Perspektive

Großbritannien: Massenproteste gegen Trumps Besuch

Die gewaltigen Demonstrationen in London und anderen britischen Städten am 13. Juli brachten die Wut und Abscheu gegenüber US-Präsident Donald Trump zum Ausdruck.

Laut den Veranstaltern strömten eine Viertelmillion Menschen auf den Trafalgar Square und in die umliegenden Straßen. Die Polizei gab zu, dass es mehr als 100.000 waren. Auch in anderen Großstädten wie Manchester, Sheffield und Glasgow kam es zu Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern.

Nachdem Trump den europäischen Mächten eine Woche lang mit Handelskrieg gedroht und eine forcierte Aufrüstung gefordert hatte, waren die Proteste die erste Gelegenheit für die Arbeiter in Europa, ihre eigene Meinung über den US-Präsidenten zu äußern.

Obwohl sich die europäischen Regierungen durch Trumps spitze Beleidigungen in ihrem Stolz gekränkt fühlten, versuchten sie ihre Arbeitsbeziehungen zu den USA aufrechtzuerhalten. Die Proteste in Großbritannien dagegen zeigen die Verachtung von Millionen und Abermillionen von Arbeitern gegenüber Trump und allem, wofür er steht: die Bereicherung der Milliardäre, die Zerschlagung des Sozialstaats, Rassismus gegen Immigranten und Muslime und unverhohlene Kriegstreiberei.

Zweifellos war Trumps Verhalten während seines Besuchs in Europa mitverantwortlich für das Ausmaß der Proteste. So hatte er in der Sun in einer fremdenfeindlichen Hetztirade behauptet, Einwanderer und Zuwanderung würden die britische und europäische Kultur zerstören.

Premierministerin Theresa May hatte Trump eingeladen, obwohl mehr als eine Million Menschen eine Petition gegen seinen Besuch unterzeichnet hatten. Sie hoffte, sich seine Unterstützung für ein Handelsabkommen mit den USA nach dem Brexit zu sichern, und versprach dem Präsidenten im Blenheim Palace „eine Gelegenheit, die bürokratischen Barrieren niederzureißen, die auf beiden Seiten des Atlantiks Unternehmer frustrieren“.

Stattdessen äußerte sich Trump in dem Sun-Interview mit offener Verachtung darüber, dass sie die Beziehung zur Europäischen Union fortsetzen will. Er machte sie öffentlich herunter, auf ähnliche Weise, wie zuvor schon die Bundeskanzlerin Angela Merkel. In der Zwischenzeit organisierte Trumps faschistischer Kampfhund, Steve Bannon, in seinem Hotel in Mayfair Treffen mit rechtsextremen Politikern, um über die Auflösung der EU zu diskutieren.

Doch die landesweiten Proteste konnten den Widerstand gegen Trump nur sehr unvollständig zum Ausdruck bringen. Er beklagte sich, man habe ihm das Gefühl gegeben, in London „nicht willkommen“ zu sein. Hätte jedoch jemand zu Streiks und Boykotts gegen seinen Besuch aufgerufen, dann wäre das eine wirkliche Abfuhr für Trump gewesen.

Dazu hat aber niemand aufgerufen, weder die Gewerkschaften, noch der Labour-Party-Vorsitzende Jeremy Corbyn.

Corbyn hielt eine Rede auf dem Trafalgar Square, gab Interviews und veröffentlichte ein Video, in dem er Trump für seine Angriffe auf Immigranten und die Menschenrechte verurteilte. Dennoch versicherte er: „Wir wollen auch weiterhin den Dialog, natürlich auch mit denjenigen, mit denen wir überhaupt nicht übereinstimmen. Als Regierung würden wir eine Möglichkeit finden, mit seiner Regierung zusammenzuarbeiten und gleichzeitig für unsere Werte einzustehen.“

Was will er damit sagen? Labour würde als Regierungspartei die Zusammenarbeit mit Trump anstreben, weil dieser den US-Imperialismus repräsentiert. Und als Oberhaupt einer Regierung, die den britischen Imperialismus repräsentiert, würde Corbyn auch die britischen Atomraketen beibehalten und in der Nato aktiv mit den amerikanischen und europäischen Imperialisten zusammenarbeiten.

Der Leitartikel des Guardian macht deutlich, auf welche Art und Weise das politische Establishment angeblich Widerstand gegen Trump leistet. In dem Artikel werden die Proteste verteidigt und Trumps Besuch mit dem von Woodrow Wilson nach dem Ersten Weltkrieg verglichen, dem ersten Besuch eines US-Präsidenten in Europa. Dort heißt es, Wilsons Ziel sei gewesen, „in dem vom Krieg zerstörten Europa Frieden zu stiften und den Aufbau einer liberalen Weltordnung auf der Grundlage von Recht und Gesetz anzuleiten“. Allerdings wird nicht erklärt, warum Trump Präsident geworden ist, und es wird auch nicht nahegelegt, dass die europäischen Mächte eben jene Werte verteidigen sollten.

Im Leitartikel heißt es: „Es geht nicht mehr an, Trumps Amerika selbstredend als zuverlässigen Verbündeten der europäischen Nationen und als Verteidiger der liberalen Demokratie zu betrachten.“ Der Kolumnist Jonathan Freedland betont dort, die Briten müssten „sich entscheiden, wo wir stehen in Bezug auf das, was sich zur klaren globalen Trennlinie entwickelt“. Sie müssten sich entscheiden zwischen der EU oder „der Welt von Putin, Viktor Orbán und Trump (...) in der man entweder über den Tisch zieht, oder über den Tisch gezogen wird (...)“

Diese Verteidiger des britischen Imperialismus und der europäischen imperialistischen Mächte trennt ein politischer Abgrund von der großen Masse der Arbeiter und Jugendlichen. Letztere wurden von den europäischen Regierungen einem brutalen Austeritätskurs unterworfen, und sie erleben tagtäglich, wie demokratische Freiheiten ausgehöhlt und Flüchtlinge genauso brutal behandelt wurden wie unter Trump. Gleichzeitig brüsten sich die Regierungen mit ihren eigenen militärischen Aufrüstungsprogrammen.

Von Trumps Auftreten in der Art eines Mafiabosses gegenüber May und andern europäischen Regierungschefs geht der Gestank des Faschismus aus. Und das ist nicht allein seiner abnormen Persönlichkeit geschuldet. Seine Flegelhaftigkeit und Brutalität ist vielmehr eine Verkörperung sämtlicher gewalttätiger Charakteristika des amerikanischen Imperialismus in der Periode des Niedergangs.

Die USA sind bereit, über Leichen zu gehen, um ihre weltweite politische, wirtschaftliche und militärische Vormachtstellung zu erhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie von Trump und den Republikanern oder von Hillary Clinton und den Demokraten regiert werden. Tatsächlich bestätigt Trumps Wahlsieg die Weitsicht von Leo Trotzkis Feststellung: „Gerade umgekehrt wird sich die Hegemonie der Vereinigten Staaten während der Zeit einer Krise noch viel vollständiger, offener, schärfer und rücksichtsloser auswirken, als während der Zeit des Aufstiegs.“

Vor einem Jahrhundert, im Jahr 1918, kam US-Präsident Woodrow Wilson nach Europa und inszenierte sich und Amerika mit seinen „vierzehn Punkten“ als Retter der „Demokratie, der universalen Brüderlichkeit und des Friedens“. Wilsons Selbstdarstellung war zwar nicht frei von Betrug und Heuchelei, doch der Aufstieg des amerikanischen Imperialismus verlieh der Erklärung des Präsidenten eine gewisse Glaubwürdigkeit. Der ehemalige Universitätspräsident Wilson war sogar in der Lage, die Ambitionen des US-Imperialismus mit einer beträchtlichen Eloquenz zu artikulieren.

Doch ein Jahrhundert später trampelt Trumps groteske Figur durch Europa und droht allen mit „Angeboten, die man nicht ablehnen kann“. Der Unterschied zu Wilson in Auftreten, Kultur, Verhalten und Sprache ist Ausdruck unterschiedlicher Stadien in der historischen Entwicklung des amerikanischen Imperialismus. Wilson verkörperte den Aufstieg der Vereinigten Staaten, Trump ihren Niedergang und Verfall.

Der gleiche Prozess – die zunehmende Wirtschaftskrise des Weltkapitalismus, der erbitterte Kampf um die Kontrolle über die Märkte und Rohstoffe der Welt – zwingt auch die europäischen Mächte dazu, in gleicher Weise auf die Herausforderung durch die USA zu reagieren. Vor allem teilen Trump, May, Merkel und Macron die gleiche grundsätzliche Feindseligkeit gegenüber der Arbeiterklasse, die mit der Zerstörung ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensstandards für Handelskrieg und militärische Konflikte bezahlen soll.

Eine wirkliche Bewegung gegen die gesellschaftliche Kampagne für Ungleichheit, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Militarismus und Krieg, die mittlerweile mit dem Namen Donald J. Trump assoziiert wird, erfordert die Vereinigung der britischen, europäischen, amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse gegen die imperialistische Weltordnung und all ihre Regierungen. Es bedeutet den Aufbau einer neuen Führung, um auf der Grundlage von Gleichheit, Internationalismus und Frieden für eine sozialistische Alternative zu kämpfen.

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