Zwei Jahre nach der Übernahme durch die kanadische Hudson’s Bay Company (HBC) müssen die 21.000 Beschäftigten der Kaufhauskette Galeria Kaufhof erneut um ihre Löhne und Arbeitsplätze fürchten.
Am 10. Oktober beantragte Kaufhof bei der Hausgewerkschaft Verdi den Ausstieg aus dem Einzelhandelstarifvertrag. Laut Süddeutscher Zeitung verlangt das Unternehmen eine Kürzung der Löhne und Gehälter von „drei bis fünf Prozent, die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für drei Jahre und eine Erhöhung der Arbeitszeit durch eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche“.
Zur Begründung führte Kaufhof eine „wirtschaftlichen Notlage“ und eine „existenzgefährdende Umsatz- und Ertragsentwicklung“ an. Stimme Verdi nicht zu, drohe die Insolvenz, der Abbau mehrerer Tausend Arbeitsplätze und die Schließung vieler Standorte.
Am 1. November meldeten dann verschiedene Medien unter Berufung auf Insider-Informationen, der Signa-Konzern des österreichische Immobilienspekulanten René Benko habe angeboten, die Kaufhof-Kette für rund 3 Milliarden Euro von HBC zu übernehmen. Sie erwarte bis Mitte November eine Antwort.
Benko hatte bereits 2014 die Karstadt-Warenhäuser übernommen und sich kurz danach um den Kauf des Konkurrenten Kaufhof bemüht, um eine „deutsche Warenhaus AG“ zu gründen. Damals erhielt aber HBC für 2,85 Milliarden Euro den Zuschlag des bisherigen Kaufhof-Eigentümers Metro.
Was die Übernahme von Kaufhof durch Signa bedeuten würde, ist noch nicht klar. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Benko die Stilllegung konkurrierender Karstadt- und Kaufhof-Filialen und weitere Zugeständnisse bei Löhnen und Arbeitsbedingungen einplant. Sein Angebot sei „durchfinanziert“, hieß es in Medienberichten.
Der 40-jährige Benko, der innerhalb weniger Jahre eine Zweipersonenfirma zu Österreichs größtem Immobilienunternehmen ausbaute, will sich bei der Übernahme weitgehend schadlos halten. Er bewertet allein den Wert der Kaufhof-Immobilien mit 2,63 Milliarden Euro. Eine weitere Wertsteigerung der Immobilien würde ihm also bei einem Kaufpreis von 3 Milliarden schnell einen saftigen Gewinn bescheren.
Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Bereitschaft signalisiert, Zugeständnisse bei Löhnen und Arbeitszeiten und einen möglichen Besitzerwechsel zu unterstützen. Am 10. Oktober erklärte sie in einer Presseerklärung, sie werde den Antrag von Kaufhof, „Verhandlungen über einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung aufzunehmen“, intensiv prüfen.
Am 13. Oktober organisierte Verdi dann während der Arbeitszeit mehrere Betriebsversammlungen, um Dampf abzulassen und die Belegschaften zu beruhigen. Das zuständige Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger wetterte, die Beschäftigten von Kaufhof dürften nicht für „Managementfehler“ büßen, forderte die Klärung „zahlreicher offener Fragen“ und verlangte: „HBC muss seiner sozialen Verantwortung gerecht werden.“ Es war die übliche Begleitmusik, mit der Verdi noch jede Kürzungsrunde eingeleitet hat.
Nutzenberger war bereits 2015 für den Verkauf von Kaufhof an Benko eingetreten. Damals hatten der ebenfalls von Verdi dominierte Kaufhof-Betriebsrat und der bisherige Eigentümer Metro allerdings HBC bevorzugt und sich durchgesetzt.
Der Metro-Betriebsrats-Vorsitzende Werner Klockhaus (Verdi), der auch im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt, brüstete sich 2016 gegenüber der Zeitschrift Mitbestimmung, wie eng er damals in den Verkauf von Kaufhof an HBC involviert war. Er habe zusammen mit Verdi-Chef Frank Bsirske „Einsicht in die Angebote der Bieter“ bekommen und „mitdiskutieren“ können, „wer den Zuschlag bekommen sollte“.
„Wir konnten uns einbringen, was das Beste wäre für das Unternehmen und die Belegschaften“, prahlte Klockhaus. „Das ist Gold wert. Wir haben einen tollen Vertrag abgeschlossen. Es gab keine betriebsbedingten Kündigungen, die Tariftreue wurde erhalten und vieles mehr.“
Und weiter: „Es gab ein gutes Zusammenspiel zwischen mir und dem GBR-Vorsitzenden von Kaufhof, der mit im Aufsichtsrat der Metro AG saß. Wir haben vieles kritisch hinterfragt und wunderbar harmoniert. Da siehst du die Vorteile eines mitbestimmten Unternehmens! Wir konnten maßgeblich daran mitarbeiten, dass der Übergang so glücklich verlaufen ist.“
Das alles erweist sich jetzt als Seifenblase. Die Verpflichtung von HBC, mindestens bis 2020 im Tarif zu bleiben, war von Anfang an heiße Luft. Vertragsstrafen oder ähnliches hatte Verdi nicht vereinbart.
„Glücklich verlaufen ist“ der Übergang dagegen für Finanzinvestoren, Aufsichtsräte, Banken und Gesellschafter. HBC hat den Konzern regelrecht ausgenommen. Unmittelbar nach der Übernahme von Kaufhof für 2,8 Milliarden Euro erhöhte HBC die Mieten für die Kaufhof-Filialen und steigerte damit den Wert der Kaufhof-Immobilien von 1,6 auf 2,6 Milliarden Euro. Anschließend verkaufte HBC einen Teil der Immobilen und brachte den Rest in eine eigene Firma, die HBS Global Properties, ein, an der sie einen Anteil von 63 Prozent hält.
Allein die Mieterhöhungen kosteten Kaufhof 40 Millionen Euro im Jahr, was ungefähr dem Verlust des Jahres 2016 von 50 Millionen gleichkommt. Zusammen mit fragwürdigen Management-Entscheidungen brachte das Kaufhof, das laut Süddeutscher Zeitungvor der Übernahme durch HBC „noch als kerngesundes Unternehmen“ galt, in die Schieflage, für die die Belegschaft nun büßen muss.
Das Manager Magazin schrieb im Frühjahr 2017, die Mietlasten für Galeria Kaufhof seien kaum noch zu stemmen und ließen „das gesamte Finanzierungsmodell implodieren“. Die Mieterhöhung sei „Teil einer abenteuerlichen Finanztransaktion, mit der HBC den Kaufpreis nach Art eines Private-Equity-Investors zum großen Teil vom Kaufobjekt selbst finanzieren ließ. … Ein weniger seriöses Geschäftsgebaren als das der Kanadier lässt sich kaum denken.“
Die Gewerkschaft Verdi spielt in diesem Monopoly eine Schlüsselrolle. Sie hatte schon 2010 die Übernahme der insolventen Karstadt-Kette durch den deutsch-amerikanischen Spekulanten Nicolas Berggruen unterstützt und diesen als selbstlosen Retter nahezu heiliggesprochen. Berggruen nahm das Unternehmen mit ähnlichen Methoden aus, wie dies HBC mit Kaufhof getan hat, um es dann mit Verdis Unterstützung an Benko weiterzureichen.
Es ist abzusehen, dass Verdi auch den Verkauf von Kaufhof an Benko unterstützen und den Belegschaften weitere Opfer abverlangen wird, um „die Arbeitsplätze zu retten“ – bis die nächste Runde im Monopoly losgeht.
Die Verteidigung von Löhne und Arbeitsplätzen verlangt eine politische Perspektive. Sie erfordert einen Bruch mit Verdi und ihren Betriebsräten, den Zusammenschluss der Beschäftigten aller Unternehmen und Länder im Kampf für ein sozialistisches Programm. Die großen Konzerne und Banken müssen enteignet und das wirtschaftliche Leben nach den gesellschaftlichen Bedürfnissen organisiert werden, statt nach den Profitansprüchen der Spekulanten und Banken.