Air Berlin droht die Pleite: 7500 Arbeitsplätze in Gefahr

Air Berlin droht die Pleite. Die tiefverschuldete Fluggesellschaft hat sich vergangene Woche nach der Möglichkeit einer Staatsbürgschaft erkundigt. Die Krise bedroht die Arbeitsplätze, Löhne und Gehälter von 7500 Air-Berlin-Beschäftigten.

Am Rande einer Hauptversammlung in London beschwichtigte Vorstandschef Thomas Winkelmann am gestrigen Mittwoch die Befürchtungen, die Airline könnte bankrott machen. Er versicherte, Air Berlin sei nach wie vor zahlungsfähig: „An unserer Aussage vom April, ‚Die Liquidität des Unternehmens ist gesichert‘, hat sich nichts geändert“, betonte Winkelmann.

Als Air Berlin letzte Woche bei den Ländern Berlin und NRW den Antrag auf Prüfung einer staatlichen Bürgschaft einreichte, hatte dies für große Unruhe gesorgt. Spekulationen über eine drohende Insolvenz wurden laut. Die Frage nach der Bürgschaft kommt der Frage gleich, ob der deutsche Staat im Falle der Zahlungsunfähigkeit mit Steuergeldern einspringen würde.

Kurz zuvor waren die Verhandlungen über ein Joint Venture der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki mit TUIfly gescheitert. Der Hauptaktionär von Air Berlin, die Fluggesellschaft Etihad aus Abu Dhabi, hat sämtliche Gespräche abgebrochen. Geplant war, den größten Ferienflieger im deutschsprachigen Raum zu gründen.

Das Manöver sollte dazu beitragen, Air Berlin aus den roten Zahlen herauszuholen. Die Fluggesellschaft schiebt seit Jahren eine massive Schuldenlast vor sich her. Verluste von 782 Millionen im letzten Jahr haben die Verschuldung Ende 2016 auf fast anderthalb Milliarden Euro hochgetrieben.

Die Airline steckt schon seit der Finanzkrise von 2008 in den roten Zahlen. Ein drastischer Sparkurs, eingeleitet vom damaligen Chef Hartmut Mehdorn im Jahr 2011, hat den Schuldenberg nur vergrößert und im Betriebsablauf für Chaos gesorgt. Weil die Sparmaßnahmen zu Personalmangel führten, kämpft die Airline heute mit Flugverspätungen und Ausfällen. Das bringt ihr Schadenersatzklagen in Millionenhöhe ein und vergrößert kurz vor dem Hauptgeschäft in der Sommerferienzeit die Unsicherheit.

Etihad soll in einem „Letter of Support“ versprochen haben, die Verluste von Air Berlin bis Ende 2018 auszugleichen. Aber in letzter Zeit zieht sich Etihad systematisch aus all seinen verlustreichen Projekten zurück. Im April haben die Geldgeber aus Abu Dhabi der italienischen Fluggesellschaft Alitalia den Geldhahn zugedreht und damit deren Insolvenz herbeigeführt. 12.500 Beschäftigte sind davon betroffen.

Was die staatliche Bürgschaft angeht, so wird sie in jedem Fall mit neuen, harten Auflagen für das Personal verbunden sein. Wie ein finanzpolitischer Sprecher erklärte, sei das Hauptkriterium für die Gewährung von Staatsgeldern „ein tragfähiges Zukunftskonzept“.

Drastischer drückte sich FDP-Chef Christian Lindner in der Bild-Zeitung aus, dessen Partei der neuen NRW-Regierung angehören wird: „Mit der FDP wird der Steuerzahler nicht für Missmanagement haften.“ Auch der SPD-Abgeordnete Sören Bartol riet von einer Bürgschaft ab. Bei Air Berlin könne er „kein Zukunftskonzept erkennen, das wirtschaftlich funktionieren könnte“.

Um eine Insolvenzgefahr zu vermeiden, ist nach dem faktischen Rückzug von Etihad ein neuer Partner dringend gesucht. Im Gespräch ist an erster Stelle die Übernahme durch Lufthansa, die größte deutsche Fluggesellschaft und heute schon Air-Berlin-Partner. CEO Winkelmann sagte der Zeit am 7. Juni: „Wir müssen 2017 einen Partner finden, und die Lufthansa ist einer von einigen möglichen.“ Winkelmann war selbst vor einem halben Jahr noch bei Lufthansa beschäftigt, ehe er zu Air Berlin wechselte.

In den letzten Tagen – seit den Nachrichten über die Air-Berlin-Krise – sind die Gewinnprognosen für Lufthansa sprunghaft angestiegen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat großes Interesse an Teilen von Air Berlin, um seine Billigsparte Eurowings auszubauen und den Rivalen Ryanair aus dem Feld zu schlagen. Besonders die Start- und Landerechte (Slots) in Düsseldorf, Berlin und an vielen europäischen Ferienorten sind heiß begehrt. Auch interessiert sich Lufthansa für die Flotte von Air Berlin. Die Kranich-Line nutzt schon heute 38 Air-Berlin-Maschinen, die sie samt Crew langfristig angemietet hat.

Zu den Hindernissen, die einer kompletten Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa entgegenstehen, gehört zunächst das Kartellrecht. Es wird einen Zusammenschluss der zwei größten Fluggesellschaften Deutschlands voraussichtlich nicht erlauben. Auch weigert sich Lufthansa kategorisch, die Schulden von Air Berlin zu übernehmen, und Lufthansa-Chef Spohr hat erklärt, als erstes müssten „die enorm hohen Kosten von Air Berlin gedrückt werden“.

Am Ende könnte die Entwicklung doch auf eine Insolvenz Air Berlins hinauslaufen. Die Frankfurter Rundschau schreibt: „Seit geraumer Zeit kursiert in der Branche die Vermutung, dass die Zahlungsunfähigkeit bewusst herbeigeführt werden könnte, als eine Art Brachialsanierung. Dann würde das Unternehmen vermutlich zerschlagen, die Lufthansa könnte leichtes Spiel haben.“

Ob Insolvenz oder Übernahme – in jedem Fall droht den Beschäftigten ein gefährlicher Kahlschlag. Unter dem Dach von Eurowings könnten einige Crews weiterfliegen, aber dem größten Teil der Belegschaft, darunter Tausenden Bodenbeschäftigten, droht der Verlust ihrer Arbeitsstelle.

Am Mittwoch äußerten sich im Deutschlandfunk mehrere Air-Berlin-Piloten und -Mitarbeiter. Einer sagte: „Die Stimmung ist sehr zerrissen, weil wir nicht wissen, ob es denn wirklich in Richtung Insolvenz geht … Der Großteil der Kollegen hat keinen guten Plan B. Denn viele haben sich verschuldet, haben Häuser gekauft.“

Das Hauptproblem für die Beschäftigten sind die Gewerkschaften, die behaupten, ihre Interessen zu vertreten. In Wirklichkeit sind Verdi, UFO und Vereinigung Cockpit (VC) davon weit entfernt. Sie haben sich an die Seite der Konzerne und des deutschen Staats gestellt und beteiligen sich an der Verschwörung, alle Kosten und Lasten der Krise auf die Arbeiter abzuwälzen.

UFO-Tarifvorstand Nicolaus Baublies hat der Rheinischen Post erklärt, seine Gewerkschaft lehne Staatshilfen für die finanziell angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin generell ab. „Von Staatsbürgschaften für Air Berlin halte ich in der jetzigen Situation nichts“, zitiert die Zeitung den Gewerkschafter. Es stehe „nach Aussagen aller Beteiligten fest, dass Air Berlin nicht unabhängig bleiben kann und Lufthansa das Unternehmen übernehmen will“.

Baublies spricht offenbar als Interessenvertreter des Lufthansa-Managements – und nicht als Vertreter der Flugbegleiter. Die Tendenz, dass die Gewerkschaftsfunktionäre mehr und mehr als Juniorpartner der Unternehmen auftreten, ist bei Lufthansa besonders ausgeprägt. Im Dezember 2015 haben Verdi, UFO und Cockpit gemeinsam mit dem Lufthansa-Vorstand einen Runden Tisch organisiert. Statt die Arbeiter gegen die Angriffe der Konzerne zusammenzuschließen, verteidigen sie immer stärker die Wettbewerbsfähigkeit von Lufthansa gegen Konkurrenten wie Ryanair.

Das trifft auch auf die Vereinigung Cockpit zu. Nach jahrelangen Streiks gegen die Angriffe von Lufthansa hat sie im März 2017 völlig kapituliert und ein Abkommen mit Lufthansa unterzeichnet, das einen Streikverzicht bis 2022 enthält und längerfristig alle Errungenschaften wie Frührente und Übergangsgeld liquidiert. Mit dieser Einigung hat VC die Möglichkeit eines gemeinsamen Kampfs aller Beschäftigten im Luftverkehr gegen die Angriffe der Konzerne von vorneherein ausgeschlossen.

In keinem Wirtschaftszweig ist die Arbeit so stark international vernetzt wie in den Luftfahrtkonzernen und an den Flughäfen. Anstatt jedoch den Kampf auch auf Piloten von Eurowings, Germanwings und Air Berlin, geschweige denn auf die Kollegen in andern Konzernen und Ländern, auszuweiten, gehen die Gewerkschaften von den Konkurrenzbedingungen am Markt aus, die angeblich „alternativlos“ seien.

Die Air-Berlin-Beschäftigten müssen sich unabhängig von Verdi, UFO und Cockpit organisieren und ihre Arbeitsplätze und Errungenschaften prinzipiell verteidigen. Immer wieder haben die Belegschaften der Airlines und Flughäfen bewiesen, dass sie zu Kampfmaßnahmen bereit sind. Zuletzt stellten dies die Streiks des Berliner Bodenpersonals im April deutlich unter Beweis. Notwendig ist aber ein internationales und sozialistisches Programm, das die Kollegen unabhängig von den nationalen Gewerkschaftsbürokratien über die Landesgrenzen hinweg zusammenschließt.

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