Die Nato, das größte Militärbündnis der Welt, baut die gemeinsamen militärischen Strukturen derzeit so massiv aus, wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Am Donnerstag vor einer Woche beschlossen die Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten auf einer Konferenz in Brüssel, in den kommenden zwei Jahren alle nötigen Schritte zu unternehmen, um insgesamt 90 Kampfverbände aus Heer, Marine und Luftwaffe auch in kürzester Frist jederzeit mobilisieren zu können.
Zunächst sollen zwei neue Hauptquartiere errichtet werden, eines davon im US-amerikanischen Norfolk, Virginia. Es soll dazu dienen, die schnelle Verlegung von Kampfverbänden über den Atlantik zu steuern, damit das „gesamte Spektrum transatlantischer Missionen“ erfolgreich durchgeführt werden kann, so das amerikanische Verteidigungsministerium.
„Die Rückkehr des Wettstreits der Großmächte und ein wiedererstarktes Russland verlangen von der Nato, sich auf den Atlantik zu konzentrieren, um eine fähige und glaubwürdige Abschreckung zu gewährleisten“, sagte Johnny Michael, ein Sprecher des Pentagons, bereits Anfang Mai dazu. Das neue Nato-Kommando werde „der Dreh- und Angelpunkt der transatlantischen Sicherheit sein“.
Das zweite neue Kommandozentrum (Joint Support Enabling Command – JSEC) soll dem Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen folgend in Ulm gebaut werden.
„Es wird ein neues Nato-Kommando sein, das die Aufgabe hat, im Krisenfall sämtliche militärischen Truppenbewegungen innerhalb des Bündnisgebietes zu koordinieren“, so von der Leyen auf dem Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel vor einer Woche. Die Streitkräftebasis beabsichtigt, den Aufbau des neuen Kommandos unter Rückgriff auf ihr in Ulm stationiertes Multinationales Kommando Operative Führung umzusetzen. Diese international einzigartige Dienststelle nimmt schon jetzt Nato-, UN- und EU-Aufgaben wahr und hat der Bundeswehr zufolge bereits mit den Vorbereitungen des Aufbaus begonnen.
Der offizielle Startschuss für das Kommando fällt im Juli. Bis 2021 soll das JSEC dann die volle Einsatzbereitschaft erreichen. Bereits ein Jahr zuvor sollen 90 Verbände aus allen drei Teilstreitkräften so aufgerüstet werden, dass sie im Ernstfall binnen 30 Tagen ins Gefecht geschickt werden können.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte an, 30 Heeres-Bataillone (30.000 Soldaten) hierfür zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich sollen 30 Flugzeugstaffeln sowie 30 größere Kriegsschiffe und sogar U-Boote innerhalb von „30 Tagen oder weniger“ ausrücken können. Diese Verbände sollen künftig die bereits bestehende schnelle Nato-Einsatztruppe, die NATO Response Force (NRF), zusätzlich verstärken. Die NRF bestand bisher aus 20.000 besonders schnell verlegbaren Soldaten sowie einem Reservepool aus weiteren 20 Bataillonen. Weiterhin verkündete Stoltenberg, die Zahl der Posten in den multinationalen Planungs- und Führungsstäben der Nato um 1200 auf 8000 aufzustocken.
Die Bundeswehr macht keinen Hehl daraus, dass die massive Aufrüstung der Vorbereitung auf einen großen Krieg dient. „Hier geht es im Grundsatz um Einsatzbereitschaftskultur“, sagte von der Leyen. Es müsse möglich sein, „Truppenteile in hoher Einsatzbereitschaft zu halten, damit sie schnell verlegefähig sind“.
In einem Bericht der Streitkräftebasis heißt es: „Das Kommandozentrum wird bei Aktivierung im Bündnisfall für Truppen- und Materialtransporte innerhalb Europas zuständig sein und ihren Schutz koordinieren. Bereits auf dem Weg in das Einsatzgebiet und deutlich im Voraus können Planungen zentralisiert und die Aufgaben zum Schutz harmonisiert werden.“ Das mögliche Einsatzgebiet erstrecke sich dabei „auf den Verantwortungsbereich des SACEURs [Oberbefehlshaber der Nato in Europa] und reicht von Grönland bis nach Afrika, Europa und dessen Randmeere“.
Konkret richten sich die Kriegsvorbereitungen gegen die Atommacht Russland. Nur wenige Tage vor dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel hatte die EU-Kommission angekündigt, bis 2027 für 6,5 Milliarden Euro panzertaugliche Straßen in Europa zu bauen, damit Truppentransporter und Militärfahrzeuge kurzfristig ins Baltikum gelangen können. Auch Brücken und Schienennetze seien oft nicht für die tonnenschweren Kettenfahrzeuge ausgelegt.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Kriegsaufmarsch in Osteuropa ist bereits in vollem Gange, und Deutschland spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Bundesrepublik ist bereits als Rahmennation der verstärkten Nato-Präsenz in Litauen mit 4000 Soldaten an der Nato-Ostgrenze präsent. Außerdem übernimmt die Bundeswehr 2019 und 2023 die Führung der „Nato-Speerspitze“ VJTF (Very High Readiness Joint Task Force).
Seit Mai finden große Truppenverlegungen von Nato-Streitkräften über Deutschland nach Osteuropa statt, die noch bis Ende Juni andauern. Im Zuge der Operation „Atlantic Resolve III“ sollen 3500 US-Soldaten und rund 1400 Fahrzeuge samt Material nach Polen und in die baltischen Staaten verlegt werden. Außerdem laufen massive Manöver unter deutscher Beteiligung.
In Litauen, wo die Bundeswehr die Führung der Ostflankenverstärkung innehat, findet gegenwärtig das Nato-Manöver „Saber Strike“ statt. An der Übung nehmen nach Angaben der US-Armee insgesamt etwa 18.000 Soldaten aus 19 Staaten teil. Die Operation beinhaltet unter anderem die simulierte Erstürmung der russischen Exklave Kaliningrad durch den Suwalki-Korridor zwischen Litauen und Polen, der das russische Staatsgebiet mit dem weißrussischen verbindet. Die Bundeswehr nimmt in diesem Jahr mit etwa 12.000 Soldaten an Nato-Manövern teil, eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr.
Unter Bedingungen wachsender Konflikte zwischen den Nato-Mächten selbst erachtet das Verteidigungsministerium die Offensive gegen Russland auch als Möglichkeit, die eigene militärische Schlagkraft zu erhöhen. Die Führung der VJTF erfordere, „in bestimmte Truppenteile zu investieren und sie zu modernisieren und sie auf den besten Stand zu bringen“, erklärte von der Leyen. Auch darum werde es auf dem bevorstehenden Nato-Gipfel im Juli gehen.