Warnstreik der Sicherheitsbeschäftigten an den Berliner Flughäfen

Mehr als 400 Beschäftigte der Sicherheitsdienste an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld beteiligten sich am Montag früh an einem Warnstreik, um für Lohnerhöhungen und die bundesweite Gleichstellung des Lohnniveaus zu kämpfen.

Bereits um 5 Uhr früh versammelten sich mehr als 250 Streikende vor dem Tegeler Flughafengebäude, während etwa 150 Beschäftigte in Schönefeld dem Aufruf der Gewerkschaft folgten. Die Ankündigungstafeln für An- und Abflug zeigten deutlich die starken Auswirkungen des Streiks. Allein in Tegel wurden Dutzende Flüge gestrichen, weitere verspäteten sich um mehrere Stunden: Insgesamt waren 80 Flüge vom Streik betroffen.

Allerdings sind die Arbeiter damit konfrontiert, dass die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb den Kampf bewusst auf kurze, voneinander isolierte Warnstreiks beschränken. Den Streik am Montag hatte Verdi auf knapp vier Stunden, bis 8:45 Uhr, begrenzt.

Verdi hatte zum 31. Dezember 2018 den Tarifvertrag gekündigt und fordert die Anhebung des Stundenlohns auf 20 Euro für das gesamte Bundesgebiet. Der bisherige Tarif liegt in den ostdeutschen Bundesländern bei 17,12 Euro.

Bisher liefen vier ergebnislose Verhandlungen mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS), der eine Lohnerhöhung angeboten hatte. Verdi fordert einen bundesweiten Stundenlohn von 20 Euro bei einer Laufzeit von zwei Jahren. Der BDLS hatte in der letzten Verhandlungsrunde nur 2 Prozent mehr pro Jahr angeboten, was nicht einmal die Inflationsrate abdecken würde, wenn man die Mietsteigerungen in Berlin in Betracht zieht. Die Anhebung des Lohnniveaus der ostdeutschen Bundesländer auf Westniveau soll nach dem Willen der BDLS erst nach fünf Jahren erfolgen.

Zu den Sicherheitsdiensten zählen alle in der Passagier-, Fracht-, Personal- und Warenkontrolle Beschäftigten. Insgesamt sind 23.000 Mitarbeiter in der Flugsicherheit an deutschen Flughäfen vom Tarifvertrag betroffen. Davon arbeiten 3.000 an den beiden Berliner Flughäfen, wovon der größte Teil, etwa 2.400 Beschäftigte, bei der Sicherheitsfirma Securitas angestellt ist. Andere stehen bei den Sicherheitsfirmen FraSec, All Service Sicherheitsdienste GmbH und ICTS unter Vertrag.

Die Ausgründung der Sicherheitsdienste an deutschen Flughäfen an private Unternehmen dient dem Ziel, das Lohnniveau zu senken und dadurch die Gewinnspanne der Sicherheitsfirmen, der Flughäfen sowie der Fluggesellschaften zu erhöhen. Gerade die Low-Cost Airlines, die für wenige Euro Flüge anbieten, feilschen um jeden Euro, den sie sparen können. Nach Angaben der Gewerkschaft liegen die Gebühren für Luftsicherheit an den Berliner Flughäfen je Passagier bei 7,55 Euro in Tegel und 6,10 Euro in Schönefeld.

Die Streikenden sind kampfbereit und optimistisch, dass sie die Angleichung der Löhne sowie eine angemessene Lohnerhöhung durchsetzen können. „Was die Regierung bisher nicht geschafft hat [die Angleichung der Löhne], das schaffen wir jetzt“, sagte ein Arbeiter aus einer Gruppe von Streikenden. „Wir setzen das jetzt in Gang, und demnächst werden andere Flughäfen auch dabei sein“, war die vorherrschende Meinung.

Ein Arbeiter, der bei der Sicherheitskontrolle des Handgepäcks beschäftigt ist, wies darauf hin, dass im vergangenen Jahr 700.000 Passagiere mehr am Flughafen Tegel abgefertigt wurden als im Vorjahr, insgesamt 22 Millionen. Der Zuwachs an Arbeitsvolumen sei aber nicht durch entsprechenden Personalzuwachs abgedeckt worden. „Vor Weihnachten gab es Situationen, wo Fluggäste ihren Flug verpasst haben, weil sie nicht rechtzeitig durch die begrenzte Zahl der Sicherheitsschleusen geleitet werden konnten“, berichtete er. „Der Stress wird in solchen Situationen oft auch gegen uns ausgelassen.“

Auf Frankreich angesprochen, äußerten viele Streikende Sympathie mit den Protesten der „Gelbwesten“, die sich für soziale Gleichheit kämpfen.

Zwar sagten mehrere Arbeiter, ihre eigenen Warnwesten seien die normale Arbeitskleidung und keine Nachahmung. Soweit sei man noch nicht („noch nicht!“), war der lachende Kommentar. Wie sich jedoch zeigte, verfangen die Berichte in der bürgerlichen Presse und im Fernsehen über „Randale“ und brennende Autos in Frankreich schon lange nicht mehr. „Das schreiben die immer so“, war der einhellige Kommentar, und viele Arbeiter sagten: „Ich kann die Franzosen gut verstehen.“

Die Flughafenarbeiter gehören zu den besonders schlecht bezahlten Beschäftigten, wobei in ganz Deutschland die Zahl der Geringverdiener immer mehr überhandnimmt. Vor vier Tagen veröffentlichte der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen bereits Mitte Dezember angekündigten Armutsbericht. Darin weist er nach, dass in Deutschland immer mehr Menschen arm sind, obwohl sie erwerbstätig sind. „Die ganz überwiegende Mehrheit der erwachsenen Armen ist berufstätig oder in Rente“, heißt es darin.

Arm trotz Arbeit – das ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Angriffs auf Rechte und Errungenschaften der Arbeiterklasse. Mit Hilfe von Hartz IV, Agenda 2010 und einer Politik der Privatisierung und Deregulierung wird immer mehr gesellschaftlicher Reichtum auf die Konten einer hauchdünnen Oberschicht geschoben. Gleichzeitig setzt die Regierung die Kriegsvorbereitungen und die Aufrüstung an die erste Stelle. Wie im Koalitionsvertrag festgelegt, sollen 2 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung, das sind etwa 70 Milliarden Euro, in die Rüstung fließen.

Kein Zweifel, dass die Arbeiterklasse für diese Pläne der Regierung weiter bluten soll. So drohte nur einen Tag, ehe die Arbeiter in Tegel und Schönefeld streikten, der Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SDP) in der Bild am Sonntag mit den Worten „Die fetten Jahre sind vorbei!“ einen neuen Sparkurs an.

Allerdings spielen die Gewerkschaften bei dieser Entwicklung eine üble Rolle. Weit davon entfernt, die Arbeiterklasse gegen die Angriffe zum gemeinsamen Kampf zu mobilisieren, arbeiten sie eng mit der Regierung und besonders mit der SPD zusammen, um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt zu sichern.

An den Ausgründungen im Flugverkehr und im ganzen öffentlichen Dienst war die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aktiv beteiligt. Sie hat die neuen, niedrigeren Lohngruppen in den Subunternehmen mit den Unternehmen ausgearbeitet. An den Berliner Flughäfen hat Verdi im Interesse der „Standortverteidigung“ zahlreiche Verträge abgeschlossen, die für die Arbeiter auf Jahre hinaus Billiglöhne und mehrjährigen Streikverzicht bedeuten. Speziell im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze bei AirBerlin und im Lohnkampf bei Ryanair hat sich Verdi als Interessenvertretung des Lufthansa-Konzerns erwiesen.

Die Gewerkschaften Verdi und der Deutsche Beamtenbund (dbb) organisieren die Warnstreiks mit dem Ziel, die Belegschaften unter Kontrolle zu halten und eine größere, flächendeckende und internationale Streikbewegung zu verhindern. Sie werden zweifellos auch diesmal einen Kompromiss abschließen, der den betroffenen Unternehmen die Gewinne und ihre „Konkurrenzfähigkeit“ sichert.

Verdis Pressesprecher, Andreas Splanemann, gab zu verstehen, dass der Warnstreik ein „Warnsignal an die Arbeitgeber“ sei, und drohte mit „weiteren Arbeitskämpfen auch an anderen deutschen Flughäfen“, wenn zur nächsten Verhandlungsrunde am 23. Januar kein besseres Angebot des BDLS vorliege. Man wolle „Signale setzen“, aber „nicht den ganzen Flugverkehr in Deutschland lahmlegen“, versicherte Splanemann.

Die Security-Beschäftigten stehen – wie ihre Kollegen bei den Bodendiensten, die Flugbegleiter und Piloten und andere in der Luftfahrt Beschäftigte – einer geschlossenen Front aus Regierung, Flughafengesellschaften, Fluglinien, Dienstleistungsfirmen und Gewerkschaften gegenüber. Sie können nur einen Schritt vorwärts machen, wenn sie sich in Arbeiterkomitees zusammenschließen, die mit den Kollegen an andern Flughäfen und europaweit zusammenarbeiten, aber unabhängig von Verdi und dbb agieren. Dazu benötigen sie das sozialistische und internationale Programm der Sozialistischen Gleichheitspartei und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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