Diese Woche in der Russischen Revolution

4.–10. September: Die Kornilow-Affäre

General Kornilow befiehlt der Armee den Marsch auf Petrograd, wo er die Ordnung wiederherstellen will. Er plant ein Massaker an den revolutionären Arbeitern und Soldaten und ihren Führern. Angesichts der drohenden konterrevolutionären Diktatur undMassenrepressionrufen die Sowjetführer die Arbeiterklasse gezwungenermaßen zur Verteidigung der Hauptstadt auf. Ganz Petrograd wird in Alarmbereitschaft versetzt, und Hunderttausende Arbeiter nehmen den Kampf auf.

Köln-Wahn, 5.September: Hinrichtung von Max Reichpietsch und Albin Köbis

Ein Exekutionskommando, das aus zwei Reihen zu je 10 Soldaten besteht, feuert auf dem Militärübungsplatz Köln-Wahn aus 5 Schritt Entfernung erst zehn Schüsse auf den Matrosen Max Reichpietsch und dann auf den Heizer Albin Köbis ab. Um 7:04 Uhr stellt der zum Dienst abkommandierte Arzt Werner den sofort eingetretenen Tod der beiden Hingerichteten fest.

Damit ist ein Schreckensurteil vollstreckt, das das kaiserliche Feldgericht zu Wilhelmshaven nur 10 Tage zuvor gefällt hat. Bestätigt wurde es vom Chef der kaiserlichen Hochseeflotte, Admiral Reinhard Scheer. Die beiden Angehörigen der Reichsmarine sind wegen „vollendeter Aufstandserregung“ zum Tode verurteilt worden. Sie hatten aus Protest gegen die menschenunwürdige Behandlung an Bord und gegen die Fortdauer des Krieges am 2. August einen friedlichen, unbewaffneten Landgang von 600 Besatzungsmitgliedern der Schlachtschiffe Prinzregent Luitpold, Friedrich der Große und Kaiserin angeführt. Für 3 weitere als Anführer geltende Matrosen hat Admiral Scheer die Todesstrafe in langjährige Zuchthausstrafen umgewandelt. 50 andere an dem Protest beteiligte Matrosen müssen für insgesamt 400 Jahre ins Zuchthaus.

Die Todesurteile stehen schon fest, bevor das Gericht zusammengetreten ist. „Wir können der ganzen Bewegung nur Herr werden, wenn wir eine Anzahl rücksichtslos an die Wand stellen“, hat Admiral von Hipper bereits am 4. August gefordert. Der Prozess vor dem Kriegsgericht hat nur noch den Charakter eines Schautribunals, das die späteren „Gerichtsverhandlungen“ am Nazi-Volksgerichtshof unter Roland Freisler vorwegnimmt.

Admiral Scheer lässt bereits vor dem Prozess eine Hinrichtungsstätte fern von den Häfen der Reichsmarine, ja fern der ganzen Küste suchen – aus Angst vor Streiks und Revolten in der Marine und auch in den Werften und Fabriken Kiels, Wilhelmshavens und Hamburgs, die eine Hinrichtung in letzter Minute verhindern könnten. Es wird sogar befürchtet, dass das Erschießungskommando den Befehl verweigern könnte, wenn es die wahren Namen der Verurteilten erfährt. Deshalb wird ihm mitgeteilt, es handele sich um britische Spione, die Bomben in ein Offizierskasino geworfen hätten.

Den Eltern der Verurteilten wird das Todesurteil erst Tage nach der Hinrichtung mitgeteilt, die Abschiedsbriefe ihrer Söhne werden ihnen nicht ausgehändigt. Damit wollen Justiz und Marine verhindern, dass die Eltern noch von ihrem Recht gebrauchen machen können, ein Gnadengesuch an den Kaiser zu richten.

Selbst hohe Gutachter der Marinejustiz haben die Todesurteile für rechtswidrig erklärt und eine Umwandlung in Haftstrafen empfohlen. Doch die Reichsmarineleitung besteht darauf, ein Exempel zu statuieren, und wird darin von der Reichsregierung unterstützt. SPD- und auch USPD-Führer beschränken sich darauf, Appelle an die Admiralität und an die Regierung zu richten, die Todesurteile nicht zu vollstrecken. Sie befürchten sonst „Unruhe in der Bevölkerung“.

Das Todesurteil für Reichpietsch wird am Ende vollstreckt, weil er persönlich (wenn auch vergeblich) im Sommer 1917 bei den von der Reichsmarine und der Obersten Heeresleitung als „Bolschewiki“ bezeichneten Führern der zentristischen USPD um Unterstützung für die Matrosenbewegung nachgesucht hat. Auch hat er unter den Matrosen Hunderte von Mitgliedern für die USPD gewonnen. Die USPD-Führer hätten mit ihrem Einfluss unter den Arbeitern in Hamburg und Berlin, Leipzig und anderen Industrieregionen nach dem Urteil ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, gewaltige Streiks zur Verteidigung der beiden Matrosen auszurufen. Sie rühren keinen Finger.

Albin Köbis schweigt während der Verhöre. Furchtlos und unbeugsam steht er vor Gericht zu seinen Zielen und Prinzipien und weigert sich, um Gnade zu flehen. In einer letzten Unterredung mit seinem ebenfalls zum Tode verurteilten, dann aber begnadigten Freund Willi Weber äußert er: „Wenn es zur Vollstreckung kommt – es ist bitter, von diesen Leuten noch an die Wand gestellt zu werden, die gar kein Recht dazu haben; aber Opfer müssen bei jeder Bewegung gebracht werden; das Blut wird wirken!“ Sein Abschiedsbrief lautet:

Liebe Eltern!

Ich bin heute … zum Tode verurteilt worden, nur ich und noch ein Kamerad, die andern sind zu 15 Jahren Zuchthaus begnadigt worden. Warum es mir so ergeht, werdet Ihr gehört haben. Ich bin ein Opfer der Friedenssehnsucht, es folgen noch mehrere. Ich kann der Sache nicht mehr Einhalt gebieten; es ist jetzt 6 Uhr morgens, um 6:30 Uhr werde ich nach Köln gebracht … Ich hätte Euch gern noch einmal die Hand zum Abschied gedrückt, aber ich werde stillschweigend erledigt. Tröstet Paula und meinen kleinen Fritz. Ich sterbe zwar nicht gern so jung, aber ich sterbe mit einem Fluch auf den deutschen Militärstaat. Das sind meine letzten Zeilen. Vielleicht bekommst Du und Mutter diese einmal zugesandt.

Auf immer Euer Sohn.

Chicago, 5. September: Wilson-Regierung ordnet Durchsuchung der IWW-Büros an

James P. Cannon (Mitte), mit „Big Bill” Haywood (rechts) und Max Eastman in Moskau, 1922

Auf Befehl von Präsident Wilson lässt der „progressive“ Justizminister Thomes Gregory gleichzeitig 26 Büros der Industrial Workers of the World (IWW) in den ganzen USA durchsuchen. Der Nationale Sekretär „Big Bill“ Haywood und andere IWW-Führer werden festgenommen. IWW-Publikationen, darunter ihre bekannteste Zeitung Solidarity sowie viele fremdsprachige Zeitungen, die sich an eingewanderte Arbeiter richten, können nicht mehr erscheinen. Das FBI durchsucht auch das nationale Büro der Socialist Party (SP) in Chicago. Die ganze Aktion dürfte die größte politische Razzia in der amerikanischen Geschichte sein.

Bundesagenten beschlagnahmen im Hauptquartier der IWW in Chicago mehr als fünf Tonnen Papier mit Mitgliederlisten, Korrespondenz, Broschüren und Flugblättern und tonnenweise weitere Materialien in den Wohnungen des Führungspersonals und in Regionalbüros. Viele Büros werden vollkommen leer geräumt. Das geraubte Material wird 1918 in Chicago die Grundlage für einen sorgfältig vorbereiteten Schauprozess liefern. 166 IWW-Führer werden nach dem Spionagegesetz, das erst wenige Monate vorher vom Kongress verabschiedet wurde, angeklagt. Alle 166, darunter auch Haywood, werden aufgrund von mehr als 10.000 einzelnen Anklagepunkten verurteilt und eingesperrt. Die Jury braucht nur eine Stunde Beratungszeit. Der übergreifende Vorwurf gegen die IWW-Führer ist identisch mit dem gegen die bolschewistischen Führer in Russland, nämlich, dass sie Agenten des deutschen Kaisers seien.

Die Wilson-Regierung hat es auf die IWW abgesehen, weil sie im Unterschied zum Gewerkschaftsdachverband AFL gegen die Teilnahme der USA am imperialistischen Blutbad in Europa auftritt und immer stärker die Führung einer wachsenden Streikwelle übernimmt (seit dem Kriegseintritt der USA im April ist es schon zu etwa 3000 Streiks gekommen). Das Ziel ist die politische Enthauptung der Arbeiterklasse. Der Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia gibt offen zu, dass die Durchsuchungen das „hauptsächliche Ziel verfolgten, die IWW lahmzulegen“.

Die Verhaftungen sind der Höhepunkt einer brutalen Kampagne gegen die IWW. In New Mexico, Kalifornien, Washington und Minnesota sind zahlreiche „Wobblies“ unter den Bergarbeitern und Holzfällern festgenommen und in andere Landesteile deportiert worden, und in Montana ist der Gewerkschaftsorganisator Frank Little ermordet worden. Die Unterdrückung geht auch in der folgenden Woche weiter. Am 7. September werden 66 IWW-Mitglieder in Cleveland von Bundesagenten unter Mithilfe der Bürgerwehr des Amerikanischen Schutzbundes verhaftet. Am 8. September kommt es zum Polizeimord an drei aus Italien eingewanderten IWW-Mitgliedern, die in Milwaukee gegen ein „Loyalitätstreffen“ protestieren.

Die kompromisslose Militanz der IWW, ihr revolutionärer Eifer, ihr Kampf, alle Arbeiter, unabhängig von Hautfarbe oder Abstammung, gewerkschaftlich zu organisieren, und ihre prinzipienfeste Opposition gegen Krieg verschafft ihnen die Hochachtung und die Unterstützung der besten Vertreter der amerikanischen Arbeiterklasse. Einer von ihnen ist der junge James P. Cannon. Die anarchistische Philosophie der IWW macht die Organisation allerdings für staatliche Unterdrückung anfällig. Darüber wird Cannon später schreiben:

Die Unternehmer bekämpften die neuen Gewerkschaften mit allen Mitteln. Gegen das Programm der IWW und ihre kleine Gruppe von Agitatoren boten sie schweres Geschütz auf: ihre umfangreichen Finanzmittel, die öffentliche, durch die Presse und von der Kanzel herab zu ihren Gunsten geformte Meinung, ihre Privatarmeen von Spionen und Schlägern und immer und überall die Polizei und die Macht des ‚politischen Staates‘, den anzuerkennen die IWW nicht bereit waren …

Der Wendepunkt kam mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg im Frühjahr 1917 und der Russischen Revolution im gleichen Jahr. Damit kam die ‚Politik‘ wieder auf, mit der die IWW nichts zu tun haben wollten und von der sie sich distanzierten, und sie trat ihnen die Tür ein.

Diese beiden Ereignisse – wie schon 1905 fielen sie in Russland und Amerika zusammen – zeigten, dass ‚politische Aktion‘ nicht einfach eine Frage von Wahlen ist und nicht nur den direkten Konflikt der Gewerkschaften und Unternehmer auf wirtschaftlicher Ebene meint, sondern den Kern des Klassenkampfs. In der Konfrontation zweier Klassen enthüllte sich der ‚politische Staat‘, den die IWW zu ignorieren trachteten, als zentralisierte Macht der herrschenden Klasse. Und das Kommando über die Staatsmacht zeigte jeweils, welche Klasse wirklich herrschte.

Auf der einen Seite zeigte sich das, als die Bundesregierung der Vereinigten Staaten direkt eingriff, um die Hochburgen der IWW zu schleifen, und ihre Aktivisten verhaftete. Die ‚politische Aktion‘ des kapitalistischen Staats brach den IWW als Gewerkschaft das Rückgrat. Die IWW waren gezwungen, sich im Wesentlichen in eine Verteidigungsorganisation zu verwandeln, die versuchte, mit legalen Methoden und mit Propaganda die politischen und bürgerlichen Rechte ihrer Mitglieder gegen die Übergriffe der kapitalistischen Staatsmacht zu schützen.

Auf der anderen Seite erwies sich durch die Russische Revolution auf positive Weise die entscheidende Rolle politischer Aktion. Die russischen Arbeiter ergriffen selber die Staatsmacht und nutzten diese Macht, um die Kapitalisten zu enteignen und eine Konterrevolution zu verhindern. Das war das erste Stadium der Revolution, die Vorbedingung für alles weitere. Außerdem erwies sich, dass das zentrale Machtzentrum der siegreichen Revolution nicht eine allumfassende Gewerkschaftsorganisation sein kann, sondern eine Partei ausgesuchter Revolutionäre, die durch ein Programm und durch Disziplin verbunden sind.

Es war Zeit für die IWW, sich an die prophetischen Worte Haywoods auf der Gründungskonferenz von 1905 zu erinnern: Die amerikanischen Arbeiter sollten nach Russland schauen und dem russischen Beispiel folgen. Krieg und Revolution, die gebieterischsten aller Mächte, stellten die IWW vor die Aufgabe, ihre theoretischen Konzepte zu aktualisieren, zu überdenken und dazu zu lernen, um sich ein wenig zu verändern.

(James P. Cannon, „The First ten Years of American Communism“, 1973, aus dem Englischen)

Petrograd, 7. September (25. August): Kornilow befiehlt Marsch auf Petrograd

Unter dem Vorwand, ein nicht-existenter „bolschewistischer Aufstand“ in der Hauptstadt müsse niedergeschlagen werden, gibt Kornilow Marschbefehl auf Petrograd. Rechte Agitatoren verbreiten Gerüchte von einer Verschwörung „deutscher Agenten“, „finsterer Kräfte“ und von „Ausländern im Blaumann“, die angeblich in Petrograd eingedrungen seien und sich verschworen hätten, eine nur vage bezeichnete Katastrophe anzurichten. Diese könne nur verhindert werden, wenn Kornilow die Stadt rette.

Kornilow plant, sich selbst mit Hilfe der Armee als Diktator einzusetzen und im ehemaligen Zarenreich den Oberbefehl über alle zivilen und militärischen Angelegenheiten zu übernehmen. Seine Kommandanten erhalten die Order, beim Einzug in Petrograd die Arbeiter zu entwaffnen und ihre Führer zu verhaften. Wer Widerstand leistet, soll sofort erschossen werden. Was die Bolschewiki angeht, so sollen sie als „deutsche Spione“ ohne Unterschied aufgeknüpft werden. Kornilow setzt ein Telegramm ab: „Die Abteilungen werden am Abend des 28. August die Vororte von Petrograd erreichen. Ich verlange, dass Petrograd ab dem 29. August unter Kriegsrecht gestellt wird.“

Kornilows Putschversuch hat die stillschweigende Zustimmung der imperialistischen Alliierten, die Russland fortgesetzte Teilnahme am Krieg sicherstellen wollen. Die Metropoliten (hohe Geistliche der russisch-orthodoxen Kirche) erteilen Kornilow ihren Segen. Zu dem nach Petrograd abgeordneten Korps gehört auch die Kaukasische Kavalleriedivision, die berüchtigte „Wilde Division“ des Zaren. Kornilows Hintermänner können das bevorstehende Blutbad in der Hauptstadt kaum erwarten und prahlen: „Den Bergtruppen ist es ja gleich, wen sie abschlachten.“

Komplexe und finstere Intrigen, Verrätereien und Manöver zwischen dem Kerenski- und dem Kornilow-Lager gehen dem Marsch auf die Hauptstadt voraus.

Im Prinzip ist Kerenski kein schlechterer „Kornilowianer“ als Kornilow selbst. Beide stimmen überein, dass es zur Erhaltung der Ordnung in der Hauptstadt und zur Fortsetzung des Kriegs bis zum Sieg nötig sei, eine rücksichtslose Diktatur von „Blut und Eisen“ zu errichten und die Arbeiter zu unterdrücken. Sie sind zur Zusammenarbeit bereit, und Kerenski hat Kornilow selbst zum Oberkommandierenden ernannt. Was die beiden verbindet, ist ihre extreme Abneigung gegen die Bolschewiki.

Kerenski strebt ein „Direktorium“ aus handverlesenen starken Männern an, das unkontrolliert diktatorische Notstandsmaßnahmen durchsetzen soll. Unter dieser von ihm selbst geführten Regierung soll Kornilow als Armeechef dienen, um jede Opposition rücksichtslos zu zerschlagen und den Krieg fortzusetzen. Kornilow seinerseits zieht eine ausgewachsene, offen konterrevolutionäre Diktatur vor, die mit Massenmord, Terror und Pogromen gegen Russlands „innere Feinde“ vorgeht. Demnach wäre Kornilow der oberste Chef, und Kerenski könnte unter ihm die Rolle eines prominenten Abgeordneten oder Ministers spielen.

Petrograd, 8. September (26. August): Kerenski sagt Teilnahme an Kornilows Verschwörung zu

Am 26. August (nach gregorianischem Kalender) führen Kerenski und Kornilow eine sonderbare Konversation über Fernschreiber. Keiner der beiden Führer spielt mit offenen Karten. Kerenski gibt vor, die Pläne Kornilows zu billigen. Doch dann vollführt Kerenski eine Wende um 180 Grad und legt das Transkript des Gesprächs, das den geplanten Putsch enthüllt, den andern Ministern der Provisorischen Regierung vor. Er beschuldigt Kornilow der Putschpläne und fordert für sich selbst „unbegrenzte Vollmachten“, um die Krise zu lösen. Auch ordnet er einseitig die Absetzung Kornilows von seinem Posten als Oberbefehlshaber an.

Kornilow stellt wutentbrannt fest, dass Kerenski ihn betrogen hat, und erklärt, er sei das Opfer einer „Provokation“. Er bestätigt seine Entschlossenheit, die Macht in jedem Fall zu übernehmen, und lässt eine Erklärung veröffentlichen, in der es heißt:

Volk Russlands! Unser großes Vaterland liegt im Sterben. Die Stunde seines Todes ist nah. Gezwungen, offene Worte zu finden, erkläre ich, General Kornilow, dass die Provisorische Regierung unter dem Druck der bolschewistischen Mehrheit in den Sowjets [sic] in völligem Einvernehmen mit den Plänen des deutschen Generalstabs und mit der bevorstehenden Landung feindlicher Truppen an der Küste Rigas handelt; sie bringt die Armee um und unterhöhlt die Grundfesten des Landes.

Das deutliche Gefühl des unausweichlichen Untergangs unseres Landes zwingt mich in diesem dunklen Moment, das ganze russische Volk aufzurufen, dem sterbenden Vaterland zu Hilfe zu eilen …

Kerenski, der in den letzten Monaten immer mehr an Unterstützung verloren hat, steht ohne Freunde da und sieht sich außer Stande, Kornilow aufzuhalten. Die rechten Kräfte im Land haben ihr Gewicht enthusiastisch hinter Kornilow geworfen. Kerenski selbst hat sich in letzter Zeit scharf nach rechts gewandt und sich vollkommen von den Arbeitern und Soldaten Petrograds entfernt. Die Loyalität dieser Arbeiter und Soldaten gilt nicht Kerenski, sondern ihren Fabrikkomitees und den Sowjets. Die Diszipliniertesten und Militantesten gehören den Bolschewiki an.

Am 27. August bittet der zunehmend verzweifelte Kerenski die Sowjets um Hilfe. Dies richtet sich auch an die Bolschewiki, deren Zeitung Kerenski unterdrückt hat und deren Führer er verleumdet und ins Gefängnis geworfen hat. Am 28. August, als das dritte Kavalleriekorps seinen Vormarsch auf Petrograd eröffnet, schießen die Kurse der Petrograder Börse in Erwartung eines Sieges Kornilows nach oben.

Paris, 8. September: Neue Regierung in Frankreich nach Ribots Rücktritt

Die erst seit sechs Monaten amtierende Regierung unter Alexandre Ribot tritt zurück, als klar wird, dass sie keine Mehrheit mehr im Parlament hat. Ein unmittelbarer Auslöser für ihren Rücktritt ist ein Skandal um die anarchistische Zeitung Bonnet Rouge [Jakobinermütze], die angeblich deutsches Geld angenommen hat. Louis Malvy, ein Minister der Regierung, der für das Erscheinungsrecht der Zeitung eingetreten ist, wird am 31. August zum Rücktritt gezwungen.

Ribots Rücktritt beendet seine vierte und letzte Amtszeit als französischer Premierminister. Seit dem katastrophalen Scheitern der Nivelle-Offensive im Frühjahr hat die Ablehnung des Kriegs im ganzen Land zugenommen. Im Mai brechen Meutereien in der Armee aus und werden im Juli rücksichtslos unterdrückt. Im Mai und Juni breiten sich Streiks in der Bekleidungs- und Kriegsindustrie aus. Obwohl den französischen Truppen in den letzten Wochen eine Offensive gelang, ist die Armee geschwächt, weil die herrschende Klasse den erneuten Ausbruch von Unruhen fürchtet.

Die französischen Sozialisten unterstützen den Krieg seit Beginn und bekleiden immer wieder wichtige Posten wie das Rüstungsministerium unter Albert Thomas. Sie lehnen aber eine Beteiligung an der neuen Regierung ab, weil Paris sich weigert, den sozialistischen Delegierten für die Stockholmer Konferenz Pässe auszustellen.

Die Amtszeit des neuen Premierministers Paul Painlevé wird noch kürzer sein als die seines Vorgängers. Im November wird Georges Clemenceau das Amt übernehmen und es bis zum Ende des Krieges und der Friedensverhandlungen in Versailles innehaben.

Étaples, 9. September: Meutereien in den Truppen des britischen Empires

Mehrere Tausend hauptsächlich australische und neuseeländische Soldaten rebellieren gegen die erniedrigende Behandlung durch Offiziere im Ausbildungslager Étaples an der französischen Küste.

Étaples ist berüchtigt für seine harten, sadistischen Ausbildungsmethoden. Die Offiziere und Unteroffiziere, die das Lager leiten, haben oftmals selbst nie an der Front gekämpft. Außerdem ist Étaples durch eine Brücke von Le Touquet-Paris-Plage getrennt, einem Badeort, der seit Beginn des Kriegs ausschließlich Offizieren vorbehalten ist. Auf der Brücke postierte Wachen hindern die einfachen Soldaten daran, nach Le Touquet zu gelangen. Viele überqueren deshalb einfach bei Ebbe die Flussmündung.

A.J. Healy von der neuseeländischen Infanterie will nach einem solchen Besuch über die Brücke zum Stützpunkt zurückkehren, weil die Flut schon wieder angestiegen ist. Die Militärpolizei nimmt ihn als Deserteur fest. Als die neuseeländischen Soldaten von der Festnahme Healys hören, verlassen sie in großer Zahl ihre Baracken und marschieren vor das Gefängnis, in das Healy geworfen wurde. Militärpolizei rückt an und feuert in die Menge. Ein Soldat wird getötet. Das heizt die Lage noch weiter an. Mehr als tausend Soldaten strömen zusammen, um die Polizei zu vertreiben.

Am nächsten Tag gelingt es nicht, die Lage zu beruhigen. Zornige Soldaten durchbrechen die Wachpostenkette auf der Brücke und bringen Le Touquet in ihre Gewalt. Massenversammlungen werden abgehalten. Healys Festnahme treibt den seit Monaten angestauten Unmut auf die Spitze. Schon im August 1916 ist es hier zu Konflikten gekommen, nachdem ein australischer Soldat einen Offizier beschimpft hatte, weil dieser ihm das Wasser abgestellt hatte, während er duschte. Soldaten mischten sich ein, um zu verhindern, dass der Betreffende festgenommen wurde. Das führte dazu, dass einer von ihnen wegen Verrats hingerichtet wurde.

Am 12. September marschieren erneut mehr als tausend Männer durch den Ort. Aber diesmal ist schon ein Kontingent loyaler Offiziere in Étaples eingetroffen, um die Ordnung wieder herzustellen. Korporal Jesse Short wird für seine Beteiligung an der Meuterei zum Tode verurteilt und am 4. Oktober hingerichtet. Drei andere Soldaten werden zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

9.–11. September (27.–29. August): Organisierte und starke Erhebung der Petrograder Arbeiter, um Kornilow zu stoppen

Sobald die Nachricht eintrifft, dass sich Kornilows Truppen Petrograd nähern, heulen in allen Fabriken der Stadt die Alarmsirenen. Im Industriegebiet haben die bolschewistischen Führer seit langem vor dieser Gefahr gewarnt. Jetzt sind sie als erste auf dem Posten und geben die nötigen Befehle. Innerhalb von Stunden sind Hunderttausende Arbeiter kampfbereit.

In den Bezirken bilden sich lange Schlangen von Arbeitern, die darauf warten, in die Roten Garden, die Kampfkomitees der Fabriken, einzutreten. Die Arbeiter in den Rüstungsfabriken produzieren jetzt Waffen für die eigenen Leute. Die Metallarbeiter bringen ihre Produkte ins Feld und justieren die Waffen direkt vor Ort. Zehntausende von Arbeitern marschieren mit geschultertem Gewehr vor die Stadt, wo sie Schützengräben ausheben, Stacheldraht verspannen und bei den zum Zentrum führenden Bahnstrecken die Schienen ausbauen.

Alle Arbeiter der Stadt sind auf den Beinen und organisiert, und sie haben alle Ressourcen zu ihrer Verfügung. Rund um die Uhr finden überall in der Stadt Versammlungen statt, und Maßnahmen werden ergriffen, um pünktlich jeden Aspekt der Verteidigung sicherzustellen. Alle strategischen Schlüsselstellen, darunter die Hauptinfrastruktur und die Regierungsgebäude, sind besetzt und abgesichert. Die Post- und Telegraphenangestellten weigern sich, Nachrichten für die Kornilow-Leute weiterzuleiten, und die Schriftsetzer weigern sich, deren Handzettel druckfertig zu machen. Mancherorts werden Offiziere, die Kornilow unterstützen, verhaftet und vor revolutionäre Arbeiter- und Soldatentribunale gestellt. In einigen Fällen werden Offiziere feierlich zum Tode verurteilt.

Sobald die Eisenbahner sich der Gefahr bewusst werden, weigern sie sich, Kornilows Truppen zu transportieren. Mit Holz beladene Eisenbahnwaggons blockieren die Strecken, und kilometerlange Bahnstrecken sind unpassierbar, da die Eisenbahner die Schienen an entscheidender Stelle demontiert haben. Die einmütige Reaktion der organisierten Eisenbahner versetzt Kornilow einen besonders empfindlichen Schlag. Seine Truppen, die per Zug nach Petrograd fahren sollen, stecken über hunderte Kilometer verstreut im Gelände fest. Sie kommen weder mit der Eisenbahn weiter, noch können sie miteinander kommunizieren. Was die Sache für Kornilow noch schlimmer macht: Revolutionäre Agitatoren aus Petrograd erreichen die gestrandeten Züge, verurteilen Kornilow und drängen die Soldaten, seinen Befehlen nicht mehr Folge zu leisten. Zum Leidwesen von Kornilows Generälen beginnen die Soldaten, Versammlungen abzuhalten, um selbst zu entscheiden, was zu tun sei.

Kornilows eigene Soldaten hissen die rote Fahne, nehmen die Offiziere fest und weigern sich, weiter an irgendeinem Angriff auf Petrograd teilzunehmen. Kaukasische Muslime, die noch vor kurzem als Delegierte am Sowjetkongress in Petrograd teilgenommen haben, überzeugen sogar die so genannte „Wilde Division“, vom Angriff abzulassen. Auch über der Wilden Division flattert jetzt eine rote Fahne, darauf die Schrift: „Land und Freiheit“. Die Kommandanten werden entwaffnet, und eine gewählte Soldatendelegation macht sich auf den Weg nach Petrograd.

Die Arbeiter von Petrograd haben nicht vergessen, was für ein konterrevolutionäres Terrorregime auf die Niederlage von 1905 folgte. Sie wissen, was für sie auf dem Spiel steht, sollte es Kornilow gelingen, Petrograd zu erreichen, und sie sind entschlossen, die Stadt um jeden Preis zu verteidigen. Dem Namen nach ist es die Sowjetführung, die die Arbeiteraktionen dirigiert, aber in Wirklichkeit spielt die bolschewistische Partei die entscheidende Rolle dabei, Kornilow aufzuhalten. Der Menschewik–Internationalist Suchanow wird die Situation später folgendermaßen schildern:

Das Komitee [zum Kampf gegen die Konterrevolution], das die Vorbereitungen für die Verteidigung traf, musste die Massen der Arbeiter und Soldaten mobilisieren. Aber soweit die Massen organisiert waren, waren sie von den Bolschewiki organisiert und folgten ihnen. Zu jener Zeit war die bolschewistische Organisation die einzige, die groß war, von elementarer Disziplin zusammengehalten wurde und mit den demokratischen untersten Schichten der Hauptstadt verbunden war. Ohne sie war das Komitee machtlos. Ohne die Bolschewiki hätte es die Zeit nur mit Appellen und nutzlosen Ansprachen seiner Redner verbringen können, die ihre Autorität längst verspielt hatten. Mit den Bolschewiki stand dem Komitee die volle Macht der organisierten Arbeiter und Soldaten zur Verfügung.

Unter den bolschewistischen Führern gibt es weiterhin strategische Differenzen. Einige erfahrene Bolschewiki schwanken in den ersten chaotischen Stunden der Kornilow-Krise und tendieren dazu, den Kräften, die Kerenski unterstützen, darunter auch den Menschewiki und Sozialrevolutionären, Allianzen anzubieten. Das heißt aber, sich mit eben jenen Kräften zu verbünden, die das Regime unterstützen, welches die bolschewistischen Zeitungen verbietet und die bolschewistischen Führer einkerkert. Lenin und seine Mitstreiter lehnen solche Vereinbarungen strikt ab und bestehen darauf, dass die bolschewistischen Arbeiter sich organisieren müssen, um Kornilow zu bekämpfen, und dass sie unabhängig und unter ihrer eigenen Fahne kämpfen müssen, ohne Kerenski die geringste Unterstützung anzubieten. Entsprechend stimmen die Bolschewiki zu, an den gemeinsamen Komitees zur Verteidigung der Stadt „nur zu Informationszwecken“ teilzunehmen.

Innerhalb weniger Tage können die Roten Garden 40.000 Gewehre ins Feld schicken. Die Truppen, die noch zu Kornilow halten, sind zahlenmäßig weit unterlegen und befinden sich in Auflösung. Sie zerstreuen sich, kaum dass ein Schuss gefallen ist. Der Stolz der Petrograder Arbeiter, ihr Optimismus und ihre Zuversicht wachsen. Die Arbeiter haben ihre Kräfte mit denen der Konterrevolution gemessen und festgestellt, dass sie fraglos die stärkste soziale Kraft im Land darstellen. Voll mobilisiert und unter Führung der Bolschewistischen Partei sind sie viel stärker als Kerenski und seine Minister, viel stärker als Kornilow und seine Offiziere, und viel stärker als jedes andere Hindernis, das ihnen im Weg steht. Die Massenunterstützung für die Bolschewiki, die schon vorher unaufhaltsam angeschwollen ist, nimmt jetzt unbesiegbare Dimensionen an.

Empfohlene Literatur:
Leo Trotzki, „Geschichte der Russischen Revolution“, Essen 2010, Bd. 2, S. 165–218
Alexander Rabinowitch, „Die Sowjetmacht. Die Revolution der Bolschewiki 1917“, Essen 2012, S. 189–220.

Auch in dieser Woche: Stefan Zweig, Romain Rolland, Henri Guilbeaux, Frans Masereel – Künstlerfreunde vereint gegen den Krieg

Am 4. September schreibt der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig seinem Freund, dem französischen Autor und Musikwissenschaftler Romain Rolland, und schickt ihm seine Tragödie „Jeremias“. Er dankt dem Freund, weil er sie ohne dessen „moralisches Beispiel“ nicht hätte vollenden können.

Der Autor Stefan Zweig ist 1914 anfänglich mitgerissen von der Kriegsbegeisterung. Er sieht „in diesem ersten Ausbruch der Massen etwas Großartiges, Hinreißendes und sogar Verführerisches … dem man sich kaum entziehen konnte. Und“, so fährt er in seiner Autorbiografie „Die Welt von gestern“ fort, „trotz allem Hass und Abscheu gegen den Krieg möchte ich die Erinnerung an diese ersten Tage in meinem Leben nicht missen.“ Wenige Seiten später erklärt er jedoch, er sei aufgrund seiner kosmopolitischen Lebensweise gegen den „plötzlichen Rausch des Patriotismus immun gewesen“. Was der Krieg wirklich bedeutet, erfährt er erst, als er 1916 an die Front in Galizien fährt und bei der Rückreise in einem Lazarettzug das Elend der Verwundeten und Sterbenden miterlebt.

Seine widersprüchliche Haltung kritisiert Romain Rolland, mit dem er seit 1913 im Briefwechsel steht, von Anfang an scharf: „Sie selber müssen endlich aus Ihrer einseitigen Vertrauensseligkeit herauskommen“, schreibt Rolland am 12. November 1914 an Zweig. Der Schriftsteller und Musikhistoriker Rolland ist in der Schweiz vom Krieg überrascht worden und als überzeugter Pazifist und internationalistischer Europäer nicht in seine französische Heimat zurückgekehrt. Am 13. November 1916 hat er den Nobelpreis für Literatur bekommen. Er arbeitet in Genf für das Rote Kreuz in der Auskunftsstelle für Kriegsgefangene. Weil er aus seiner pazifistischen Überzeugung keinen Hehl macht, wird er in Frankreich als Freund der Deutschen übel beschimpft, verleumdet und als Verräter gebrandmarkt.

Zweig hat sich in seinem Drama „Jeremias“ an Hand des alttestamentarischen Stoffs mit der Kriegsgefahr und ihrer Wirkung auf die Psychologie der Bevölkerung auseinandergesetzt. Der Prophet, der die Gefahr voraussieht, wird von seinem Volk angefeindet. Zweig erhält eine Einladung nach Zürich zur Uraufführung und kann mit dem Segen seiner Vorgesetzten in die Schweiz ausreisen, wo er dann das gesamte letzte Kriegsjahr verbringt.

Er findet Anschluss an eine Gruppe europäischer Pazifisten, unter ihnen der Journalist Henri Guilbeaux, der Maler Frans Masereel, die Autoren Hermann Hesse, Leonhard Frank, Anette Kolb und Fritz von Unruh. In „Die Welt von gestern“ schreibt Zweig darüber: „Da wir doch in der gleichen Front standen, im gleichen geistigen Schützengraben gegen den gleichen Feind, bildete sich spontan zwischen uns eine Art leidenschaftlicher Kameradschaft; nach vierundzwanzig Stunden waren wir einander so vertraut, als ob wir uns seit Jahren gekannt, und gaben uns bereits, wie an jeder Front üblich, das brüderliche Du.“

Henri Guilbeaux, der Lyriker und Übersetzer (u. a. von Rainer Maria Rilke), ist als Soldat eingezogen worden, wird allerdings bald als untauglich entlassen. Ende April 1915 geht er in die Schweiz und arbeitet wie Rolland zunächst für die Kriegsgefangenenhilfe des Roten Kreuzes. Ab 1916 gibt er die Zeitschrift Demain heraus, die sich rasch zu einem Organ der internationalen Kriegsgegner entwickelt, sich immer mehr sozialistischen Auffassungen annähert und Sozialisten eine Plattform bietet. In Frankreich ist sie verboten.

Für die Zeitschrift schreiben neben Rolland und Zweig unter anderen auch Lenin, Lew Kamenew, Grigori Sinowjew, Anatoli Lunatscharski, Leo Trotzki, Karl Radek und Ernst Meyer, bevor sie aus dem Exil zurückkehren können.

Zweig schreibt dazu in seiner Autobiografie: „Während die andern schwiegen, während wir selber zögerten und bei jedem Anlass sorgfältig überlegten, was zu tun und zu unterlassen, griff er entschlossen zu, und es wird Guilbeaux´ dauerndes Verdienst bleiben, die einzige, geistig bedeutsame Antikriegszeitschrift des Ersten Weltkriegs ‚Demain‘ gegründet und geleitet zu haben …“ In der Zeitschrift erscheinen auch die Holzschnitte Frans Masereels gegen die Kriegsgräuel. Zweig schreibt dazu: „Wie träumten wir davon, dass man von Aeroplanen als Flugblätter diese jedem, auch dem geringsten Mann ohne Wort, ohne Sprache verständlichen grimmigen, grausigen Anprangerungen statt Bomben in die Städte und Armeen werfen könnte, sie hätten, ich bin dessen gewiss, den Krieg vorzeitig getötet.“

Vor seiner Abreise aus Zürich hat Lenin Rolland und Guilbeaux eingeladen, nach Russland zu kommen. Rolland lehnt dies ab, und Guilbeaux bleibt ebenfalls zunächst in der Schweiz. 1917 gibt er noch einen Band mit Antikriegslyrik heraus. Nach der Oktoberrevolution werden Spitzel auf ihn angesetzt. Die französische Regierung lässt Dokumente fälschen, um ihn der Kollaboration mit den Deutschen zu bezichtigen. Mehrfach wird er auf den Druck Frankreichs hin von der Schweizer Fremdenpolizei verfolgt und zweimal inhaftiert. Nach Kriegsende, am 21. Februar 1919, wird er von einem Militärgericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Schließlich gelingt es ihm 1919, Lenins Einladung anzunehmen. Guilbeaux erhält die russische Staatsbürgerschaft und gehört zu den Unterzeichnern des Gründungsmanifests der Kommunistischen Internationale. Drei Jahre bleibt er in der Sowjetunion.

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