Konzernen und der Bundesregierung an.
Wie immer spricht sie dabei viel über soziale und faire Gestaltung. Doch das ist reines Blendwerk. Die Gewerkschaft warnt davor, dass der internationale Charakter der Autokrise sehr schnell dazu führen kann, dass Streiks und Massenproteste, die in einem Land beginnen, sich wie ein Lauffeuer auf andere Länder ausdehnen können. Deshalb sei eine staatliche Steuerung und enge Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft notwendig.
Das Hauptargument der IG Metall lautet: Der Strukturwandel in der Autoindustrie müsse durch „intelligente Systeminnovationen“ gesteuert werden.
Doch das Problem ist weder die Umstellung auf E-Mobilität noch die Einführung neuer moderner Technologie im Arbeitsprozess. Hätten Arbeiter die Kontrolle über die Produktion, könnten diese Veränderungen vielfältige Verbesserungen für die Beschäftigen bringen. Künstliche Intelligenz und Robotik können die Arbeit erleichtern und den Lebensstandard aller erhöhen.
Das wirkliche Problem ist die unersättliche Gier des Kapitals nach Profit.
Allein im vergangenen Jahr ist das Vermögen sämtlicher Milliardäre der Welt laut Oxfam um 900 Milliarden Dollar oder 12 Prozent gestiegen. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, insgesamt 3,8 Milliarden Menschen, hat dagegen 11 Prozent ihres Vermögens verloren.
Auch in den Konzernvorständen findet eine hemmungslose Bereicherung statt. Das durchschnittliche Jahresgehalt eines Vorstandsmitglieds in einem Dax-Unternehmen betrug im vergangenen Jahr (2018) 3,51 Millionen Euro und war damit 52-mal so hoch wie das Jahreseinkommen der Angestellten in den Unternehmen. Diese Zahl hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz gemeinsam mit der Technischen Universität München errechnet.
Die größte Differenz zwischen dem Einkommen eines Vorstandsmitglieds und dem eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin stellte die Studie bei Volkswagen fest: Das Gehalt auf höchster Führungsebene sei um das 97-fache höher als der durchschnittliche Personalaufwand pro Mitarbeiter im Unternehmen. 2018 verdiente ein Vorstandsmitglied im Schnitt sechs Millionen Euro. VW-Vorstandschef Herbert Diess strich im vergangenen Jahr 7,9 Millionen Euro ein und rangierte damit auf Platz zwei unter den DAX-Vorständen.
Ex-Daimler Chef, Dieter Zetsche, erhielt der Studie zufolge 6,6 Millionen Euro (Platz 6), obwohl er 2018 nicht einmal ein halbes Jahr gearbeitet hatte und schon im Mai 2018 in den Ruhestand gegangen war. Bis an sein Lebensende erhält er vom Konzern jährlich 2,9 Millionen Euro, rund 240.000 Euro monatlich. Continental-Chef Elmar Degenhardt verdiente im vergangenen Jahr 4,8 Millionen Euro. Wenn er mit 63 in Rente geht, erhält er vom Konzern 900.000 Euro im Jahr, 75.000 Euro im Monat.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Bereicherung der Konzernchefs von den „Arbeitnehmervertretern“, sprich Gewerkschaftsfunktionären und Betriebsräten, in den Aufsichtsräten in der Regel abgenickt wird. Gleichzeitig fließen Millionenbeträge an Aufsichtsratstantiemen in die Gewerkschaftskassen und die Taschen von Betriebsratsfürsten wie Bernd Osterloh, der selbst Jahresvergütungen von 750.000 Euro einstrich.
Es ist diese hemmungslose Bereicherung und Jagd nach Profit, die dazu führt, dass die Ausbeutung ständig verschärft wird. Hier liegt der wahre Grund für die endlosen sozialen Angriffe, die beschönigend als „Strukturwandel“ bezeichnet werden. Jedes Mal wenn Entlassungen und Sozialabbau angekündigt werden, jubeln die Börsen.
Die IG Metall reagiert auf die internationale Krise indem sie immer nationalistischer auftritt. Sie schließt die Reihen und paktiert mit der Regierung und den Konzernen, um den „Standort Deutschland“ gegen seine internationalen Rivalen zu verteidigen.
Die Folgen sind unausweichlich. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Ausbeutung erhöht, um Investoren anzulocken, die Profitrate gesteigert, und um als Standort „attraktiv“ zu bleiben, jeder Arbeitskampf unterdrückt werden. Das setzt bei Löhnen und Arbeitsplätzen eine Spirale nach unten in Gang, während die Profite nach oben schnellen und die Konten der Aktionäre – und der Gewerkschaftsbürokraten – immer fetter werden.
Arbeiter müssen dieser reaktionären nationalistischen Politik der IG Metall entschlossen entgegen treten. Sie stehen auf der ganzen Welt denselben multinationalen Konzernen und Finanzinteressen gegenüber. Sie dürfen sich nicht spalten und gegeneinander ausspielen lassen. Sie können ihre Rechte und Errungenschaften nur verteidigen, wenn sie ihre Kämpfe international koordinieren.
Deshalb ist die Streikvorbereitung in den USA von sehr großer Bedeutung. Gegenwärtig laufen dort die vierjährigen Tarifverträge für knapp 160.000 Arbeiter von General Motors (GM), Ford und Fiat Chrysler aus. Die Autoarbeiter dort sind entschlossen gegen Lohnsenkung, Entlassungen und Sozialabbau, der bereits seit Jahren anhält, den Kampf aufzunehmen. Anfang September stimmten die Beschäftigen dieser Werke mit 96 Prozent für Streik. Es wäre der erste große nationale Autoarbeiterstreik in den USA seit 43 Jahren.
Die Vorbereitung eines gemeinsamen Kampfs mit den amerikanischen Autoarbeitern erfordert den Bruch mit der IG Metall und den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees. Alle, die sich nicht länger von der korrupten Politik der Gewerkschaft und des Betriebsrats dominieren lassen wollen, müssen den Kampf gegen Werksschließungen, Entlassungen und Sozialabbau selbst in die Hand nehmen und für eine internationale Strategie kämpfen.
Die World Socialist Web Site berichtet ständig über den Kampf der amerikanischen und internationalen Arbeiter. Am Donnerstagabend nahmen über 300 Autoarbeiter und Beschäftigte von Amazon und anderen Konzernen an einem Online-Meeting des WSWS Autoworker Newsletter teil, um die Strategie für einen unabhängigen Kampf der Autoarbeiter und die damit verbundenen politischen Frage zu diskutieren.
Über die WSWS ist es möglich mit Autoarbeitern in den USA in Verbindung zu treten und gemeinsame Kampfmaßnahmen zu organisieren. Lest und abonniert den Autoworker Newsletter, der regelmäßig auch in deutsche Sprache erscheint.