Frankfurt: Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Über tausend Teilnehmer protestierten am vergangenen Samstag in Frankfurt gegen die Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan. Nach einer Kundgebung am Opernplatz schloss sich eine wachsende Zahl von Menschen der friedlichen Demonstration durch die Innenstadt an.

Am 14. Dezember waren 34 Afghanen in einer besonderen Chartermaschine vom Rhein-Main Airport abgeschoben worden, und für diesen Monat sind weitere Sammelabschiebungen nach Kabul vorgesehen. Im letzten Jahr wurden 25.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben, wobei sich der Frankfurter Flughafen als bevorzugter Hotspot erwiesen hat.

Zu der Kundgebung vor der Alten Oper hatten an diesem 7. Januar der Afghan-Hindu-Kulturverein Frankfurt und weitere Verbände von Hindus und Shiks aufgerufen. Auf ihren Schildern stand: „Stop Deportation and Persecution“, „Wir sind Menschen und keine Zahlen!“, „Equal Rights for Refugees“, „Keep families together“, oder: „Ich möchte als Mensch leben, statt als Sikh in Afghanistan sterben“.

Vor 1980 hätten in Afghanistan bis zu 220.000 Hindus und Sikhs gelebt, erklärte ein Sprecher der Organisatoren. Ihre Zahl sei seither jedoch drastisch auf etwa 1300 Menschen gesunken, denn weder unter den Taliban, noch unter der heutigen, vom Westen unterstützten Regierung sei ein friedliches und körperlich unversehrtes Leben für sie in Afghanistan möglich. Tatsächlich sei das Land heute für alle Zivilisten höchst unsicher.

„Wir kamen nach Deutschland mit großer Hoffnung“, fuhr der Sprecher fort. „Wir haben uns eingelebt, sind Teil der Gesellschaft geworden und unterstützen Neuankömmlinge, wo wir können. Aber das gehört der Vergangenheit an.“ Die Sammelabschiebungen in das Krisenland hätten die Flüchtlingsgemeinden aus Afghanistan ins Mark getroffen. „Der Krieg in Afghanistan hat uns eingeholt. Wieder werden Familien auseinandergerissen, wieder müssen wir um unsere Angehörigen bangen.“

Für Die Linke Hessen sprach Janine Wissler und rief kurz und einsilbig zum Stopp der Abschiebungen auf: „Die Sammelabschiebungen nach Afghanistan müssen beendet werden“, sagte die stellvertretende Linken-Vorsitzende, die auch Mitglied der pseudolinken Gruppe Marx21 ist.

Sie verschwieg eine wichtige Tatsache: Die Linke unterstützt in Thüringen, Brandenburg und Berlin, wo sie in der Landesregierung sitzt, die Abschiebung von Flüchtlingen. Teilweise tut sie dies in Form der sogenannten „freiwilligen Rückkehr“. Dabei besteht die „Freiwilligkeit“ darin, dass abgelehnte Asylbewerber genötigt werden, das Angebot zur „freiwilligen Ausreise“ anzunehmen, falls sie nicht zwangsweise und auf eigene Kosten, oftmals von der Familie getrennt, abgeschoben werden wollen. Die Linke stellt die Asylgesetze der Bundesregierung nicht in Frage.

Unmittelbar nach Wisslers Beitrag unterzogen zwei Flüchtlingshelfer die Praxis der „freiwilligen Ausreise“ einer scharfen Kritik, ohne allerdings die Linkspartei beim Namen zu nennen. Wer der offiziellen Linie der „sicheren“ Herkunftsländer Glauben schenke und Flüchtlinge zu einer freiwilligen Rückkehr dränge, handle voreilig und verantwortungslos, sagten Tina und Daniel vom Flüchtlingsrat Wiesbaden. Diese Praxis setze die Flüchtlinge enormen Gefahren aus.

Wie mehrere Sprecher betonten, hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan im letzten Jahr noch einmal massiv verschlechtert. Das Außenamt hat deutsche Touristen oder Geschäftsleute sogar vor einer kurzfristigen Reise in das Land gewarnt. Afghanistan ist alles andere als ein „sicheres Herkunftsland“: Willkürliche Anschläge der Taliban und Nato-Luftangriffe bedrohen die Menschen tagtäglich. Ein Sprecher berichtete, dass erst vergangene Woche ein Sikh-Vertreter in Kundus auf offener Straße erschossen worden sei. „Sehenden Auges werden die Hindus und Sikhs in den Tod abgeschoben.“

An der Kundgebung und Demonstration beteiligten sich auch zahlreiche deutsche Abschiebungsgegner, vor allem Jugendliche. Die massenhafte Deportation von Flüchtlingen ruft weit verbreitete Abscheu hervor, und die Pläne für zentrale Abschiebezentren erinnern viele an Nazi-KZs. Hätten die Gewerkschaften und Oppositionsparteien den Widerstand nicht systematisch boykottiert und isoliert, hätte die Kundgebung und Demonstration leicht zehnmal so groß ausfallen können.

Aber Bündnis 90/Die Grünen und die Linkspartei unterstützen die Abschiebepraxis gegen Flüchtlinge. Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat der Presse erst kürzlich gesagt, er unterstütze die Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als „sichere Herkunftsländer“. In Thüringen, wo Die Linke unter Bodo Ramelow die Landesregierung stellt, organisiert diese Partei eine ebenso brutale Flüchtlingspolitik wie alle andern. Im letzten Jahr lag Thüringen mit 1762 „freiwilligen“ Rückkehrern zwischen Januar und November 2016 im deutschen Vergleich auf Platz zwei.

Die deutsche Bundesregierung, die Afghanistan zum sicheren Herkunftsland erklärt hat, unterhält seit Herbst 2016 einen zynischen Pakt mit der afghanischen Regierung über die Rückführung abgelehnter Asylantragsteller. Parallel dazu hat der Bundestag das Bundeswehrmandat für Afghanistan verlängert.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière bereitet im Rahmen seiner Pläne zur Zentralisierung des gesamten Sicherheitsapparats neue Abschiebezentren in der Nähe der großen deutschen Flughäfen vor, und Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt diesen Kurs mit ihrer Aufforderung, man müsse „abschieben, abschieben, abschieben“.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat vor wenigen Tagen vorgeschlagen, dass im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge zurück nach Afrika gebracht werden. Dazu sollen spezielle Aufnahmezentren in Tunesien oder Ägypten geschaffen werden. Einem entsprechenden Vorschlag der CSU stimme er uneingeschränkt zu, sagte Bouffier, der in Hessen gemeinsam mit den Grünen regiert.

Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel hat Thomas de Maizières Polizeistaatspläne von rechts kritisiert und sie als reine „Symbolpolitik“ verharmlost. Und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) spricht von einer „Präventionsoffensive“ und fordert geänderte Gesetze, damit die Abschiebehaft auch dann möglich wird, wenn die Herkunftsländer nicht kooperieren.

Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, hat die Argumentation der AfD gegen Merkel fast wörtlich übernommen. In einem Stern-Interview schob sie der Kanzlerin eine „Mitverantwortung“ für das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt zu und kritisierte sie wegen der „unkontrollierten Grenzöffnung“ und der „kaputtgesparten Polizei“, die der „Gefahrenlage“ weder personell noch technisch gewachsen sei.

Loading