Am Mittwochabend wurde der Sprecher der „Gelbwesten“ Eric Drouet verhaftet, als er auf dem Pariser Place de la Concorde Kerzen für jene Mitglieder der Bewegung entzünden wollte, die bei den Protesten ihr Leben gelassen haben. Als Vorwand für diesen offenen Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dient die Behauptung, die Versammlung sei nicht bei der Polizeipräfektur angemeldet worden. Drouet hatte auf Facebook zu der Versammlung auf dem Place de la Concorde aufgerufen.
Bei seiner Verhaftung war Drouet umgeben von Mitstreitern. Er wurde von der Polizei zuerst in die Enge getrieben, gefasst und schließlich abgeführt, während die Menge „Schande!“, „Diktatur“ oder „Bastarde!“ rief. Er wurde in Sicherheitsverwahrung genommen und weitere Demonstranten wurden verhaftet, um ihre Identität festzustellen.
Drouet drohen eine sechsmonatige Haftstrafe und eine Geldstrafe von 7.500 Euro. Sein Anwalt Khéops Lara bezeichnete die Verhaftung als „völlig ungerechtfertigt und willkürlich“ und sagte: „Sein Verbrechen besteht darin, dass er Kerzen ... auf dem Place de la Concorde aufgestellt hat, um der gefallenen ‚Gelbwesten‘ zu gedenken, die bei Protesten oder bei Blockaden von Autobahnkreuzen aus verschiedenen Gründen gestorben sind. Dann wollte er sich mit ein paar Freunden und Angehörigen privat in einem Restaurant treffen, um Ansichten zu diskutieren und zu teilen.“
Die Pariser Staatsanwaltschaft unterstellt Drouet, er habe eine unangemeldete Demonstration organisiert. Der Abgeortnete Olivier Dussopt erklärte gegenüber BFMTV: „Wenn man sich nicht an die Regeln hält, zahlt man normalerweise den Preis dafür.“
Diese Vorwürfe sind absurd und zeigen, wie sehr Frankreich bereits zum Polizeistaat degeneriert ist. Drouet hat keine Massendemonstration organisiert, die häufig in Polizeipräfekturen angemeldet werden, sondern nur das Treffen von wenigen Einzelpersonen. Der Staat beansprucht jetzt das Recht, dies verbieten zu können.
Lara fordert Drouets Freilassung aus der Sicherheitsverwahrung, was die Staatsanwaltschaft ablehnt. Der Anwalt sagt: „Die Propagandakampagne, die Polizei, Medien und Politiker gegen Eric Drouet organisieren, beleidigt die Männer und Frauen der unteren Schichten Frankreichs.“
Die herrschende Klasse setzt in der Tat ein Zeichen: Alle Äußerungen von echtem politischem Widerstand, selbst die von der Verfassung geschützten, will sie mit ihrer Polizeimaschinerie unterdrücken. Die wachsende soziale Wut der Arbeiter in Frankreich und international richtet sich auch gegen die Gewerkschaftsbürokratie, die traditionell die Proteste und Streiks der Arbeiterklasse kontrolliert und abgewürgt haben. Vor diesem Hintergrund setzt die herrschende Klasse auf Unterdrückung. Neben ganzen Heerscharen von Bereitschaftspolizisten und Panzerfahrzeugen setzt sie auch auf halblegale Lynchjustiz an prominenten Persönlichkeiten der Opposition.
Drouet ist der Sprecher von Teilen der „Gelbwesten“-Bewegung, die Präsident Emmanuel Macrons Versuche ablehnen, die Bewegung mit wertlosen Gesprächsangeboten ruhigzustellen. Am 28. November repräsentierten er und Priscilla Ludosky die „Gelbwesten“ bei einem Treffen mit Umweltminister François de Rugy, der für die Regierung sprach. Drouet hat sich den Hass von Regierung und Medien zugezogen, als er de Rugys Angebot ablehnte und erklärte, es erfülle die Forderungen der „Gelbwesten“ nicht.
Seither wurde Drouet Ziel von immer schärferer polizeilicher Repression, welche letztlich alle Mitglieder der Bewegung trifft und unterdrücken will, die den Versuchen des Staates im Weg stehen, die Proteste mit fruchtlosen Gesprächen zu zerschlagen und zu demoralisieren.
Drouets Verhaftung hat unter den „Gelbwesten“ große Wut ausgelöst. Es gibt bereits Crowdfunding-Kampagnen, um Drouets Anwaltskosten in den diversen Verfahren zu finanzieren, die gegen ihn initiiert wurdem.
Anfang Dezember, als die Polizei mit brutaler Gewalt gegen die Samstagsdemos der wachsenden Bewegung vorging, wurde Drouet bereits in Sicherheitsverwahrung genommen und seine Wohnung wurde von der Polizei durchsucht. Ihm wurde vorgeworfen, er habe eine „Straftat oder Ordnungswidrigkeit provoziert“ und eine „illegale Protestveranstaltung“ organisiert. Die einzige Grundlage für diese Vorwürfe war, dass er in einem Interview mit BFMTV gesagt hatte, er würde gerne in den Elysée-Palast hineingehen.
Am 8. Dezember wurde er nach der vierten Protestveranstaltung in Paris verhaftet, angeblich weil er eine „verbotene Waffe der Kategorie D“ trug, laut Presseberichten ein Stück Holz. Außerdem soll er Mitglied einer „Gruppierung“ gewesen sein, die „gegründet wurde, um Gewalttaten oder Sachbeschädigung zu verüben.“ Für diese Vergehen soll er am 5. Juni vor Gericht stehen.
Diese Kampagne gegen Drouet verdeutlicht einmal mehr, dass Macron und die Europäische Union nicht die Absicht haben, auf die Forderungen der „Gelbwesten“ oder der kämpfenden Arbeiter in ganz Europa einzugehen. Die Macron-Regierung ist von den Massen isoliert und verhasst, und fürchtet die „Gelbwesten“. Doch ihre einzige Reaktion darauf ist die Verschärfung der Austeritäts- und Kriegspolitik, die wiederum die soziale Ungleichheit verstärkt und den Widerstand der „Gelbwesten“ erst ausgelöst hat.
In seiner Neujahrsansprache betonte Macron, er werde die Politik der Kürzungen bei Renten, Arbeitslosenversicherung und den Gehältern im öffentlichen Dienst fortsetzen. Er verurteilte außerdem die Kritik der „Gelbwesten“ an seiner Präsidentschaft und belehrte die Franzosen: „Würde, meine lieben Mitbürger, bedeutet auch, jeden zu respektieren. Und ich muss sagen, ich habe in letzter Zeit unvorstellbare Dinge gesehen und das Inakzeptable gehört.“
Das ist die diktatorische Sprache eines Banker-Präsidenten, der zum Zeitpunkt seiner Wahl behauptet hatte, Frankreich fehle ein König. Jetzt scheint er sich auf diese Position bewerben zu wollen, obwohl die große Mehrheit der französischen Bevölkerung seine Politik ablehnt.
Die Verfolgung von Drouet kann nur von der Arbeiterklasse beendet werden. Mehr als 70 Prozent der französischen Bevölkerung unterstützen die „Gelbwesten“, auch international genießen sie große Unterstützung. Doch die etablierten Parteien und die völlig in den Staat integrierte Gewerkschaftsbürokratie stehen ihnen mit erbitterter Feindschaft gegenüber. Sie wollen die Kämpfe der Arbeiterklasse gegen Macron bereits im Keim ersticken.
Die Lösung lautet, ihnen die Kontrolle über den Kampf zu entreißen. Immer größere Sektionen der Arbeiter müssen in Frankreich und ganz Europa unabhängig von den Gewerkschaften und gegen die Gewerkschaftsbürokratien organisiert werden, um demokratische und soziale Rechte zu verteidigen.