Perspektive

Die Waldbrände im kalifornischen Paradise: Von der Naturkatastrophe zum sozialen Desaster

Kalifornien wurde von den tödlichsten Waldbränden heimgesucht, die je den US-Bundesstaat erfasst haben. Während Waldbrände, ähnlich wie Hurrikane, meist natürliche Ursachen haben, sind die schrecklichen Folgen der Naturkatastrophe das Ergebnis der kriminellen Machenschaften der Unternehmen und der Vernachlässigung durch die Regierung.

Der Waldbrand „Camp Fire“ wütete besonders heftig in Nordkalifornien, wo die Stadt Paradise mit 26.000 Einwohnern weitgehend zerstört wurde. Die offizielle Zahl der Todesopfer liegt mittelweile bei 81. Hunderte Menschen werden noch vermisst – viele von ihnen sind wahrscheinlich in den Flammen umgekommen. Such- und Rettungsteams durchsuchen weiterhin die Trümmer nach menschlichen Überresten. Das Feuer erreichte zeitweise eine derartige Hitze, dass sogar Knochen verbrannten. Aufgrund der großflächigen Luftbelastung haben Millionen Menschen mit schweren gesundheitlichen Folgen zu kämpfen.

Ganze Familien mussten ohne jede Vorwarnung fliehen, um den rasend schnellen Flammen zu entkommen. Wer es rechtzeitig aus dem Haus schaffte, blieb auf den überfüllten Straßen im Stau stecken. Während es einigen gelang, zu Fuß zu fliehen, wurden andere in ihren Autos von den Flammen eingeschlossen und verbrannten. Diejenigen, die ihr Leben retten konnten, standen über Nacht vor dem Nichts und mussten in überfüllten und unhygienischen Unterkünften oder provisorischen Zeltstädten Zuflucht suchen.

Die Einwohner der zerstörten Stadt Paradise gehörten im Vergleich zu anderen Teilen Kaliforniens zur älteren Generation und hatten niedrigere Einkommen. Das Durchschnittsalter lag bei fünfzig Jahren und ein Haushalt verfügte im Schnitt über 20.000 Dollar weniger pro Jahr als im restlichen Bundesstaat. Das Leben und Leid dieser Menschen ist für die Regierung ohne jede Bedeutung; sie reagierte mit Gleichgültigkeit auf die Katastrophe. Abgesehen von den wenigen Notunterkünften, in denen aufgrund der schlechten Bedingungen mindestens 25 Überlebende am Norovirus erkrankten, und ein paar finanziellen Almosen der Katastrophenhilfe FEMA sind die Brandopfer aus Paradise auf Freunde, Verwandte und Hilfsorganisationen angewiesen.

Das Camp-Fire reiht sich in eine lange Liste von Naturkatastrophen der letzten Jahre ein, darunter die Hurrikane Michael (60 Tote), Florence (53 Tote) und Maria (3.057 Tote). Vor vier Monaten starben 99 Menschen in Waldbränden in der Region Attika, nahe der griechischen Hauptstadt Athen. In allen Fällen führten der Verfall der Infrastruktur und die unzureichende Notfallplanung dazu, dass sich die gewaltsamen Naturereignisse in eine soziale Katastrophe verwandelten.

Die Regierungsbeamten – Demokraten wie Republikaner – versuchten, das Ausmaß der Katastrophe herunterzuspielen und davon abzulenken, wer wirklich verantwortlich ist. Am Sonntag erklärte Innenminister Ryan Zinke absurderweise, dass „radikale Umweltaktivisten“ für die Verhinderung einer guten Forstwirtschaft verantwortlich seien. Zuvor hatte Trump das Brandgebiet in Kalifornien besucht und mit Vertretern der Demokratischen Partei leere Plattitüden und gegenseitige Unterstützungsversprechen ausgetauscht.

Doch was sind die wirklichen Gründe für die Verwüstung in Kalifornien?

Erstens: Ein zentraler Faktor sind die Energieunternehmen, deren alternde Infrastruktur bekanntlich viele Brände verursacht hat.

Der kalifornische Energiesektor wird von drei privaten Versorgungsunternehmen dominiert: Pacific Gas and Electric (PG&E), Southern California Edison (SCE) und San Diego Gas and Electric (SDG&E). Sie besitzen in ihrer jeweiligen Region das Monopol. Insgesamt sind diese drei Konzerne für über 2.000 Waldbrände in Kalifornien verantwortlich ­– seit 2014, als sie vom Staat dazu verpflichtet wurden, Störungen zu melden. Allein PG&E ist für über 1.500 Brände verantwortlich, darunter 16 Großbrände im Jahr 2017. In elf Fällen wurde festgestellt, dass die Feuer aufgrund der Fahrlässigkeit von PG&E entstanden sind. Das Unternehmen könnte dazu verpflichtet werden, mit 17 Milliarden Dollar für Opfer und Schäden im vergangenen Jahr zu haften.

Die genaue Ursache des Camp-Fire wird zwar noch untersucht, aber wie schon bekannt ist, brach das Feuer am Poe-Damm, etwa 16 Kilometer östlich von Paradise, aus – nur wenige Minuten nachdem PG&E dort einen Stromausfall auf seinen Leitungen gemeldet hatte. Feuerwehrleute, die im Anfangsstadium des Brandes im Einsatz waren, berichteten von ausgefallenen Stromleitungen vor Ort.

Letzte Woche legte PG&E gegenüber der US-Börsenaufsichtsbehörde Security and Exchange Commission schriftlich dar, dass das Unternehmen, sollte es für die Brände verantwortlich gemacht werden, nicht in der Lage wäre, für den Schaden aufzukommen, da die Kosten seinen Versicherungsschutz übersteigen und damit seine finanzielle Stabilität gefährden würden. Daraufhin erklärte die kalifornische Aufsichtsbehörde für Versorgungsunternehmen (California Public Utilities Commission, CPUC) am Freitag umgehend, dass sie die Höhe der Schadenersatzansprüche, die Brandopfer an PG&E stellen können, begrenzen würde, um die „Finanzlage“ des Unternehmens zu schützen. Dabei stützt sich die CPUC auf Bestimmungen eines jüngst verabschiedeten Bundesstaatsgesetzes, das von Gouverneur Jerry Brown, einem Demokraten, mitgetragen wurde. Kurzum: Selbst wenn das Unternehmen der Fahrlässigkeit für schuldig befunden werden sollte, werden die staatlichen Behörden nicht die PG&E-Aktionäre, sondern die Opfer der Brände für den Schaden haften lassen.

Zweitens: Die Regierung hat die staatliche Infrastruktur vernachlässigt und es trotz ausreichender Warnungen versäumt, grundlegende Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Es ist schon lange bekannt, dass Paradise in Gefahr ist. Während eines starken Sturms im Jahr 2002 stürzten fünf PG&E-Stahltürme am Poe-Damm um und lösten ein Feuer aus, das auch die Stadt bedrohte. Der Einsatzleiter erklärte damals gegenüber Chico Enterprise-Record, dass es „ein Wunder ist, dass so viele Häuser gerettet wurden, so wenige Häuser verloren gingen und es keine schweren Verletzungen oder Todesfälle gab“.

Im Jahr 2008 wurde Paradise durch das Humboldt-Fire bedroht, das sich von Südwesten her auf die Stadt zubewegte und fast alle Landstraßen blockierte. Zum Glück blieb Paradise verschont. Damals wurde in einem Regierungsbericht festgestellt, dass die Stadt nur eine einzige funktionierende Evakuierungsroute hatte, die lediglich für den Transport von 1.200 Autos pro Stunde ausgelegt war.

Trotz aller Vorhersagen und Gefahrensituationen unternahm die kalifornische Regierung unter der Demokratischen Partei nichts, um die genannten Probleme zu lösen. Als sich das Feuer in diesem Monat ausbreitete, wurde kein umfassender stadtweiter Evakuierungsbefehl gegeben. Die Regierung machte keine Notfalldurchsagen, und Handy-Benachrichtigungen gingen nur an diejenigen, die sich zuvor angemeldet hatte – etwa 30 Prozent der Bevölkerung. Viele Anwohner steckten auf der Flucht im Stau fest, weil es keine geplanten Fluchtwege gab.

Der dritte Faktor ist der Klimawandel, der immer schwerere Naturkatastrophen wie Hurrikane und Dürren verursacht. Trotz der unermüdlichen und düsteren Warnungen vieler Wissenschaftler haben sich die kapitalistischen Eliten als unfähig erwiesen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Prozess der globalen Erwärmung aufzuhalten. Die internationalen Abkommen, die den Klimawandel stoppen sollen, sind völlig unzureichend – und werden sogar noch in Frage gestellt.

Das kapitalistische System, das das gesamte Wirtschaftsleben den Interessen der Unternehmens- und Finanzelite unterordnet, ist das Haupthindernis im Kampf gegen die gesellschaftlichen Missstände, die Katastrophen wie die in Nordkalifornien verursachen. Kein einziges soziales Problem – einschließlich der fehlenden Investitionen in soziale Dienstleistungen – kann gelöst werden, ohne die Vermögen der herrschenden Klasse zu enteignen.

Kalifornien ist der reichste Bundesstaat der USA, hier haben Filmstars und Oligarchen ihre Luxusvillen. Die 144 Milliardäre verfügen über ein Gesamtvermögen von 725 Milliarden Dollar. Sie leben abgeschirmt in den Luxus-Apartments von San Francisco oder in ihren Strandvillen in exklusiven Enklaven. Die kalifornischen Arbeiter leben ein völlig anderes Leben – der Gegensatz zwischen der Extravaganz der Reichen und den Szenen der Verzweiflung während und nach dem Camp-Fire könnte kaum größer sein.

Die Arbeiterklasse muss ihr eigenes Programm vorantreiben. Die Socialist Equality Party fordert die Umwandlung der Energieunternehmen in demokratisch kontrollierte, öffentliche Einrichtungen, die auf der Grundlage sozialer Bedürfnisse und nicht privater Gewinne betrieben werden. Um eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten, ist ein umfangreiches öffentliches Bauprogramm erforderlich, das unter anderem den Austausch aller oberirdischen Leitungen durch ein unterirdisches Stromnetz vorsieht.

Es muss eine unabhängige Untersuchung der Brände durchgeführt werden, in deren Rahmen alle Unternehmens- und Regierungsvertreter strafrechtlich verfolgt werden, die für das tödliche Inferno mitverantwortlich sind.

Die technologischen Voraussetzungen sind vorhanden, um selbst isolierte Gemeinden vor Waldbränden zu schützen. Doch die Umsetzung erfordert wissenschaftlich geplante Investitionen in die gesamte Infrastruktur – was die privaten Unternehmen nie durchführen werden. Buschrodungen, Brandschneisen und kontrollierte Verbrennung können verhindern, dass selbst starke Brände schnell in städtische Gebiete vordringen, so dass die Bewohner Zeit für die Evakuation haben. In allen gefährdeten Gebieten müssen systematische Evakuierungspläne mit moderner Technologie zur Benachrichtigung der Bewohner erstellt und Fluchtrouten mit ausreichender Kapazität geschaffen werden.

Alle Arbeiter haben ein Recht auf sicheres und komfortables Wohnen. Es ist beschämend, dass die Opfer der Brände in Zeltstädten oder überfüllten Unterkünften leben müssen. Alle, die ihr Hab und Gut verloren haben, müssen vollständig entschädigt werden.

Die Umsetzung dieses Programms erfordert die sozialistische Umgestaltung der gesamten Wirtschaft in den Vereinigten Staaten und international. Die Produktion muss sich den gesellschaftlichen Bedürfnissen und der wissenschaftlichen Planung, nicht den Profitinteressen der Konzerne und der herrschenden Elite, unterordnen.

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