Vor etwas mehr als einem Jahr erneuerte Washington seine Wirtschaftssanktionen gegen den Iran, die einem militärischen Belagerungszustand gleichkommen. Die früheren Sanktionen waren nach der Unterzeichnung des Atomabkommens zwischen Teheran und den westlichen Großmächten im Juli 2015 aufgehoben worden.
Mit dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen im Mai 2018 – ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht – schwenkte die Trump-Regierung auf eine Strategie der Aggression und des Regimewechsels im Iran ein. Zu diesem Zweck betrieb sie eine Kampagne des „maximalen Drucks“, um die iranische Bevölkerung in die Knie zu zwingen. Parallel dazu wurden US-Streitkräfte im Persischen Golf zusammengezogen, um eine bewaffnete Intervention vorzubereiten.
Das erklärte Ziel des „maximaler Druck“ besteht darin, die iranischen Ölexporte, die wichtigste Einnahmenquelle des Landes, auf null zu drücken. Den meisten Schätzungen zufolge gingen die Exporte von iranischem Rohöl um rund 80 Prozent zurück.
Auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus am Mittwoch prahlte Trump mit der Wirkung der Sanktionen. „Sie haben ein großes Problem“, sagte er. „Es bringt sie finanziell um. Ihre Inflation ist auf einer Höhe, die nur Wenige je erlebt haben.“
Die Maßnahmen der Vereinigten Staaten kommen einer rechtswidrigen kollektiven Bestrafung von 83 Millionen Iranern gleich. Nicht nur die Exporteinnahmen des Landes wurden drastisch reduziert. Infolge der Sanktionen wurde der Iran auch aus dem von den USA dominierten Weltfinanzsystem ausgesperrt. Er hat daher große Schwierigkeiten, lebenswichtige Güter wie Lebensmittel und Medikamente einzuführen, die rein technisch von der US-Blockade ausgenommen sind.
Krebskranke Kinder können nicht mit Medikamenten versorgt werden und sterben in immer größerer Zahl. Importierte Medikamente sind knapp und extrem teuer. Durch die Finanzsanktionen werden die Lieferketten der umfangreichen einheimischen Pharmaindustrie unterbrochen, was die Versorgung mit Medikamenten weiter verknappt. Unzählige Menschen sind deshalb zu einem frühen Tod verurteilt.
Die Arbeiter des Iran, die nicht unmittelbar durch die Sanktionen ums Leben kommen, werden in Armut und Hunger getrieben. Die Preise für Nahrung, Unterkunft und andere lebensnotwendige Güter explodieren.
Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Sanktionen die iranische Regierung destabilisiert haben. Ihre wichtigste Basis, die herrschende Kapitalistenklasse des Iran, geht weiterhin profitablen Geschäften nach.
Kontinuierlich baut Washington zudem eine militärische Belagerung des Iran auf. Ende letzten Monats starteten die USA ihre so genannte gemeinsame Initiative zur Sicherheit der Schifffahrt im Persischen Golf. Angeblich dient sie dem Schutz von Öltankern und Handelsschiffen rund um die Straße von Hormus, die von einem Drittel aller Öltanker passiert werden muss. Die einzigen Länder, die sich den Operationen des Pentagons anschließen – und das mit minimalem Truppeneinsatz – sind Großbritannien, Australien und Bahrain.
Wenige Tage vor der US-Marineoperation hatte Donald Trump öffentlich zugegeben, dass er nur 10 Minuten davorgestanden hatte, Raketenangriffe auf iranische Ziele anzuordnen – als Vergeltung für den Abschuss einer US-Spionagedrohne über iranischem Territorium. Trump behauptete, er habe den Angriff aus Rücksicht auf Menschenleben im Iran abgesagt. In Wirklichkeit hatten seine Generäle ihn gewarnt, dass mit Vergeltungsmaßnahmen zu rechnen sei, bei denen zahlreiche US-Soldaten getötet und amerikanische Kriegsschiffe im Persischen Golf versenkt werden könnten.
Seitdem sucht Washington nach Mitteln und Wegen, den Druck für einen Regimewechsel im Iran zu verstärken. Am Mittwoch gab die Trump-Administration neue umfassende Sanktionen bekannt, die darauf abzielen, den Transport iranischer Ölexporte zu blockieren. Mit der Behauptung, das Transportnetz zur Umgehung der Sanktionen werde von der al-Quds-Einheit der Islamischen Revolutionsgarde des Iran betrieben, droht Washington allen „Nicht-US-Bürgern, die wissentlich wichtige Waren, Dienstleistungen oder Unterstützung“ für die Öllieferungen des Iran bereitstellen, mit strafrechtlicher Verfolgung. „Wer dem nicht Folge leistet ... hat ernste Konsequenzen zu tragen“, so ein Regierungsvertreter gegenüber der Washington Post.
Kaum hatte die Regierung eine Belohnung von 15 Millionen Dollar für Informationen aussetzte, mit deren Hilfe das Transportnetz unterbrochen werden könne, kam heraus, dass der Sonderbeauftragte der US-Regierung für den Iran, Brian Hook, sich persönlich mit dem Kapitän der Adrian Darya in Verbindung gesetzt hatte – des iranischen Öltankschiffs, das am 4. Juli von der britischen Marine vor der Küste von Gibraltar aufgebracht und fast sechs Wochen lang festgesetzt wurde.
Hook schickte dem Kapitän, einem indischen Staatsbürger, eine E-Mail, in der er sich als „der US-Repräsentant für den Iran“ bezeichnete. Er bot dem Kapitän mehrere Millionen Dollar Bestechungsgeld an, wenn er einen Hafen ansteuern würde, in dem sein Schiff unter dem Vorwand, den extraterritorialen Sanktionen Washingtons Geltung zu verschaffen, von US-Streitkräften beschlagnahmt werden könne.
„Mit diesem Geld können Sie das Leben führen, das Sie sich wünschen, und im Alter wohlhabend sein“, versprach Hook in einer E-Mail an Kumar. „Wenn Sie sich gegen diesen einfachen Weg entscheiden, wird das Leben für Sie viel schwieriger sein.“
Der Kapitän schlug diesen „einfachen Weg“ aus und wurde vom US-Finanzministerium prompt mit individuellen Sanktionen bestraft.
„Nachdem sie mit Piraterie gescheitert sind, setzen die USA auf offene Erpressung – liefern Sie uns das Öl des Iran und Sie erhalten mehrere Millionen Dollar, andernfalls werden Sie selbst bestraft“, tweetete der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif am Mittwoch.
Diese Methoden sind der Mafia würdig. Es sind die Methoden einer kriminellen herrschenden Klasse, die seit dreißig Jahren einen Angriffskrieg nach dem anderen führt, um den Verlust der globalen Vormachtstellung des US-Imperialismus mit militärischen Mitteln aufzuhalten.
Die Skrupellosigkeit der US-Politik gegenüber dem Iran lässt sich nur durch die tiefe Krise erklären, die den amerikanischen Kapitalismus sowohl innen- als auch außenpolitisch erfasst hat.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Trump schwankt ständig zwischen Verhandlungsangeboten und der Androhung eines totalen Kriegs.
Auf dem G7-Gipfel im August schien er sich einem Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron anzuschließen, dem Iran eine Kreditlinie in Höhe von 15 Milliarden Dollar einzuräumen, um ihn dazu zu bewegen, sich weiterhin an die Bedingungen des Atomabkommens zu halten. Als Gegenleistung für die Aufhebung der Sanktionen sollte der Iran sein Atomprogramm drastisch einschränken. Als Macron den iranischen Außenminister Zarif zu Gesprächen beim G7-Gipfel einlud, wurde dies als Vorbereitung auf direkte US-iranische Verhandlungen angesehen.
Mitte dieser Woche ließ Washington jedoch erkennen, dass es gar nicht daran denkt, Frankreich einen diplomatischen Erfolg zu gönnen. Trump erklärte der Presse, dass er Macron nicht brauche, um mit dem Iran zu sprechen. US-Regierungsvertreter äußerten gegenüber den Medien ihre Ablehnung gegenüber dem „französischen Komplott“. Die scharfen Konflikte zwischen Europa und Amerika über den Umgang mit dem Iran traten deutlich zutage.
Die eskalierenden Spannungen, die durch den „maximalen Druck“ des US-Imperialismus hervorgerufen werden, können zu einem umfassenden Krieg führen. Dies wurde durch einen langen Artikel unterstrichen, der am 4. September in der New York Times erschien. Thema war die langjährige Zusammenarbeit zwischen Washington und Israel in Bezug auf den Iran.
Unter Berufung auf US-amerikanische und israelische Regierungsvertreter wurde berichtet, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu einen einseitigen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen erwäge – eine Aktion, die vom Weißen Haus grünes Licht erhalten würde. Netanjahu ist mit einer tiefen politischen Krise konfrontiert, außerdem droht ihm ein Strafverfahren. In dieser Situation hat er in den letzten Wochen Militärschläge gegen Ziele in Syrien, Irak und Libanon angeordnet, die angeblich mit dem Iran in Verbindung stehen.
Der Artikel in der New York Times unterstrich auch, dass die US-Demokraten und die Republikaner im Hinblick auf einen Regimewechsel im Iran an einem Strick ziehen. Trump, heißt es darin, „erbte eine geladene Kanone: militärische Pläne für einen Schlag gegen den Iran, die in den Obama-Jahren akribisch ausgearbeitet worden waren“. Die Times zitiert, wie das Pentagon unter der Obama-Regierung in einer Wüste im Südwesten der USA eine maßstabsgetreue Nachbildung der iranischen Fordow-Atomanlage baute und sie mit einer selbst entwickelten bunkerbrechenden Bombe zerstörte.
Welche taktischen Unterschiede es zwischen der Demokratischen Partei und der Trump-Administration auch geben mag, keine Fraktion des US-Establishments stellt sich der Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs entgegen.
Die Bevölkerung hingegen lehnt Krieg ab. Aber ihr tiefes Misstrauen gegenüber den Lügen der Regierung und der Leitmedien findet innerhalb des politischen Systems keinen Ausdruck. Das Wiederaufleben des Klassenkampfes, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Vereinigten Staaten, bildet jedoch die Grundlage für die Entstehung einer Massen-Antikriegsbewegung, die auf der unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus basiert.