Die Zahl der Abschiebungen in die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. Das berichtete die Rheinische Post am 22. Februar in ihrer Online-Ausgabe unter Berufung auf das Bundesinnenministerium. Fast 1900 Menschen wurden 2018 in diese nordafrikanischen Staaten zurückgeschickt.
Nach Tunesien wurden im vergangenen Jahr 369 Menschen abgeschoben, während es 2017 noch 251 waren. Nach Algerien wurden 678 Menschen abgeschoben (2017: 504), und nach Marokko 826 Menschen (2017: 634). Dies bedeutet einen Anstieg der Abschiebungen um 35 Prozent innerhalb von nur einem Jahr.
Vergleicht man die Anzahl abgeschobener Menschen mit dem Jahr 2015, hat sie sich sogar fast auf das Vierzehnfache erhöht: Sie ist von 135 Abschiebungen in alle drei Länder auf insgesamt 1873 Abschiebungen angestiegen.
Dabei sind diese Staaten bisher noch gar nicht offiziell als „sichere Herkunftsländer“ deklariert. Der Bundesrat verschob die Abstimmung darüber am 15. Februar, weil mehrere Bundesländer mit Landesregierungen, an denen die Grünen beteiligt sind, ihre Enthaltung angekündigt hatten. Dagegen hatte der Bundestag die drei Maghreb-Staaten und Georgien schon am 18. Januar mit den Stimmen der CSU/CSU und der SPD zu „sicheren Herkunftsländer“ erklärt.
Die Bezeichnung als „sichere Herkunftsländer“ hat nichts mit der tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Lage in Algerien, Marokko oder Tunesien zu tun. Im gesamten Maghreb ist die soziale Lage äußerst angespannt und von hoher Jugendarbeitslosigkeit geprägt. Wie ProAsyl berichtet, sind aus dieser Region zahlreiche Fälle von Folter an missliebigen Journalisten und oppositionellen Jugendlichen, sowie der Verfolgung von Homosexualität bekannt.
Vor fünf Jahren diente die Einstufung der Balkan-Staaten als „sichere Herkunftsländer“ dazu, Zehntausende Flüchtlinge und Asylsuchende pauschal abzuweisen. Sie waren nach Deutschland geflohen, nachdem die westlichen Staaten im ehemaligen Jugoslawien den ethnischen Nationalismus angeheizt und Bürgerkrieg und Krieg geschürt hatten. Seither werden Menschen brutal in diese kriegszerstörten Länder zurückgeschickt, obwohl sie dort nicht leben können. Die Einstufung der Balkan-Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ wurde damals möglich, weil im Bundesrat auch Baden-Württemberg unter dem Grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zustimmte.
Der Versuch, immer mehr Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ einzustufen, widerspricht dem verfassungsmäßigen Grundprinzip, dass die Flucht- und Verfolgungsgründe in jedem Einzelfall sogfältig und individuell zu prüfen sind. Die Ausweitung dieses Konzepts wird es deutschen Behörden weiter erleichtern, Asylgesuche abzulehnen und Menschen, die hier Zuflucht suchen, schneller abzuschieben. Damit wird das Grundrecht auf Asyl in Deutschland immer weiter ausgehöhlt und de facto abgeschafft.
Schon bisher gibt es zahlreiche falsche Asylentscheidungen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) produziert so viele fehler- und zweifelhafte Asylentscheidungen, dass schon im Jahr 2017 rund 40 Prozent der Fälle, bei denen ein Flüchtling gegen eine Ablehnung geklagt hatte, als fehlerhaft erkannt wurden. Das Gericht gab jeweils den Klägern Recht, und viele Asylbescheide mussten korrigiert werden, weil das BAMF seine Ablehnung mit veralteten Fakten und generalisierten Textbausteinen begründet hatte.
Laut Statistik des Innenministeriums ist auch die Zahl der Abschiebungen in andere Länder deutlich angestiegen. Von 2017 auf 2018 stieg die Zahl der Abschiebungen nach Russland von 184 auf 422, nach Armenien von 184 auf 346, nach Afghanistan von 121 auf 284, nach Indien von 32 auf 212, nach Gambia von 31 auf 144 und nach Ghana von 84 auf 210.
Der starke Anstieg der Abschiebungen ist Bestandteil der brutalen Anti-Flüchtlings- und Abschiebepolitik der Großen Koalition, die in vollen Umfang die AfD-Politik übernommen hat.
Innenminister Horst Seehofer (CSU) geht selbst dies noch nicht weit und schnell genug. Seehofer hat Mitte Februar einen 60-seitigen Gesetzentwurf zur Abschiebung von Flüchtlingen vorgelegt, der von der ersten bis zur letzten Seite die Handschrift der AfD trägt. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber aufgrund von Krieg und Terror in ihrer Heimat oder wegen fehlender Papiere nicht abgeschoben werden können, so schnell wie möglich außer Landes zu schaffen. Es trägt den zynischen Namen „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, doch „Ausländer-raus-Gesetz“ wäre passender, wie die World Socialist Web Site dazu anmerkte.
Dieser Gesetzentwurf, der sich über alle demokratischen Grundsätze hinwegsetzt, sieht vor, Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, verstärkt vorher in Haft zu nehmen, um ihre Abschiebung zu beschleunigen. Und er sieht vor, Helfer und Unterstützer von Flüchtlingen zu kriminalisieren. Wer Abschiebetermine oder geplante Abschiebeflüge bekannt macht, soll mit ein bis drei Jahren Haft bestraft werden.
Auch die SPD trägt diese Pläne mit. Die Erweiterung der „sicheren Herkunftsstaaten“ auf Algerien, Marokko und Tunesien steht ausdrücklich schon im Koalitionsvertrag, den die SPD unterschrieben hat und umsetzt. Dies wurde erneut deutlich, als Justizministerin Katarina Barley (SPD) das Innenministerium von rechts angriff, da es nicht effektiv genug abschiebe. Das größte Problem bei den Abschiebungen sei nach wie vor, so die SPD-Ministerin, dass die Herkunftsländer die abgelehnten Asylbewerber nicht zurücknähmen: „Da ist schon ewig das Innenministerium in der Pflicht, Abkommen zu verhandeln, und schafft es nicht.“
Auch die Grünen teilen letztlich die Grundhaltung der Regierung. Ihre Ablehnung der Festlegung „sicherer Herkunftsstaaten“ ist völlig prinzipienlos. Dazu erklärte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock am 18. Januar: „Den Punkt, dass es schnellere Rückführungen geben soll, den teilen wir Grünen voll und ganz. Aber dafür gibt es andere Mittel (…).“ Abschiebungen nach Georgien bezeichnete sie zum Beispiel als „vollkommen in Ordnung“, aber das Innenministerium habe „seine Hausaufgaben nicht gemacht“. Schon im Dezember hatte Baerbock ausdrücklich die raschere Abschiebung „straffälliger Asylbewerber“ gefordert.
Die Sozialistische Gleichheitspartei lehnt diese Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterstützer vehement ab. In unserem Aufruf: „Gegen Nationalismus und Krieg! Für Sozialismus“ zur Unterstützung des Wahlkampfs der SGP für die Europa-Wahl erklären wir:
„Um den Aufbau eines Polizeistaats zu rechtfertigen und zu erproben, suchen sich die herrschenden Eliten bewusst die Schwächsten der Gesellschaft aus. Flüchtlinge werden unter unmenschlichen Bedingungen in Lager gepfercht, elementarer Grundrechte beraubt und in Gestapo-mäßigen Razzien in Kriegsgebiete abgeschoben. Damit wird ein Präzedenzfall geschaffen, um die demokratischen Rechte aller Arbeiter zu beseitigen.
Wir verteidigen das Asylrecht und das Recht aller Arbeiter, im Land ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten. Die Arbeiterklasse darf sich nicht spalten lassen. Um ihre eigenen Rechte zu verteidigen, müssen sich Arbeiter mit den Flüchtlingen solidarisieren und einen gemeinsamen Kampf gegen Ausbeutung und Krieg führen.
Wir fordern gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen, den Stopp von Abschiebungen und die Schließung der Anker-Zentren.“