Nach ihrem Treffen am 15. Juni haben die Finanzminister der Eurogruppe Griechenland einen weiteren Kredit in Höhe von 8,5 Milliarden Euro bewilligt. Er ist Teil des Hilfsprogramms über 86 Milliarden Euro, das die Syriza-Regierung im Sommer 2015 unterzeichnet hatte. Mit dem Kredit sollen im Juli fällige Verbindlichkeiten beglichen werden.
Zuvor hatte das griechische Parlament eine Reihe von harten Sparmaßnahmen verabschiedet und damit die Bedingungen seiner Gläubiger erfüllt. Dazu gehören weitere Rentenkürzungen zwischen 9 und 18 Prozent, die Kürzung des Steuerfreibetrags von 8.636 auf 5.681 Euro, sowie Kürzungen des Heizkostenzuschusses, der Arbeitslosenhilfe und anderer Sozialleistungen. Außerdem wurden Gesetze dahingehend geändert, dass Massenentlassungen leichter durchzuführen sind und staatliches Eigentum veräußert werden kann.
Die Eurogruppe lobte die griechische Regierung und begrüßte ausdrücklich, „dass das griechische Parlament die besprochenen Vorleistungen für die zweite Überprüfung erbracht hat“. Auch IWF-Chefin Christine Lagarde war voll des Lobes: „Die griechische Regierung hat in letzter Zeit bei ihren politischen Reformen wichtige Fortschritte erzielt. Ein Übereinkommen über Personalobergrenzen hat das griechische Parlament schnell durch entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen umgesetzt.“
In der Tageszeitung Die Welt fasste der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zusammen, wie er die Diktate der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) befolgt hat. Er rühmte sich: „In den zwei Jahren, in denen unsere Regierung im Amt ist, haben wir mehr Reformen umgesetzt als alle anderen europäischen Staaten zusammen.“
Jetzt sei seine Regierung „noch einen Schritt weiter gegangen“, fügte er hinzu. „Wir haben der Änderung der Zusammensetzung unserer haushaltspolitischen Maßnahmen für die Jahre 2019 und 2020 zugestimmt und sie in Gesetze gegossen, um so die Vorbehalte unserer Kreditgeber hinsichtlich unserer Möglichkeiten, dauerhaft die vereinbarten haushaltspolitischen Ziele erreichen zu können, abzubauen.“
Tsipras‘ Worte machen wieder einmal deutlich, dass Syriza, die „Koalition der radikalen Linken“, ein reaktionäres Werkzeug der Finanzelite ist. Die Spardiktate der EU und des IWF setzt sie gnadenlos durch. Im Januar 2015 gelangte Syriza an die Macht, weil sie im Wahlkampf die Austeritätspolitik abgelehnt und dadurch Massenunterstützung gewonnen hatte. Nur wenige Monate später ging sie vor Griechenlands Gläubigern auf die Knie und unterzeichnete ein neues Hilfsprogramm. Sie ignorierte das überwältigende „Nein“, mit dem die griechischen Arbeiter und Jugendlichen im Referendum vom Juli 2015 den Sparkurs verurteilt hatten.
Die Gesamtschulden Griechenlands belaufen sich auf etwa 300 Milliarden Euro – eine gigantische und untragbare Summe, die fast 180 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmacht.
Trotz der Willfährigkeit Syrizas, Sparmaßnahmen durchzusetzen, zogen sich die Gespräche vor der Einigung über sechs Monate hin. Dies schürte die Angst vor einem neuen Zusammenbruch des Finanzsystems.
Grund waren vor allem Differenzen zwischen der EU und dem IWF. Der IWF macht geltend, dass Griechenlands Schulden untragbar seien, und dass ein Schuldenschnitt (ein so genannter „Haircut“) vorgenommen werden müsse. Auf dieser Grundlage strebt der IWF dann noch drakonischere Kürzungen an. Dem widersetzt sich Deutschland, Griechenlands größter Gläubiger, weil die Bundesregierung einen Schuldennachlass als unvereinbar mit den EU-Vorgaben erachtet.
Auf Geheiß des IWF akzeptierte die Athener Regierung jedoch die jüngsten Sparmaßnahmen. Im Gegenzug hatte der IWF ausdrücklich versprochen, Griechenlands Gläubiger zu einer Umschuldung zu drängen.
Auf Schuldenerleichterungen konnten sich die Beteiligten schließlich nicht einigen. Aber der IWF erklärte sich bereit, der neuerlichen Kreditbewilligung „im Grundsatz“ zuzustimmen. Damit könne der IWF „die politischen Fortschritte unterstützen, während wir die Freigabe von IWF-Geldern davon abhängig machen würden, dass die europäischen Gläubiger Griechenlands sich zu Schuldenerleichterungen verpflichten, um die Verschuldung des Landes auf ein tragbares Niveau zu reduzieren“.
Die deutsche Seite machte einige kosmetische Zugeständnisse und äußerte sich zu möglichen Maßnahmen zur Schuldenerleichterung. Die Eurogruppe erklärte, Fälligkeiten könnten auf bis zu 15 Jahre verlängert werden, und man könnte Athen einen günstigeren Primärüberschuss zugestehen. Eine eventuelle Schuldenerleichterung müsse außerdem vom Wachstum des griechischen Bruttoinlandsprodukts abhängig gemacht werden.
Mit der Einigung konnte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble den IWF offiziell mit ins Boot nehmen, ohne sich verbindlich auf Maßnahmen zur Schuldenerleichterung festzulegen. Solche Maßnahmen kämen laut der Eurogruppe nur in Frage, wenn sie „notwendig“ seien, und würden „erst bestätigt, wenn das Programm beendet ist“.
Schäuble wollte gewiss auch verhindern, dass die griechische Schuldenkrise vor den Bundestagswahlen im September wieder in den Blickpunkt rückt. Die CDU-Fraktion erachtet die Beteiligung des IWF in der griechischen Schuldenkrise als Voraussetzung dafür, dass das Programm fortgesetzt wird.
Ein weiterer Grund für die bescheidenen Zugeständnisse Berlins sind die zunehmenden geostrategischen Spannungen, vor allem die offene und wachsende Kluft zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, seitdem Donald Trump Präsident ist. Trump hat die deutschen Autoexporte in die USA heftig kritisiert und sich bei einem Treffen im Mai in Brüssel geweigert, den Artikel 5 des NATO-Vertrages ausdrücklich zu bestätigen, der die Mitglieder des Bündnisses verpflichtet, einem angegriffenen Mitgliedsstaat Beistand zu leisten.
Diese Entwicklung kommentierte Bundeskanzlerin Merkel jüngst mit den Worten: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“ Daraus leitete sie die Forderung ab: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“
Um nach Trumps Wahlsieg und den möglichen Folgen des Brexit ihre imperialistischen Interessen in Europa geltend zu machen, ist die herrschende Elite Deutschlands auf ein Bündnis mit anderen europäischen Mächten, insbesondere Frankreich angewiesen. Emmanuel Macron, der neue Präsident Frankreichs, erklärte jüngst: „Ich bin grundsätzlich für eine konzertierte Umstrukturierung von Griechenlands Schulden und für einen Verbleib des Landes in der Eurozone. Warum? Weil das gegenwärtige System unhaltbar ist.“
Frankreich spielte eine wichtige Rolle bei der Einigung am 15. Juni. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire führte Gespräche mit seinen griechischen und deutschen Amtskollegen.
Mehrere Kommentatoren sahen daraufhin schon eine neue deutsch-französische Achse in Europa entstehen. Die Financial Times erklärte, Bundeskanzlerin Merkel habe „in Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron einen proeuropäischen Verbündeten. Sein Versprechen, die französische Wirtschaft zu reformieren und die europäische Integration zu stärken, liegen auf einer Linie mit Merkels Vorstellungen. Das Ergebnis könnte eine mit neuem Leben erfüllte deutsch-französische Achse sein, die einen größeren politischen Zusammenhalt und wirtschaftliche Integration verwirklicht, sowie ein gemeinsamer Haushalt der Eurozone, Eurobonds und bessere Standardisierung regulatorischer Rahmenbedingungen für viele fragmentierte Märkte.“
Am Beispiel Griechenland wird deutlich, dass eine deutsch-französische Achse keinesfalls eine Alternative zum US-Imperialismus wäre, sondern ein reaktionäres imperialistisches Bündnis, das gegen die Arbeiter in ganz Europa eine rücksichtslose soziale Konterrevolution führt. Die Bildung einer derartigen Allianz ist selbst Teil der aktuellen Kriegstreiberei der imperialistischen Mächte, die die Gefahr eines Weltkriegs birgt. Macron will die Wiedereinführung der Wehrpflicht und mehr französische Truppen in Übersee stationieren. Auf ähnliche Weise ist der deutsche Imperialismus dabei, sein Militär aufzurüsten und eine aggressivere Außenpolitik zu betreiben.