Die British-Airways-Halle im Terminal 5 des Londoner Flughafens Heathrow war am Montagmorgen wie ausgestorben, als rund 4.000 Piloten von British Airways (BA) einen zweitägigen Streik begannen. Es ist der erste Streik von Piloten der BA und der größte Streik in der Geschichte des Unternehmens überhaupt.
Die Unternehmensleitung war am Montag gezwungen, fast alle 800 geplanten Flüge zu stornieren, was bis zu 145.000 Passagiere betraf. Weltweit wurden während des zweitägigen Streiks schätzungsweise 1.700 British Airways-Flüge mit rund 300.000 Passagieren gestrichen. Nur fünf BA-Flugzeuge starteten, von denen zwei von einem anderen Betreiber geleast waren und drei von Piloten geflogen wurden, die nicht der British Airline Pilots' Association (BALPA) angehören. BALPA repräsentiert mehr als 10.000 Piloten, d.h. über 85 Prozent aller Berufspiloten, die in Großbritannien fliegen.
Die wichtigsten betroffenen Flughäfen waren Heathrow, wo 93 Prozent der BA-Piloten ihre Basis haben, und Gatwick. Wie Sky News berichtete, waren die Beeinträchtigungen so stark, dass sie sich noch auf den Mittwoch auswirkten. „Es kann zu Folgestörungen für Personen kommen, die am Mittwoch eine Reise geplant haben. Denn Flugzeuge und Piloten werden wahrscheinlich zusätzliche Zeit brauchen, um sich wieder in den normalen Betrieb einzufinden.“
Bei einer 90-prozentigen Beteiligung an der Abstimmung hatten 93 Prozent der zur BALPA gehörenden BA-Piloten für den Arbeitskampf gestimmt. Mit ihrem Streik wollen sie Verbesserungen bei den Löhnen und Sozialleistungen erreichen. Die Besatzungen sind jahrelang gezwungen worden, Lohneinbußen hinzunehmen. Immer wieder wurden vom Unternehmen und den Gewerkschaften solche Vereinbarungen in die Tarifverträge aufgenommen, um die Gewinne der nationalen Fluggesellschaft zu steigern.
Schätzungen zufolge wird der Fluggesellschaft durch den Streik ein Verlust von 80 Mio. £ entstehen. Das liegt weit über den Kosten für eine Beilegung des Arbeitskampfs, die BALPA auf 5 Mio. £ schätzt. Die Vergleichszahl ist ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den massiven Gewinnen, die BA für ihre Muttergesellschaft, die International Consolidated Airlines Group (IAG), in den letzten Jahren erzielt hat.
Der Finanznachrichtendienst Bloomberg nannte BA ein gutes Beispiel dafür, wie die Branche „mit ihrer düsteren Gewinnentwicklung gebrochen“ habe. Die Gewinne von BA waren in den letzten fünf Jahren stetig gestiegen, von rund 1 Milliarde Euro im Jahr 2014 auf fast 3 Milliarden Euro im Jahr 2018, was im selben Jahr zu massiven Gewinnen von rund 2,6 Milliarden Euro für die Muttergesellschaft führte. Mit einer Verzinsung des investierten Kapitals von 16,6 Prozent habe die IAG „im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro an Dividenden an die Aktionäre ausschütten können“, so Bloomberg.
Der BA-Vorstandschef Alex Cruz, der selbst mehr als 1,3 Mio. £ an Jahresvergütung kassiert, nannte die Aktion der Piloten „zynisch“ und behauptete, dass die angebotene Gehaltserhöhung von 11,5 Prozent, über drei Jahre verteilt, dem „durchschnittlichen Kapitän“ ein Gehalt von mehr als 200.000 Pfund pro Jahr einbringen werde.
Die rechten Medien schäumten über den Streik, und die Daily Mail verurteilte die „gierigen BA-Piloten“, die den Leuten „den Urlaub vermasseln“.
Ein streikender Pilot, der unter der Bedingung der Anonymität mit den Medien sprach, sagte: „Es geht eigentlich nicht um Geld, es geht um Respekt. Wir wurden effektiv angelogen. Wir haben auf ein seriöses Rentensystem, Lohn- und Gehaltserhöhungen verzichtet, als das Unternehmen Probleme hatte, weil uns versprochen wurde, dass auch wir profitieren würden, wenn es dem Unternehmen wieder besser ginge, und es seinen Investoren angemessene Renditen abwerfen werde.“
Er bestritt die von Cruz zitierte Zahl und sagte, dass viele Piloten kämpfen müssten, um jemals eine so hohe Entlohnung zu erreichen. „Viele Piloten arbeiten unter Hochdruck, sie werden wahrscheinlich keine angemessene Rente bekommen. Die Gehaltstafel ist viel zu sehr gestreckt, um ein solches Gehalt zu erreichen.“ Kurzstreckenpiloten verdienten deutlich weniger. „Das Anfangsgehalt eines Jungpiloten beträgt im Jahr ungefähr £27,000 und das eines ersten Offiziers £59,000, während der Lohn für Kapitäne bei £78,000 beginnt und £100,000 einen eher typischen Durchschnittslohn bildet“, sagte der Pilot.
Während die Maßnahmen der Piloten zur Verteidigung ihrer Löhne und Bedingungen gerechtfertigt sind, unternimmt ihre Gewerkschaft alles, was sie kann, um den Streit beizulegen. BALPA-Generalsekretär Brian Strutton schlug eine Schlichtung vor. Er bot Gespräche bei der staatlich gelenkten Schlichterstelle Arbitration and Conciliation Service (ACAS) an und flehte das Management an, „an den Verhandlungstisch zurückzukehren“.
Vor dem Streik unternahm die krisengeschüttelte Regierung von Boris Johnson mehrere Versuche, den Streit beizulegen. Eine Regierungssprecherin sagte: „Die Gewerkschaften und BA müssen an einen Tisch kommen und das klären. Nichts anderes erwartet die Öffentlichkeit.“
Strutton antwortete: „Wir haben angeboten, wieder an den Tisch zurückzukehren, und wurden zurückgewiesen. Räume sind heute bei der Schlichtungsstelle ACAS gebucht, und BALPA ist bereit zu reden – aber wo ist BA?“ Er forderte eine enge Zusammenarbeit mit der am meisten rechtsgerichteten Regierung seit Jahrzehnten, die sich für die Vollendung der „Thatcher-Revolution“ einsetzt, und bekräftigte: „Da sie Gespräche angeboten haben, könnten vielleicht Downing Street oder der Staatssekretär für Verkehr dazu beitragen, beide Seiten zu Gesprächen aufzurufen. BALPA wäre jedenfalls zur Stelle.“
Davor hatte die Gewerkschaft mehrmals die Zustimmung der Piloten zur Durchführung von „kostensparenden“ Maßnahmen eingeholt. Infolgedessen mussten die Piloten nicht nur Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate hinnehmen. Darüber hinaus brachte die Schließung der früheren Pensionskasse BA zudem schätzungsweise 800 Millionen Pfund ein. Das Unternehmen ist aber nicht bereit, die großen Zugeständnisse rückgängig zu machen, von denen es profitiert hat. Es orientiert sich am Vorbild des Billigfliegers Ryanair und droht damit, allen Streikenden die verbilligten Tickets zu entziehen. Normalerweise können BA-Mitarbeiter, die länger als drei Monate beschäftigt sind, Tickets für sich selbst und bis zu drei Familienmitgliedern für nur 10 Prozent ihres Nennwerts buchen.
BA-Piloten, wie auch andere Arbeiter führen immer häufiger internationale Kämpfe außerhalb der Gewerkschaften, wie z.B. die Lehrerstreiks in den USA oder die massenweisen Arbeitsniederlegungen von Matamoros-Arbeitern in Mexiko. Überall fungieren die gewerkschaftlichen Organisationen als eine Art Betriebspolizei, und als solche setzen sie die von den Unternehmen geforderten Zugeständnisse zur Erhaltung und Verbesserung der Gewinne durch.
BA-Piloten dürfen kein Vertrauen in BALPA setzen, sondern müssen sich an ihre Kollegen in Europa und international wenden, die mit ähnlichen Angriffen auf ihre Bezahlung und Arbeitsbedingungen konfrontiert sind.
Das bedeutet, sich mit den Piloten von Ryanair zu verbünden, die letzte Woche einen 72-stündigen Streik durchführten, um eine Gehaltserhöhung und verbesserte Leistungen zu erreichen und die gestrichene Lizenzversicherung wieder herzustellen. Weitere Streiks bei Ryanair sind für den Zeitraum vom 18. bis 29. September an sieben Tagen geplant. Gleichzeitig planen Piloten, die für Ryanair in Spanien arbeiten, fünf Tage lang Streiks am 19., 20., 22., 27. und 29. September. Die 900 Piloten kämpfen gegen die Schließung von vier Hubs durch den spanischen Ableger von Ryanair, durch die 500 Arbeitsplätze zerstört werden sollen.
BA- und Ryanair-Mitarbeiter können keinen einzigen Schritt vorwärts machen, wenn sie weiter von den Gewerkschaften abhängig bleiben. Sie müssen Aktionskomitees gründen, die völlig unabhängig von den Gewerkschaften sind. Sie müssen den Kampf aller Beschäftigten und Besoldungsgruppen der Fluggesellschaften in allen nationalen Abteilungen miteinander verknüpfen und gleichzeitig die Unterstützung durch Mitarbeiter aller Fluggesellschaften, der Transportindustrie und der Zusteller auf der ganzen Welt einfordern. Im Mittelpunkt steht der Kampf für eine sozialistische, internationalistische Perspektive, die die Interessen der Arbeiter vor die Profitinteressen der Fluggesellschaften stellt.